Gegenstände der Römischen Gesetzgebung schreyend falsche Meinungen hervorbringt: Meinungen, bey denen die Stimme des Rechts Verdammniß über wahrhaft makel- lose Thaten und Unternehmungen aussprechen, oder ein ahndendes leidenschaftliches Gefühl für Größe und Hoheit den gefährlichsten Folgerungen und Unternehmungen das Wort reden muß.
Als die Griechen unter Roms Oberherrschaft gefallen waren, beschäftigte die Frage, ob Roms Größe eine Gabe des Glücks, oder frey, wie sie es nannten durch Tugend, erworben sey, ihre Schriftsteller, von denen die Meinung der Lesenden und der Gesellschaft des wehrlosen und müßigen Ostens bestimmt ward. Es war eine müßige Frage; nicht in dem Sinn aufgestellt wie Mithridates ihr wohl später nachgesonnen haben mag: ob jeder Wider- stand fruchtlos seyn würde? ob ein unwandelbares Schick- sal Rom die Weltherrschaft bestimmt habe? ob, fast eben so furchtbar wie dieses, eine unerreichbare Vortrefflichkeit des Nationalsinnes und der Einrichtungen Römischen Heeren den Sieg auf ewig zusichere? Es war nur die Be- schäftigung derjenigen, welche sich der Scham entledigen wollten über die schmähliche Art mit der sie in ihr Elend herabgesunken waren, indem sie Mangel an Kraft, Tu- gend und Verstand da als Nebensache ausgaben wo ein unwiderstehliches Schicksal geboten habe; wobey sie nach Sklavenart, wie Xanthias bey dem Komiker, den höch- sten Genuß darin fanden ihre Herren zu behorchen, zu be- klatschen und zu belügen 4). Polybius, dem es Ernst ge-
4)Aristoph, Ran. v. 750 ff.
Gegenſtaͤnde der Roͤmiſchen Geſetzgebung ſchreyend falſche Meinungen hervorbringt: Meinungen, bey denen die Stimme des Rechts Verdammniß uͤber wahrhaft makel- loſe Thaten und Unternehmungen ausſprechen, oder ein ahndendes leidenſchaftliches Gefuͤhl fuͤr Groͤße und Hoheit den gefaͤhrlichſten Folgerungen und Unternehmungen das Wort reden muß.
Als die Griechen unter Roms Oberherrſchaft gefallen waren, beſchaͤftigte die Frage, ob Roms Groͤße eine Gabe des Gluͤcks, oder frey, wie ſie es nannten durch Tugend, erworben ſey, ihre Schriftſteller, von denen die Meinung der Leſenden und der Geſellſchaft des wehrloſen und muͤßigen Oſtens beſtimmt ward. Es war eine muͤßige Frage; nicht in dem Sinn aufgeſtellt wie Mithridates ihr wohl ſpaͤter nachgeſonnen haben mag: ob jeder Wider- ſtand fruchtlos ſeyn wuͤrde? ob ein unwandelbares Schick- ſal Rom die Weltherrſchaft beſtimmt habe? ob, faſt eben ſo furchtbar wie dieſes, eine unerreichbare Vortrefflichkeit des Nationalſinnes und der Einrichtungen Roͤmiſchen Heeren den Sieg auf ewig zuſichere? Es war nur die Be- ſchaͤftigung derjenigen, welche ſich der Scham entledigen wollten uͤber die ſchmaͤhliche Art mit der ſie in ihr Elend herabgeſunken waren, indem ſie Mangel an Kraft, Tu- gend und Verſtand da als Nebenſache ausgaben wo ein unwiderſtehliches Schickſal geboten habe; wobey ſie nach Sklavenart, wie Xanthias bey dem Komiker, den hoͤch- ſten Genuß darin fanden ihre Herren zu behorchen, zu be- klatſchen und zu beluͤgen 4). Polybius, dem es Ernſt ge-
4)Aristoph, Ran. v. 750 ff.
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0032"n="10"/>
Gegenſtaͤnde der Roͤmiſchen Geſetzgebung ſchreyend falſche<lb/>
Meinungen hervorbringt: Meinungen, bey denen die<lb/>
Stimme des Rechts Verdammniß uͤber wahrhaft makel-<lb/>
loſe Thaten und Unternehmungen ausſprechen, oder ein<lb/>
ahndendes leidenſchaftliches Gefuͤhl fuͤr Groͤße und Hoheit<lb/>
den gefaͤhrlichſten Folgerungen und Unternehmungen das<lb/>
Wort reden muß.</p><lb/><p>Als die Griechen unter Roms Oberherrſchaft gefallen<lb/>
waren, beſchaͤftigte die Frage, ob Roms Groͤße eine Gabe<lb/>
des Gluͤcks, oder frey, wie ſie es nannten durch Tugend,<lb/>
erworben ſey, ihre Schriftſteller, von denen die Meinung<lb/>
der Leſenden und der Geſellſchaft des wehrloſen und<lb/>
muͤßigen Oſtens beſtimmt ward. Es war eine muͤßige<lb/>
Frage; nicht in dem Sinn aufgeſtellt wie Mithridates<lb/>
ihr wohl ſpaͤter nachgeſonnen haben mag: ob jeder Wider-<lb/>ſtand fruchtlos ſeyn wuͤrde? ob ein unwandelbares Schick-<lb/>ſal Rom die Weltherrſchaft beſtimmt habe? ob, faſt eben<lb/>ſo furchtbar wie dieſes, eine unerreichbare Vortrefflichkeit<lb/>
des Nationalſinnes und der Einrichtungen Roͤmiſchen<lb/>
Heeren den Sieg auf ewig zuſichere? Es war nur die Be-<lb/>ſchaͤftigung derjenigen, welche ſich der Scham entledigen<lb/>
wollten uͤber die ſchmaͤhliche Art mit der ſie in ihr Elend<lb/>
herabgeſunken waren, indem ſie Mangel an Kraft, Tu-<lb/>
gend und Verſtand da als Nebenſache ausgaben wo ein<lb/>
unwiderſtehliches Schickſal geboten habe; wobey ſie nach<lb/>
Sklavenart, wie Xanthias bey dem Komiker, den hoͤch-<lb/>ſten Genuß darin fanden ihre Herren zu behorchen, zu be-<lb/>
klatſchen und zu beluͤgen <noteplace="foot"n="4)"><hirendition="#aq">Aristoph, Ran. v. 750 ff.</hi></note>. Polybius, dem es Ernſt ge-<lb/></p></body></text></TEI>
[10/0032]
Gegenſtaͤnde der Roͤmiſchen Geſetzgebung ſchreyend falſche
Meinungen hervorbringt: Meinungen, bey denen die
Stimme des Rechts Verdammniß uͤber wahrhaft makel-
loſe Thaten und Unternehmungen ausſprechen, oder ein
ahndendes leidenſchaftliches Gefuͤhl fuͤr Groͤße und Hoheit
den gefaͤhrlichſten Folgerungen und Unternehmungen das
Wort reden muß.
Als die Griechen unter Roms Oberherrſchaft gefallen
waren, beſchaͤftigte die Frage, ob Roms Groͤße eine Gabe
des Gluͤcks, oder frey, wie ſie es nannten durch Tugend,
erworben ſey, ihre Schriftſteller, von denen die Meinung
der Leſenden und der Geſellſchaft des wehrloſen und
muͤßigen Oſtens beſtimmt ward. Es war eine muͤßige
Frage; nicht in dem Sinn aufgeſtellt wie Mithridates
ihr wohl ſpaͤter nachgeſonnen haben mag: ob jeder Wider-
ſtand fruchtlos ſeyn wuͤrde? ob ein unwandelbares Schick-
ſal Rom die Weltherrſchaft beſtimmt habe? ob, faſt eben
ſo furchtbar wie dieſes, eine unerreichbare Vortrefflichkeit
des Nationalſinnes und der Einrichtungen Roͤmiſchen
Heeren den Sieg auf ewig zuſichere? Es war nur die Be-
ſchaͤftigung derjenigen, welche ſich der Scham entledigen
wollten uͤber die ſchmaͤhliche Art mit der ſie in ihr Elend
herabgeſunken waren, indem ſie Mangel an Kraft, Tu-
gend und Verſtand da als Nebenſache ausgaben wo ein
unwiderſtehliches Schickſal geboten habe; wobey ſie nach
Sklavenart, wie Xanthias bey dem Komiker, den hoͤch-
ſten Genuß darin fanden ihre Herren zu behorchen, zu be-
klatſchen und zu beluͤgen 4). Polybius, dem es Ernſt ge-
4) Aristoph, Ran. v. 750 ff.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/32>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.