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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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von dem alten König, was alle übrige als dem letzten wi-
derfahren melden. Sie weichen ebenfalls ab in Hinsicht
der Zahl der Bücher welche eine fremde Frau dem Römi-
schen Könige für einen Preis darbot welcher, wenn Lactan-
tius Varros Angabe einigermaßen richtig in der Geldsorte
seiner Zeit ausgedrückt hat, dem Maaß des Vermögens
der zweyten Klasse gleich kam. Die Unbekannte, erzählt
er, habe dreyhundert Goldstücke gefordert: wahrschein-
lich also hatte Varro 30000 Sestertien genannt, welche
75000 Pfunde ausmachen. Hätte er aber selbst von Gold-
stücken geredet, und an alte griechische Statern gedacht,
so würde die genannte Summe das Vermögen der ersten
Klasse überstiegen haben. Zweymal verwarf der König
ihre Forderung als unsinnig; nachdem sie zwey Drittheile
der anfänglich dargebotnen Bücherzahl verbrannt hatte,
und mit dem einzigen, oder mit den drey noch übrigen
zum letztenmal zurückkehrte, zahlte er den geforderten
Preis. Für die Mehrzahl der geretteten reden die zahlrei-
cheren Stimmen der Erzähler, und der förmliche Aus-
druck; es werde den Decemvirn befohlen die Sibylli-
nischen Bücher zu befragen: an der einfachen glaubt Pli-
nius sey kein Zweifel 77). Diese Orakel waren, wie er
ausdrücklich sagt wahrscheinlich aber nur voraussetzt,
auf Papyrus geschrieben; und damals (so jung waren
die Annalen der currenten Schreibkunst) schien es auffal-
lend daß sich das Original des Tarquinius über vierhun-
dert Jahr erhalten hatte bis es im Brande des Capito-
liums verzehrt ward.


77) H. N. XIII. c. 27.

von dem alten Koͤnig, was alle uͤbrige als dem letzten wi-
derfahren melden. Sie weichen ebenfalls ab in Hinſicht
der Zahl der Buͤcher welche eine fremde Frau dem Roͤmi-
ſchen Koͤnige fuͤr einen Preis darbot welcher, wenn Lactan-
tius Varros Angabe einigermaßen richtig in der Geldſorte
ſeiner Zeit ausgedruͤckt hat, dem Maaß des Vermoͤgens
der zweyten Klaſſe gleich kam. Die Unbekannte, erzaͤhlt
er, habe dreyhundert Goldſtuͤcke gefordert: wahrſchein-
lich alſo hatte Varro 30000 Seſtertien genannt, welche
75000 Pfunde ausmachen. Haͤtte er aber ſelbſt von Gold-
ſtuͤcken geredet, und an alte griechiſche Statern gedacht,
ſo wuͤrde die genannte Summe das Vermoͤgen der erſten
Klaſſe uͤberſtiegen haben. Zweymal verwarf der Koͤnig
ihre Forderung als unſinnig; nachdem ſie zwey Drittheile
der anfaͤnglich dargebotnen Buͤcherzahl verbrannt hatte,
und mit dem einzigen, oder mit den drey noch uͤbrigen
zum letztenmal zuruͤckkehrte, zahlte er den geforderten
Preis. Fuͤr die Mehrzahl der geretteten reden die zahlrei-
cheren Stimmen der Erzaͤhler, und der foͤrmliche Aus-
druck; es werde den Decemvirn befohlen die Sibylli-
niſchen Buͤcher zu befragen: an der einfachen glaubt Pli-
nius ſey kein Zweifel 77). Dieſe Orakel waren, wie er
ausdruͤcklich ſagt wahrſcheinlich aber nur vorausſetzt,
auf Papyrus geſchrieben; und damals (ſo jung waren
die Annalen der currenten Schreibkunſt) ſchien es auffal-
lend daß ſich das Original des Tarquinius uͤber vierhun-
dert Jahr erhalten hatte bis es im Brande des Capito-
liums verzehrt ward.


77) H. N. XIII. c. 27.
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[309/0331] von dem alten Koͤnig, was alle uͤbrige als dem letzten wi- derfahren melden. Sie weichen ebenfalls ab in Hinſicht der Zahl der Buͤcher welche eine fremde Frau dem Roͤmi- ſchen Koͤnige fuͤr einen Preis darbot welcher, wenn Lactan- tius Varros Angabe einigermaßen richtig in der Geldſorte ſeiner Zeit ausgedruͤckt hat, dem Maaß des Vermoͤgens der zweyten Klaſſe gleich kam. Die Unbekannte, erzaͤhlt er, habe dreyhundert Goldſtuͤcke gefordert: wahrſchein- lich alſo hatte Varro 30000 Seſtertien genannt, welche 75000 Pfunde ausmachen. Haͤtte er aber ſelbſt von Gold- ſtuͤcken geredet, und an alte griechiſche Statern gedacht, ſo wuͤrde die genannte Summe das Vermoͤgen der erſten Klaſſe uͤberſtiegen haben. Zweymal verwarf der Koͤnig ihre Forderung als unſinnig; nachdem ſie zwey Drittheile der anfaͤnglich dargebotnen Buͤcherzahl verbrannt hatte, und mit dem einzigen, oder mit den drey noch uͤbrigen zum letztenmal zuruͤckkehrte, zahlte er den geforderten Preis. Fuͤr die Mehrzahl der geretteten reden die zahlrei- cheren Stimmen der Erzaͤhler, und der foͤrmliche Aus- druck; es werde den Decemvirn befohlen die Sibylli- niſchen Buͤcher zu befragen: an der einfachen glaubt Pli- nius ſey kein Zweifel 77). Dieſe Orakel waren, wie er ausdruͤcklich ſagt wahrſcheinlich aber nur vorausſetzt, auf Papyrus geſchrieben; und damals (ſo jung waren die Annalen der currenten Schreibkunſt) ſchien es auffal- lend daß ſich das Original des Tarquinius uͤber vierhun- dert Jahr erhalten hatte bis es im Brande des Capito- liums verzehrt ward. 77) H. N. XIII. c. 27.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/331>, abgerufen am 22.11.2024.