Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.gerlichen wie in gottesdienstlichen Dingen bestanden fort- gerlichen wie in gottesdienſtlichen Dingen beſtanden fort- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0344" n="322"/> gerlichen wie in gottesdienſtlichen Dingen beſtanden fort-<lb/> waͤhrend mit voller Rechtskraft. Die Veraͤnderung der<lb/> Verfaſſung betraf anfangs nur einen einzigen Zweig: und<lb/> nie kam es den Roͤmern in den Sinn ſich ſelbſt um ein rei-<lb/> ches Erbtheil von Geſetzen und Erinnerungen zu verkuͤm-<lb/> mern. Nur in unſern Tagen ſah man auch die Folgen des<lb/> Wahnſinns, der in den Tagen unſrer Vaͤter mit einer nie<lb/> geſehenen Art des Hochmuths ſich Herabwuͤrdigung und<lb/> Knechtſchaft neben dem Beruf zu beyſpielloſer Vollkom-<lb/> menheit anlog, und eine neue Erde durch Zertruͤmmerung<lb/> zu bilden prahlte: nur einmal ſah die Welt, und wir ha-<lb/> ben es geſehen, daß allgemeine Verachtung uͤber die Ver-<lb/> gangenheit herabgerufen ward, daß man auf den Titel<lb/> losgebrochner Sklaven ſtolz war. Etwas aͤhnliches frey-<lb/> lich, und aͤhnliche Folgen hatte ſie bey religioͤſen Revo-<lb/> lutionen erfahren, die proteſtantiſchen Kirchen haben<lb/> Heilige und Kirchenvaͤter von ſich geworfen, und nicht<lb/> ungeſtraft: auch bey wiſſenſchaftlichen und dichteriſchen.<lb/> Dagegen zeigt die Erfahrung der ganzen Geſchichte,<lb/> daß ein Volk keinen herrlicheren Reichthum beſitzt als<lb/> an einer langen und glaͤnzenden ununterbrochnen Vor-<lb/> zeit. An dieſem Mangel ſiechen alle Colonieen. Die<lb/> Griechiſchen zwar trennten ſich in ihren Erinnerungen<lb/> ſelten ganz von der Wurzel des Mutterſtaats: neuere<lb/> haben es gethan, und ſind durch dieſe unnatuͤrliche<lb/> Frechheit vielleicht noch mehr als durch andre Umſtaͤnde<lb/> in eine heilloſe Schlechtigkeit verſunken.</p> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [322/0344]
gerlichen wie in gottesdienſtlichen Dingen beſtanden fort-
waͤhrend mit voller Rechtskraft. Die Veraͤnderung der
Verfaſſung betraf anfangs nur einen einzigen Zweig: und
nie kam es den Roͤmern in den Sinn ſich ſelbſt um ein rei-
ches Erbtheil von Geſetzen und Erinnerungen zu verkuͤm-
mern. Nur in unſern Tagen ſah man auch die Folgen des
Wahnſinns, der in den Tagen unſrer Vaͤter mit einer nie
geſehenen Art des Hochmuths ſich Herabwuͤrdigung und
Knechtſchaft neben dem Beruf zu beyſpielloſer Vollkom-
menheit anlog, und eine neue Erde durch Zertruͤmmerung
zu bilden prahlte: nur einmal ſah die Welt, und wir ha-
ben es geſehen, daß allgemeine Verachtung uͤber die Ver-
gangenheit herabgerufen ward, daß man auf den Titel
losgebrochner Sklaven ſtolz war. Etwas aͤhnliches frey-
lich, und aͤhnliche Folgen hatte ſie bey religioͤſen Revo-
lutionen erfahren, die proteſtantiſchen Kirchen haben
Heilige und Kirchenvaͤter von ſich geworfen, und nicht
ungeſtraft: auch bey wiſſenſchaftlichen und dichteriſchen.
Dagegen zeigt die Erfahrung der ganzen Geſchichte,
daß ein Volk keinen herrlicheren Reichthum beſitzt als
an einer langen und glaͤnzenden ununterbrochnen Vor-
zeit. An dieſem Mangel ſiechen alle Colonieen. Die
Griechiſchen zwar trennten ſich in ihren Erinnerungen
ſelten ganz von der Wurzel des Mutterſtaats: neuere
haben es gethan, und ſind durch dieſe unnatuͤrliche
Frechheit vielleicht noch mehr als durch andre Umſtaͤnde
in eine heilloſe Schlechtigkeit verſunken.
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Zitationshilfe: | Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/344>, abgerufen am 28.07.2024. |