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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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etruskisch waren, eben wie die Ritualbücher, in denen so-
gar die Grundformen der Verfassung als göttliche Lehre
vorgeschrieben waren, ist nicht nur an sich höchst wahr-
scheinlich, sondern wird es dadurch noch mehr daß die
Römer bey der Belagerung von Veji belehrt wurden, die
Schicksalsbücher knüpften das Schicksal ihrer und dieser
Stadt an die Ableitung des Albanersees. Die Sibyllini-
schen Bücher muß man entschieden von dem Gebot solcher
Unthaten freysprechen.

Orakel wie die Griechischen, wo sich die Gottheit
durch den Mund einer begeisterten Priesterin den Fragen-
den offenbarte hatte kein Italisches Volk. Bey den Apu-
liern auf dem Garganus findet sich, aber in einem grie-
chischen Heroum des Kalchas, also entlehnt, die ver-
wandte griechische Sitte sich Offenbarungen im Traum zu
erwerben, dadurch daß man nach dargebrachtem Opfer im
Tempel schlief. Beyden Völkern, den Etruskern und La-
tinern war das roheste Orakel, die Loose, gemeinschaft-
lich; die berühmtesten waren zu Präneste im Tempel der
Fortuna, aber auch die zu Cäre werden erwähnt. Diese
erinnern an die Runenstäbe unsrer Vorfahren. Die Prä-
nestinischen waren Stäbe von Eichenholz, mit alter einge-
grabener Schrift, welche ein vornehmer Pränestiner im
innern Felsen, wo er ihn auf Geheiß ängstigender Träume
ausgehauen, entdeckt haben sollte. Diese wurden von
einem Knaben für den der das Orakel befragte gezogen 80).

Diese einheimischen Orakel und die Weisheit der
Etruskischen Priester befriedigten den König nicht als sein

80) Cicero de divinat. II. c. 41.

etruskiſch waren, eben wie die Ritualbuͤcher, in denen ſo-
gar die Grundformen der Verfaſſung als goͤttliche Lehre
vorgeſchrieben waren, iſt nicht nur an ſich hoͤchſt wahr-
ſcheinlich, ſondern wird es dadurch noch mehr daß die
Roͤmer bey der Belagerung von Veji belehrt wurden, die
Schickſalsbuͤcher knuͤpften das Schickſal ihrer und dieſer
Stadt an die Ableitung des Albanerſees. Die Sibyllini-
ſchen Buͤcher muß man entſchieden von dem Gebot ſolcher
Unthaten freyſprechen.

Orakel wie die Griechiſchen, wo ſich die Gottheit
durch den Mund einer begeiſterten Prieſterin den Fragen-
den offenbarte hatte kein Italiſches Volk. Bey den Apu-
liern auf dem Garganus findet ſich, aber in einem grie-
chiſchen Heroum des Kalchas, alſo entlehnt, die ver-
wandte griechiſche Sitte ſich Offenbarungen im Traum zu
erwerben, dadurch daß man nach dargebrachtem Opfer im
Tempel ſchlief. Beyden Voͤlkern, den Etruskern und La-
tinern war das roheſte Orakel, die Looſe, gemeinſchaft-
lich; die beruͤhmteſten waren zu Praͤneſte im Tempel der
Fortuna, aber auch die zu Caͤre werden erwaͤhnt. Dieſe
erinnern an die Runenſtaͤbe unſrer Vorfahren. Die Praͤ-
neſtiniſchen waren Staͤbe von Eichenholz, mit alter einge-
grabener Schrift, welche ein vornehmer Praͤneſtiner im
innern Felſen, wo er ihn auf Geheiß aͤngſtigender Traͤume
ausgehauen, entdeckt haben ſollte. Dieſe wurden von
einem Knaben fuͤr den der das Orakel befragte gezogen 80).

Dieſe einheimiſchen Orakel und die Weisheit der
Etruskiſchen Prieſter befriedigten den Koͤnig nicht als ſein

80) Cicero de divinat. II. c. 41.
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[313/0335] etruskiſch waren, eben wie die Ritualbuͤcher, in denen ſo- gar die Grundformen der Verfaſſung als goͤttliche Lehre vorgeſchrieben waren, iſt nicht nur an ſich hoͤchſt wahr- ſcheinlich, ſondern wird es dadurch noch mehr daß die Roͤmer bey der Belagerung von Veji belehrt wurden, die Schickſalsbuͤcher knuͤpften das Schickſal ihrer und dieſer Stadt an die Ableitung des Albanerſees. Die Sibyllini- ſchen Buͤcher muß man entſchieden von dem Gebot ſolcher Unthaten freyſprechen. Orakel wie die Griechiſchen, wo ſich die Gottheit durch den Mund einer begeiſterten Prieſterin den Fragen- den offenbarte hatte kein Italiſches Volk. Bey den Apu- liern auf dem Garganus findet ſich, aber in einem grie- chiſchen Heroum des Kalchas, alſo entlehnt, die ver- wandte griechiſche Sitte ſich Offenbarungen im Traum zu erwerben, dadurch daß man nach dargebrachtem Opfer im Tempel ſchlief. Beyden Voͤlkern, den Etruskern und La- tinern war das roheſte Orakel, die Looſe, gemeinſchaft- lich; die beruͤhmteſten waren zu Praͤneſte im Tempel der Fortuna, aber auch die zu Caͤre werden erwaͤhnt. Dieſe erinnern an die Runenſtaͤbe unſrer Vorfahren. Die Praͤ- neſtiniſchen waren Staͤbe von Eichenholz, mit alter einge- grabener Schrift, welche ein vornehmer Praͤneſtiner im innern Felſen, wo er ihn auf Geheiß aͤngſtigender Traͤume ausgehauen, entdeckt haben ſollte. Dieſe wurden von einem Knaben fuͤr den der das Orakel befragte gezogen 80). Dieſe einheimiſchen Orakel und die Weisheit der Etruskiſchen Prieſter befriedigten den Koͤnig nicht als ſein 80) Cicero de divinat. II. c. 41.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/335>, abgerufen am 22.11.2024.