Rom war jetzt ohne Haupt, und der Senat hätte nach der alten Sitte in den Besitz des Zwischenreichs tre- ten sollen. Aber seit Ancus Tode war über ein Jahrhun- dert vergangen, und zwey Könige hatten den Thron sogar ohne Wahl eingenommen. Ueberdies hatte der Senat unter dem letzten Könige viele der seinigen durch Ty- ranney verlohren, die Achtung und das Vertrauen des Volks durch seine Empörung gegen den ehrwürdigen alten König, wodurch das Joch der letzten Regierung auf die Nation gekommen war: die Anhänger der Tar- quinier waren zahlreich in seiner Mitte; dies ist klar durch die Menge der Ausgewanderten, welche in der Folge gegen das Vaterland fochten, und zuverlässig nicht aus Leuten der niedern Stände bestanden. Bru- tus, als der erste nach dem König, war auch nach der Form im Besitz der Macht auf die sein Verdienst ihm den ersten Anspruch gab. Von ihm berechtigt, berief der Präfect der Stadt die Centurien, um nach der Ver- fassung des Königs Servius anstatt eines Königs zwey Consuln zu erwählen, um während eines Jahrs die ganze königliche Macht auszuüben, bekleidet mit dem Glanz der Königswürde, ausgenommen die Krone und die goldgestickten Purpurkleider, die nur für die Feyer- lichkeit des Triumphs ihnen gestattet wurden. Kein Ge- setz beschränkte damals und noch lange nachher die Wie- dererwählbarkeit in folgenden Jahren. Der Nahme Con- sul scheint wie der womit die höchsten Götter, Jupiters
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Rom bis zur Schlacht am Regillus.
Rom war jetzt ohne Haupt, und der Senat haͤtte nach der alten Sitte in den Beſitz des Zwiſchenreichs tre- ten ſollen. Aber ſeit Ancus Tode war uͤber ein Jahrhun- dert vergangen, und zwey Koͤnige hatten den Thron ſogar ohne Wahl eingenommen. Ueberdies hatte der Senat unter dem letzten Koͤnige viele der ſeinigen durch Ty- ranney verlohren, die Achtung und das Vertrauen des Volks durch ſeine Empoͤrung gegen den ehrwuͤrdigen alten Koͤnig, wodurch das Joch der letzten Regierung auf die Nation gekommen war: die Anhaͤnger der Tar- quinier waren zahlreich in ſeiner Mitte; dies iſt klar durch die Menge der Ausgewanderten, welche in der Folge gegen das Vaterland fochten, und zuverlaͤſſig nicht aus Leuten der niedern Staͤnde beſtanden. Bru- tus, als der erſte nach dem Koͤnig, war auch nach der Form im Beſitz der Macht auf die ſein Verdienſt ihm den erſten Anſpruch gab. Von ihm berechtigt, berief der Praͤfect der Stadt die Centurien, um nach der Ver- faſſung des Koͤnigs Servius anſtatt eines Koͤnigs zwey Conſuln zu erwaͤhlen, um waͤhrend eines Jahrs die ganze koͤnigliche Macht auszuuͤben, bekleidet mit dem Glanz der Koͤnigswuͤrde, ausgenommen die Krone und die goldgeſtickten Purpurkleider, die nur fuͤr die Feyer- lichkeit des Triumphs ihnen geſtattet wurden. Kein Ge- ſetz beſchraͤnkte damals und noch lange nachher die Wie- dererwaͤhlbarkeit in folgenden Jahren. Der Nahme Con- ſul ſcheint wie der womit die hoͤchſten Goͤtter, Jupiters
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Rom bis zur Schlacht am Regillus.
Rom war jetzt ohne Haupt, und der Senat haͤtte
nach der alten Sitte in den Beſitz des Zwiſchenreichs tre-
ten ſollen. Aber ſeit Ancus Tode war uͤber ein Jahrhun-
dert vergangen, und zwey Koͤnige hatten den Thron ſogar
ohne Wahl eingenommen. Ueberdies hatte der Senat
unter dem letzten Koͤnige viele der ſeinigen durch Ty-
ranney verlohren, die Achtung und das Vertrauen des
Volks durch ſeine Empoͤrung gegen den ehrwuͤrdigen
alten Koͤnig, wodurch das Joch der letzten Regierung
auf die Nation gekommen war: die Anhaͤnger der Tar-
quinier waren zahlreich in ſeiner Mitte; dies iſt klar
durch die Menge der Ausgewanderten, welche in der
Folge gegen das Vaterland fochten, und zuverlaͤſſig
nicht aus Leuten der niedern Staͤnde beſtanden. Bru-
tus, als der erſte nach dem Koͤnig, war auch nach der
Form im Beſitz der Macht auf die ſein Verdienſt ihm
den erſten Anſpruch gab. Von ihm berechtigt, berief
der Praͤfect der Stadt die Centurien, um nach der Ver-
faſſung des Koͤnigs Servius anſtatt eines Koͤnigs zwey
Conſuln zu erwaͤhlen, um waͤhrend eines Jahrs die
ganze koͤnigliche Macht auszuuͤben, bekleidet mit dem
Glanz der Koͤnigswuͤrde, ausgenommen die Krone und
die goldgeſtickten Purpurkleider, die nur fuͤr die Feyer-
lichkeit des Triumphs ihnen geſtattet wurden. Kein Ge-
ſetz beſchraͤnkte damals und noch lange nachher die Wie-
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/345>, abgerufen am 21.11.2024.
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