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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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zelne Vergehung. Ist dieses bey der Clientel denkbar,
welche dem Patricier die Pflicht des Schutzes, noch mehr
die Ausübung der Liebespflichten gegen seine eignen Clien-
ten gebot? Kann man sich wenigstens die Ausartung all-
gemein denken, und so verbreitet daß sich das gesammte
Volk zum Aufstand entschlossen hätte, da doch jeden, dessen
Patron mit leidlicher Gutartigkeit verfuhr, die heilige und
schwer verpönte Ehrerbietung gegen seinen Schutzherrn
zurückhalten mußte, wider den er nicht einmal stimmen
durste ohne sich des Todes schuldig zu machen? Hätten
Clienten, wenn man nicht eine undenkbare Gewissenlosig-
keit der Patrone annehmen will, einen andern Schutz als
den ihrigen, hätten sie je den der Volkstribune bedürfen
können? Und wie hätten in den Volksversammlungen Be-
schlüsse gegen das Interesse der Patricier gefaßt werden
können, welches die Sache jedes Patrons war, und wo
jeder Patron die Beleidigung an seinem Clienten ahnden
konnte, der durch solche Gewissenlosigkeit gesetzlich ge-
ächtet war.

Die zuletzt aus Livius angeführte Stelle beweis't, daß
die Clienten der Patricier in den Versammlungen der Tri-
bus nicht erschienen und stimmten. Wären sie in diesen,
wenn auch nicht in überwiegender Zahl, mit den Plebejern
vermischt gewesen, so konnten die Patricier durch das
Publilische Gesetz nicht allen Einfluß auf die tribunicischen
Wahlen ganz und gar verlieren. Ihrer Stimmen waren
sie durch die heiligsten Pflichten und unerschütterliche Ge-
wohnheit versichert; und das kann nicht gefehlt haben daß
sie nicht auf einen Theil der Plebejer persönlichen Einfluß

zelne Vergehung. Iſt dieſes bey der Clientel denkbar,
welche dem Patricier die Pflicht des Schutzes, noch mehr
die Ausuͤbung der Liebespflichten gegen ſeine eignen Clien-
ten gebot? Kann man ſich wenigſtens die Ausartung all-
gemein denken, und ſo verbreitet daß ſich das geſammte
Volk zum Aufſtand entſchloſſen haͤtte, da doch jeden, deſſen
Patron mit leidlicher Gutartigkeit verfuhr, die heilige und
ſchwer verpoͤnte Ehrerbietung gegen ſeinen Schutzherrn
zuruͤckhalten mußte, wider den er nicht einmal ſtimmen
durſte ohne ſich des Todes ſchuldig zu machen? Haͤtten
Clienten, wenn man nicht eine undenkbare Gewiſſenloſig-
keit der Patrone annehmen will, einen andern Schutz als
den ihrigen, haͤtten ſie je den der Volkstribune beduͤrfen
koͤnnen? Und wie haͤtten in den Volksverſammlungen Be-
ſchluͤſſe gegen das Intereſſe der Patricier gefaßt werden
koͤnnen, welches die Sache jedes Patrons war, und wo
jeder Patron die Beleidigung an ſeinem Clienten ahnden
konnte, der durch ſolche Gewiſſenloſigkeit geſetzlich ge-
aͤchtet war.

Die zuletzt aus Livius angefuͤhrte Stelle beweiſ’t, daß
die Clienten der Patricier in den Verſammlungen der Tri-
bus nicht erſchienen und ſtimmten. Waͤren ſie in dieſen,
wenn auch nicht in uͤberwiegender Zahl, mit den Plebejern
vermiſcht geweſen, ſo konnten die Patricier durch das
Publiliſche Geſetz nicht allen Einfluß auf die tribuniciſchen
Wahlen ganz und gar verlieren. Ihrer Stimmen waren
ſie durch die heiligſten Pflichten und unerſchuͤtterliche Ge-
wohnheit verſichert; und das kann nicht gefehlt haben daß
ſie nicht auf einen Theil der Plebejer perſoͤnlichen Einfluß

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[383/0405] zelne Vergehung. Iſt dieſes bey der Clientel denkbar, welche dem Patricier die Pflicht des Schutzes, noch mehr die Ausuͤbung der Liebespflichten gegen ſeine eignen Clien- ten gebot? Kann man ſich wenigſtens die Ausartung all- gemein denken, und ſo verbreitet daß ſich das geſammte Volk zum Aufſtand entſchloſſen haͤtte, da doch jeden, deſſen Patron mit leidlicher Gutartigkeit verfuhr, die heilige und ſchwer verpoͤnte Ehrerbietung gegen ſeinen Schutzherrn zuruͤckhalten mußte, wider den er nicht einmal ſtimmen durſte ohne ſich des Todes ſchuldig zu machen? Haͤtten Clienten, wenn man nicht eine undenkbare Gewiſſenloſig- keit der Patrone annehmen will, einen andern Schutz als den ihrigen, haͤtten ſie je den der Volkstribune beduͤrfen koͤnnen? Und wie haͤtten in den Volksverſammlungen Be- ſchluͤſſe gegen das Intereſſe der Patricier gefaßt werden koͤnnen, welches die Sache jedes Patrons war, und wo jeder Patron die Beleidigung an ſeinem Clienten ahnden konnte, der durch ſolche Gewiſſenloſigkeit geſetzlich ge- aͤchtet war. Die zuletzt aus Livius angefuͤhrte Stelle beweiſ’t, daß die Clienten der Patricier in den Verſammlungen der Tri- bus nicht erſchienen und ſtimmten. Waͤren ſie in dieſen, wenn auch nicht in uͤberwiegender Zahl, mit den Plebejern vermiſcht geweſen, ſo konnten die Patricier durch das Publiliſche Geſetz nicht allen Einfluß auf die tribuniciſchen Wahlen ganz und gar verlieren. Ihrer Stimmen waren ſie durch die heiligſten Pflichten und unerſchuͤtterliche Ge- wohnheit verſichert; und das kann nicht gefehlt haben daß ſie nicht auf einen Theil der Plebejer perſoͤnlichen Einfluß

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/405>, abgerufen am 23.11.2024.