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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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Uebrigens waren diese Bücher ein so furchtbares Ge-
heimniß seit Tarquinius einen der Duumvirn deren Ob-
hut er sie anvertraute wegen Geschwätzigkeit wie einen Va-
termörder hatte ersäufen lassen, daß über ihre Beschaffen-
heit gar keine Nachrichten vorhanden sind. Selbst die
Vorsteher, deren Zahl, anfänglich zwey, nachher auf zehn,
und zuletzt auf funfzehn vermehrt ward, haben sie schwer-
lich eröffnen dürfen ausgenommen wenn ihnen vom Senat
der Befehl dazu ertheilt ward. Wir wissen daher nicht
einmal zuverlässig in welcher Sprache sie geschrieben wa-
ren. Auch scheint man selbst in der neuesten Zeit, obgleich
der Glaube herrschte das alte Rom sey von den Griechen
und allem was griechisch war durch eine tiefe Kluft ge-
schieden gewesen, die Frage kaum aufgeworfen zu haben;
obgleich bey dieser Meinung es unbegreiflich scheinen muß
daß Römische Priester Bücher gebrauchen konnten zu de-
ren Auslegung sie gewiß keinen fremden Dollmetscher zu-
lassen durften. Aber wirklich war die griechische Sprache,
wenn auch bis auf die Zeiten des zweyten Punischen
Kriegs die Litteratur ohne alle Ausnahme, welches doch
nicht einmal wahrscheinlich ist, den Römern ganz unbe-
kannt gewesen seyn sollte, ihnen gewiß so fremd nicht: im
fünften Jahrhundert redete der römische Gesandte, wenn
gleich fehlerhaft, griechisch zur Tarentinischen Volksver-
sammlung, und wie hätten Rom und Karthago unterhan-
deln können, außer durch das gemeinschaftliche Mittel der
griechischen Sprache? welche den Karthaginensern so be-
kannt war daß Hannibal griechisch schrieb. Früher hatte
die punische Regierung einmal verboten darin zu unter-

Uebrigens waren dieſe Buͤcher ein ſo furchtbares Ge-
heimniß ſeit Tarquinius einen der Duumvirn deren Ob-
hut er ſie anvertraute wegen Geſchwaͤtzigkeit wie einen Va-
termoͤrder hatte erſaͤufen laſſen, daß uͤber ihre Beſchaffen-
heit gar keine Nachrichten vorhanden ſind. Selbſt die
Vorſteher, deren Zahl, anfaͤnglich zwey, nachher auf zehn,
und zuletzt auf funfzehn vermehrt ward, haben ſie ſchwer-
lich eroͤffnen duͤrfen ausgenommen wenn ihnen vom Senat
der Befehl dazu ertheilt ward. Wir wiſſen daher nicht
einmal zuverlaͤſſig in welcher Sprache ſie geſchrieben wa-
ren. Auch ſcheint man ſelbſt in der neueſten Zeit, obgleich
der Glaube herrſchte das alte Rom ſey von den Griechen
und allem was griechiſch war durch eine tiefe Kluft ge-
ſchieden geweſen, die Frage kaum aufgeworfen zu haben;
obgleich bey dieſer Meinung es unbegreiflich ſcheinen muß
daß Roͤmiſche Prieſter Buͤcher gebrauchen konnten zu de-
ren Auslegung ſie gewiß keinen fremden Dollmetſcher zu-
laſſen durften. Aber wirklich war die griechiſche Sprache,
wenn auch bis auf die Zeiten des zweyten Puniſchen
Kriegs die Litteratur ohne alle Ausnahme, welches doch
nicht einmal wahrſcheinlich iſt, den Roͤmern ganz unbe-
kannt geweſen ſeyn ſollte, ihnen gewiß ſo fremd nicht: im
fuͤnften Jahrhundert redete der roͤmiſche Geſandte, wenn
gleich fehlerhaft, griechiſch zur Tarentiniſchen Volksver-
ſammlung, und wie haͤtten Rom und Karthago unterhan-
deln koͤnnen, außer durch das gemeinſchaftliche Mittel der
griechiſchen Sprache? welche den Karthaginenſern ſo be-
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die puniſche Regierung einmal verboten darin zu unter-

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[310/0332] Uebrigens waren dieſe Buͤcher ein ſo furchtbares Ge- heimniß ſeit Tarquinius einen der Duumvirn deren Ob- hut er ſie anvertraute wegen Geſchwaͤtzigkeit wie einen Va- termoͤrder hatte erſaͤufen laſſen, daß uͤber ihre Beſchaffen- heit gar keine Nachrichten vorhanden ſind. Selbſt die Vorſteher, deren Zahl, anfaͤnglich zwey, nachher auf zehn, und zuletzt auf funfzehn vermehrt ward, haben ſie ſchwer- lich eroͤffnen duͤrfen ausgenommen wenn ihnen vom Senat der Befehl dazu ertheilt ward. Wir wiſſen daher nicht einmal zuverlaͤſſig in welcher Sprache ſie geſchrieben wa- ren. Auch ſcheint man ſelbſt in der neueſten Zeit, obgleich der Glaube herrſchte das alte Rom ſey von den Griechen und allem was griechiſch war durch eine tiefe Kluft ge- ſchieden geweſen, die Frage kaum aufgeworfen zu haben; obgleich bey dieſer Meinung es unbegreiflich ſcheinen muß daß Roͤmiſche Prieſter Buͤcher gebrauchen konnten zu de- ren Auslegung ſie gewiß keinen fremden Dollmetſcher zu- laſſen durften. Aber wirklich war die griechiſche Sprache, wenn auch bis auf die Zeiten des zweyten Puniſchen Kriegs die Litteratur ohne alle Ausnahme, welches doch nicht einmal wahrſcheinlich iſt, den Roͤmern ganz unbe- kannt geweſen ſeyn ſollte, ihnen gewiß ſo fremd nicht: im fuͤnften Jahrhundert redete der roͤmiſche Geſandte, wenn gleich fehlerhaft, griechiſch zur Tarentiniſchen Volksver- ſammlung, und wie haͤtten Rom und Karthago unterhan- deln koͤnnen, außer durch das gemeinſchaftliche Mittel der griechiſchen Sprache? welche den Karthaginenſern ſo be- kannt war daß Hannibal griechiſch ſchrieb. Fruͤher hatte die puniſche Regierung einmal verboten darin zu unter-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/332>, abgerufen am 25.11.2024.