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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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Erzählung Begreiflichkeit zu geben muß man annehmen
es sey zwischen den Römern und Volskern eigentlich weder
Krieg noch Friede gewesen; kein Krieg worin beyde Völ-
ker mit entschloßnen Anstrengungen gesucht hätten Gebiet
zu erobern; kein Friede, der freyes Verkehr und unge-
säumte summarische Rechtspflege verbürgte wie sie für den
Fremden ein Bedürfniß ist, und wie sie durch das Lati-
nische Bündniß gewährt ward: an der Gränze habe es
gegolten sein Eigenthum mit bewaffneter Hand zu bewah-
ren, und sein Recht mit Gewalt zu nehmen: aus dieser
Rechtlosigkeit wären die Fehden entstanden welche von den
Annalisten als Kriege geschildert wurden, die aber im All-
gemeinen nur zwischen den nächsten Volskischen Gemein-
den und ihren römischen oder latinischen Nachbaren vor-
gefallen wären, sehr selten die gesammte Volskische Na-
tion betroffen hätten: nur offenbarer Krieg habe von dem
Recht ausgeschlossen den religiösen Spielen beyzuwohnen;
es habe unter den italischen Völkern ähnliches heiliges
Recht geherrscht wie in Griechenland, wo ihre Ruhe durch
Waffenstillstand geschützt, die Straßen auch im Kriege
durch heilige Gebote gesichert waren, und feindliche Völ-
ker sich friedlich bey den heiligen Spielen zusammen fan-
fanden, wie selbst für den Mörder die Blutrache an deren
Stätten ruhte 96). Die römischen Spiele wurden um
den Unwillen der Götter über ihre Entweihung zu versöh-

96) Auch früher wird erzählt wie die Sabiner sich als Zu-
schauer bey den römischen Spielen eingefunden hätten, in
einer Zeit wo kaum nur nicht entschiedner Krieg zwischen
ihnen und Rom herrschte.

Erzaͤhlung Begreiflichkeit zu geben muß man annehmen
es ſey zwiſchen den Roͤmern und Volskern eigentlich weder
Krieg noch Friede geweſen; kein Krieg worin beyde Voͤl-
ker mit entſchloßnen Anſtrengungen geſucht haͤtten Gebiet
zu erobern; kein Friede, der freyes Verkehr und unge-
ſaͤumte ſummariſche Rechtspflege verbuͤrgte wie ſie fuͤr den
Fremden ein Beduͤrfniß iſt, und wie ſie durch das Lati-
niſche Buͤndniß gewaͤhrt ward: an der Graͤnze habe es
gegolten ſein Eigenthum mit bewaffneter Hand zu bewah-
ren, und ſein Recht mit Gewalt zu nehmen: aus dieſer
Rechtloſigkeit waͤren die Fehden entſtanden welche von den
Annaliſten als Kriege geſchildert wurden, die aber im All-
gemeinen nur zwiſchen den naͤchſten Volskiſchen Gemein-
den und ihren roͤmiſchen oder latiniſchen Nachbaren vor-
gefallen waͤren, ſehr ſelten die geſammte Volskiſche Na-
tion betroffen haͤtten: nur offenbarer Krieg habe von dem
Recht ausgeſchloſſen den religioͤſen Spielen beyzuwohnen;
es habe unter den italiſchen Voͤlkern aͤhnliches heiliges
Recht geherrſcht wie in Griechenland, wo ihre Ruhe durch
Waffenſtillſtand geſchuͤtzt, die Straßen auch im Kriege
durch heilige Gebote geſichert waren, und feindliche Voͤl-
ker ſich friedlich bey den heiligen Spielen zuſammen fan-
fanden, wie ſelbſt fuͤr den Moͤrder die Blutrache an deren
Staͤtten ruhte 96). Die roͤmiſchen Spiele wurden um
den Unwillen der Goͤtter uͤber ihre Entweihung zu verſoͤh-

96) Auch fruͤher wird erzaͤhlt wie die Sabiner ſich als Zu-
ſchauer bey den roͤmiſchen Spielen eingefunden haͤtten, in
einer Zeit wo kaum nur nicht entſchiedner Krieg zwiſchen
ihnen und Rom herrſchte.
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[436/0458] Erzaͤhlung Begreiflichkeit zu geben muß man annehmen es ſey zwiſchen den Roͤmern und Volskern eigentlich weder Krieg noch Friede geweſen; kein Krieg worin beyde Voͤl- ker mit entſchloßnen Anſtrengungen geſucht haͤtten Gebiet zu erobern; kein Friede, der freyes Verkehr und unge- ſaͤumte ſummariſche Rechtspflege verbuͤrgte wie ſie fuͤr den Fremden ein Beduͤrfniß iſt, und wie ſie durch das Lati- niſche Buͤndniß gewaͤhrt ward: an der Graͤnze habe es gegolten ſein Eigenthum mit bewaffneter Hand zu bewah- ren, und ſein Recht mit Gewalt zu nehmen: aus dieſer Rechtloſigkeit waͤren die Fehden entſtanden welche von den Annaliſten als Kriege geſchildert wurden, die aber im All- gemeinen nur zwiſchen den naͤchſten Volskiſchen Gemein- den und ihren roͤmiſchen oder latiniſchen Nachbaren vor- gefallen waͤren, ſehr ſelten die geſammte Volskiſche Na- tion betroffen haͤtten: nur offenbarer Krieg habe von dem Recht ausgeſchloſſen den religioͤſen Spielen beyzuwohnen; es habe unter den italiſchen Voͤlkern aͤhnliches heiliges Recht geherrſcht wie in Griechenland, wo ihre Ruhe durch Waffenſtillſtand geſchuͤtzt, die Straßen auch im Kriege durch heilige Gebote geſichert waren, und feindliche Voͤl- ker ſich friedlich bey den heiligen Spielen zuſammen fan- fanden, wie ſelbſt fuͤr den Moͤrder die Blutrache an deren Staͤtten ruhte 96). Die roͤmiſchen Spiele wurden um den Unwillen der Goͤtter uͤber ihre Entweihung zu verſoͤh- 96) Auch fruͤher wird erzaͤhlt wie die Sabiner ſich als Zu- ſchauer bey den roͤmiſchen Spielen eingefunden haͤtten, in einer Zeit wo kaum nur nicht entſchiedner Krieg zwiſchen ihnen und Rom herrſchte.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/458>, abgerufen am 22.11.2024.