Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

gleich dadurch in den Verhältnissen des Privatrechts nicht
verlohr. Für den Ausländer hingegen, der diese letzten
gewann, war auch dieses niedrigere Bürgerrecht vortheil-
haft, und er empfing damit die Aussicht für seine Nach-
kommen zum vollen Genuß plebejischer Rechte zu gelan-
gen. Es ist ein albernes Urtheil Strabos, die Römer
hätten undankbar gehandelt als sie den Cäriten kein höhe-
res Bürgerrecht ertheilten: sie konnten ihnen dieses nicht
verleihen wenn jene selbst nicht vorzogen die Unabhängig-
keit ihres Staats aufzugeben, ihr Grundeigenthum nach
römischem Recht von der Republik zu empfangen, und eine
neue Tribus zu bilden; und dies waren sie damals gewiß
weit entfernt zu wünschen, da das Glück in der gallischen
Zeit ihnen günstiger als Rom gewesen war; wenn anders
das römische Bürgerrecht der Cäriten wirklich in diese
Zeit, und nicht in eine weit frühere, in die Blüthe des
alten Agylla, fällt. Aber Gleichheit mit den Eingebohr-
nen einer benachbarten großen Stadt im Privatrecht war
ein wesentlicher Vortheil, dessen Werth wir nur darum
nicht hoch schätzen, weil im neuen Europa Fremde allent-
halben mit wenigen Ausnahmen in diesen Verhältnissen
den Einheimischen gleich stehen.

Die censorische Notation war für den Senator Ver-
stoßung aus dem Senat, für den Ritter aus seinem
Stande, für den Plebejer aus den Tribus 47), Versto-

47) Zonaras (nach Dio Cassius) VII. c. 19. Exen autois -- es
tas phulas, kai es ten Ippada, kai es ten Gerousian eggra.
phein, -- tous d ouk eu biountas apantakhothen exaleiphein.
Ich werde auf diesen wichtigen Gegenstand im Verfolg die-
ses Werks zurückkommen.

gleich dadurch in den Verhaͤltniſſen des Privatrechts nicht
verlohr. Fuͤr den Auslaͤnder hingegen, der dieſe letzten
gewann, war auch dieſes niedrigere Buͤrgerrecht vortheil-
haft, und er empfing damit die Ausſicht fuͤr ſeine Nach-
kommen zum vollen Genuß plebejiſcher Rechte zu gelan-
gen. Es iſt ein albernes Urtheil Strabos, die Roͤmer
haͤtten undankbar gehandelt als ſie den Caͤriten kein hoͤhe-
res Buͤrgerrecht ertheilten: ſie konnten ihnen dieſes nicht
verleihen wenn jene ſelbſt nicht vorzogen die Unabhaͤngig-
keit ihres Staats aufzugeben, ihr Grundeigenthum nach
roͤmiſchem Recht von der Republik zu empfangen, und eine
neue Tribus zu bilden; und dies waren ſie damals gewiß
weit entfernt zu wuͤnſchen, da das Gluͤck in der galliſchen
Zeit ihnen guͤnſtiger als Rom geweſen war; wenn anders
das roͤmiſche Buͤrgerrecht der Caͤriten wirklich in dieſe
Zeit, und nicht in eine weit fruͤhere, in die Bluͤthe des
alten Agylla, faͤllt. Aber Gleichheit mit den Eingebohr-
nen einer benachbarten großen Stadt im Privatrecht war
ein weſentlicher Vortheil, deſſen Werth wir nur darum
nicht hoch ſchaͤtzen, weil im neuen Europa Fremde allent-
halben mit wenigen Ausnahmen in dieſen Verhaͤltniſſen
den Einheimiſchen gleich ſtehen.

Die cenſoriſche Notation war fuͤr den Senator Ver-
ſtoßung aus dem Senat, fuͤr den Ritter aus ſeinem
Stande, fuͤr den Plebejer aus den Tribus 47), Verſto-

47) Zonaras (nach Dio Caſſius) VII. c. 19. Ἐξῆν ἀυτοῖς — ἐς
τὰς φυλὰς, καὶ ἐς τὴν Ἱππάδα, καὶ ἐς τὴν Γεϱȣσίαν ἐγγϱά.
φειν, — τȣ̔ς δ̕ οὐκ εὖ βιοῦντας ἁπανταχόϑεν ἐξαλείφειν.
Ich werde auf dieſen wichtigen Gegenſtand im Verfolg die-
ſes Werks zuruͤckkommen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0408" n="386"/>
gleich dadurch in den Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en des Privatrechts nicht<lb/>
verlohr. Fu&#x0364;r den Ausla&#x0364;nder hingegen, der die&#x017F;e letzten<lb/>
gewann, war auch die&#x017F;es niedrigere Bu&#x0364;rgerrecht vortheil-<lb/>
haft, und er empfing damit die Aus&#x017F;icht fu&#x0364;r &#x017F;eine Nach-<lb/>
kommen zum vollen Genuß plebeji&#x017F;cher Rechte zu gelan-<lb/>
gen. Es i&#x017F;t ein albernes Urtheil Strabos, die Ro&#x0364;mer<lb/>
ha&#x0364;tten undankbar gehandelt als &#x017F;ie den Ca&#x0364;riten kein ho&#x0364;he-<lb/>
res Bu&#x0364;rgerrecht ertheilten: &#x017F;ie konnten ihnen die&#x017F;es nicht<lb/>
verleihen wenn jene &#x017F;elb&#x017F;t nicht vorzogen die Unabha&#x0364;ngig-<lb/>
keit ihres Staats aufzugeben, ihr Grundeigenthum nach<lb/>
ro&#x0364;mi&#x017F;chem Recht von der Republik zu empfangen, und eine<lb/>
neue Tribus zu bilden; und dies waren &#x017F;ie damals gewiß<lb/>
weit entfernt zu wu&#x0364;n&#x017F;chen, da das Glu&#x0364;ck in der galli&#x017F;chen<lb/>
Zeit ihnen gu&#x0364;n&#x017F;tiger als Rom gewe&#x017F;en war; wenn anders<lb/>
das ro&#x0364;mi&#x017F;che Bu&#x0364;rgerrecht der Ca&#x0364;riten wirklich in die&#x017F;e<lb/>
Zeit, und nicht in eine weit fru&#x0364;here, in die Blu&#x0364;the des<lb/>
alten Agylla, fa&#x0364;llt. Aber Gleichheit mit den Eingebohr-<lb/>
nen einer benachbarten großen Stadt im Privatrecht war<lb/>
ein we&#x017F;entlicher Vortheil, de&#x017F;&#x017F;en Werth wir nur darum<lb/>
nicht hoch &#x017F;cha&#x0364;tzen, weil im neuen Europa Fremde allent-<lb/>
halben mit wenigen Ausnahmen in die&#x017F;en Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
den Einheimi&#x017F;chen gleich &#x017F;tehen.</p><lb/>
          <p>Die cen&#x017F;ori&#x017F;che Notation war fu&#x0364;r den Senator Ver-<lb/>
&#x017F;toßung aus dem Senat, fu&#x0364;r den Ritter aus &#x017F;einem<lb/>
Stande, fu&#x0364;r den Plebejer aus den Tribus <note place="foot" n="47)">Zonaras (nach Dio Ca&#x017F;&#x017F;ius) <hi rendition="#aq">VII. c. 19.</hi> &#x1F18;&#x03BE;&#x1FC6;&#x03BD; &#x1F00;&#x03C5;&#x03C4;&#x03BF;&#x1FD6;&#x03C2; &#x2014; &#x1F10;&#x03C2;<lb/>
&#x03C4;&#x1F70;&#x03C2; &#x03C6;&#x03C5;&#x03BB;&#x1F70;&#x03C2;, &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x1F10;&#x03C2; &#x03C4;&#x1F74;&#x03BD; &#x1F39;&#x03C0;&#x03C0;&#x03AC;&#x03B4;&#x03B1;, &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x1F10;&#x03C2; &#x03C4;&#x1F74;&#x03BD; &#x0393;&#x03B5;&#x03F1;&#x0223;&#x03C3;&#x03AF;&#x03B1;&#x03BD; &#x1F10;&#x03B3;&#x03B3;&#x03F1;&#x03AC;.<lb/>
&#x03C6;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;, &#x2014; &#x03C4;&#x0223;&#x0314;&#x03C2; &#x03B4;&#x0315; &#x03BF;&#x1F50;&#x03BA; &#x03B5;&#x1F56; &#x03B2;&#x03B9;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C2; &#x1F01;&#x03C0;&#x03B1;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C7;&#x03CC;&#x03D1;&#x03B5;&#x03BD; &#x1F10;&#x03BE;&#x03B1;&#x03BB;&#x03B5;&#x03AF;&#x03C6;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;.<lb/>
Ich werde auf die&#x017F;en wichtigen Gegen&#x017F;tand im Verfolg die-<lb/>
&#x017F;es Werks zuru&#x0364;ckkommen.</note>, Ver&#x017F;to-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[386/0408] gleich dadurch in den Verhaͤltniſſen des Privatrechts nicht verlohr. Fuͤr den Auslaͤnder hingegen, der dieſe letzten gewann, war auch dieſes niedrigere Buͤrgerrecht vortheil- haft, und er empfing damit die Ausſicht fuͤr ſeine Nach- kommen zum vollen Genuß plebejiſcher Rechte zu gelan- gen. Es iſt ein albernes Urtheil Strabos, die Roͤmer haͤtten undankbar gehandelt als ſie den Caͤriten kein hoͤhe- res Buͤrgerrecht ertheilten: ſie konnten ihnen dieſes nicht verleihen wenn jene ſelbſt nicht vorzogen die Unabhaͤngig- keit ihres Staats aufzugeben, ihr Grundeigenthum nach roͤmiſchem Recht von der Republik zu empfangen, und eine neue Tribus zu bilden; und dies waren ſie damals gewiß weit entfernt zu wuͤnſchen, da das Gluͤck in der galliſchen Zeit ihnen guͤnſtiger als Rom geweſen war; wenn anders das roͤmiſche Buͤrgerrecht der Caͤriten wirklich in dieſe Zeit, und nicht in eine weit fruͤhere, in die Bluͤthe des alten Agylla, faͤllt. Aber Gleichheit mit den Eingebohr- nen einer benachbarten großen Stadt im Privatrecht war ein weſentlicher Vortheil, deſſen Werth wir nur darum nicht hoch ſchaͤtzen, weil im neuen Europa Fremde allent- halben mit wenigen Ausnahmen in dieſen Verhaͤltniſſen den Einheimiſchen gleich ſtehen. Die cenſoriſche Notation war fuͤr den Senator Ver- ſtoßung aus dem Senat, fuͤr den Ritter aus ſeinem Stande, fuͤr den Plebejer aus den Tribus 47), Verſto- 47) Zonaras (nach Dio Caſſius) VII. c. 19. Ἐξῆν ἀυτοῖς — ἐς τὰς φυλὰς, καὶ ἐς τὴν Ἱππάδα, καὶ ἐς τὴν Γεϱȣσίαν ἐγγϱά. φειν, — τȣ̔ς δ̕ οὐκ εὖ βιοῦντας ἁπανταχόϑεν ἐξαλείφειν. Ich werde auf dieſen wichtigen Gegenſtand im Verfolg die- ſes Werks zuruͤckkommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/408
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/408>, abgerufen am 23.11.2024.