eigentlich die einzige welche der Phalangit, bis die Schlacht gewonnen oder verloren war, gebrauchen konnte, war sein Speer: dessen Länge, schon ehe Philipp die unge- heuern Sarissen einführte, zuließ daß auch das hinterste Glied, wenn der Phalanx acht Mann hoch aufgestellt war, diese Waffe mit Wirkung gebrauchen konnte, und dem Feind acht Speereisen bey jedem Mann des ersten Glieds entgegengestreckt waren. Daher erklärt sich die sonst un- begreifliche Eigenthümlichkeit der dem Servius Tullius zugeschriebenen Bewaffnung nach den Klassen: daß die welche in den hintern Reihen aufgestellt wurden, immer weniger Schutzwaffen hatten: die der vierten Klasse gar keine. Sie bedurften ihrer nicht: die vordern Glieder deckten sie mit ihren Leibern und Waffen. Deswegen halte ich sogar die Angabe des Dionysius daß sie Schilder führten, für weniger richtig als Livius Stillschweigen. Bey diesem System war eine wahre Analogie zwischen der Taktik und der Constitution: diejenigen Klassen welche sich vollkommner zu rüsten Vermögen besaßen, hatten ein wah- res und unbestreitbares Recht auf größere politische Wich- tigkeit, denn sie mußten, weil nur sie in die ersten Linien gestellt werden konnten, den Sturm des Gefechts beste- hen. Die Ritter gleichfalls erkauften ihren Vorrang durch die weit größere Gefahr der sie ausgesetzt waren: denn sie hatten eine sehr mangelhafte Rüstung, waren
lanx, und wohl nicht bloß weil er ein griechisches Wort für Legion sucht: denn er gedenkt, bey einem etruskischen Heer, der Gewalt womit der Phalanx bergab den Feind hinunterdrängt.
eigentlich die einzige welche der Phalangit, bis die Schlacht gewonnen oder verloren war, gebrauchen konnte, war ſein Speer: deſſen Laͤnge, ſchon ehe Philipp die unge- heuern Sariſſen einfuͤhrte, zuließ daß auch das hinterſte Glied, wenn der Phalanx acht Mann hoch aufgeſtellt war, dieſe Waffe mit Wirkung gebrauchen konnte, und dem Feind acht Speereiſen bey jedem Mann des erſten Glieds entgegengeſtreckt waren. Daher erklaͤrt ſich die ſonſt un- begreifliche Eigenthuͤmlichkeit der dem Servius Tullius zugeſchriebenen Bewaffnung nach den Klaſſen: daß die welche in den hintern Reihen aufgeſtellt wurden, immer weniger Schutzwaffen hatten: die der vierten Klaſſe gar keine. Sie bedurften ihrer nicht: die vordern Glieder deckten ſie mit ihren Leibern und Waffen. Deswegen halte ich ſogar die Angabe des Dionyſius daß ſie Schilder fuͤhrten, fuͤr weniger richtig als Livius Stillſchweigen. Bey dieſem Syſtem war eine wahre Analogie zwiſchen der Taktik und der Conſtitution: diejenigen Klaſſen welche ſich vollkommner zu ruͤſten Vermoͤgen beſaßen, hatten ein wah- res und unbeſtreitbares Recht auf groͤßere politiſche Wich- tigkeit, denn ſie mußten, weil nur ſie in die erſten Linien geſtellt werden konnten, den Sturm des Gefechts beſte- hen. Die Ritter gleichfalls erkauften ihren Vorrang durch die weit groͤßere Gefahr der ſie ausgeſetzt waren: denn ſie hatten eine ſehr mangelhafte Ruͤſtung, waren
lanx, und wohl nicht bloß weil er ein griechiſches Wort fuͤr Legion ſucht: denn er gedenkt, bey einem etruskiſchen Heer, der Gewalt womit der Phalanx bergab den Feind hinunterdraͤngt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0301"n="279"/>
eigentlich die einzige welche der Phalangit, bis die<lb/>
Schlacht gewonnen oder verloren war, gebrauchen konnte,<lb/>
war ſein Speer: deſſen Laͤnge, ſchon ehe Philipp die unge-<lb/>
heuern Sariſſen einfuͤhrte, zuließ daß auch das hinterſte<lb/>
Glied, wenn der Phalanx acht Mann hoch aufgeſtellt war,<lb/>
dieſe Waffe mit Wirkung gebrauchen konnte, und dem<lb/>
Feind acht Speereiſen bey jedem Mann des erſten Glieds<lb/>
entgegengeſtreckt waren. Daher erklaͤrt ſich die ſonſt un-<lb/>
begreifliche Eigenthuͤmlichkeit der dem Servius Tullius<lb/>
zugeſchriebenen Bewaffnung nach den Klaſſen: daß die<lb/>
welche in den hintern Reihen aufgeſtellt wurden, immer<lb/>
weniger Schutzwaffen hatten: die der vierten Klaſſe gar<lb/>
keine. Sie bedurften ihrer nicht: die vordern Glieder<lb/>
deckten ſie mit ihren Leibern und Waffen. Deswegen<lb/>
halte ich ſogar die Angabe des Dionyſius daß ſie Schilder<lb/>
fuͤhrten, fuͤr weniger richtig als Livius Stillſchweigen.<lb/>
Bey dieſem Syſtem war eine wahre Analogie zwiſchen der<lb/>
Taktik und der Conſtitution: diejenigen Klaſſen welche ſich<lb/>
vollkommner zu ruͤſten Vermoͤgen beſaßen, hatten ein wah-<lb/>
res und unbeſtreitbares Recht auf groͤßere politiſche Wich-<lb/>
tigkeit, denn ſie mußten, weil nur ſie in die erſten Linien<lb/>
geſtellt werden konnten, den Sturm des Gefechts beſte-<lb/>
hen. Die Ritter gleichfalls erkauften ihren Vorrang<lb/>
durch die weit groͤßere Gefahr der ſie ausgeſetzt waren:<lb/>
denn ſie hatten eine ſehr mangelhafte Ruͤſtung, waren<lb/><notexml:id="note-0301"prev="#note-0300"place="foot"n="52)">lanx, und wohl nicht bloß weil er ein griechiſches Wort<lb/>
fuͤr Legion ſucht: denn er gedenkt, bey einem etruskiſchen<lb/>
Heer, der Gewalt womit der Phalanx bergab den Feind<lb/>
hinunterdraͤngt.</note><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[279/0301]
eigentlich die einzige welche der Phalangit, bis die
Schlacht gewonnen oder verloren war, gebrauchen konnte,
war ſein Speer: deſſen Laͤnge, ſchon ehe Philipp die unge-
heuern Sariſſen einfuͤhrte, zuließ daß auch das hinterſte
Glied, wenn der Phalanx acht Mann hoch aufgeſtellt war,
dieſe Waffe mit Wirkung gebrauchen konnte, und dem
Feind acht Speereiſen bey jedem Mann des erſten Glieds
entgegengeſtreckt waren. Daher erklaͤrt ſich die ſonſt un-
begreifliche Eigenthuͤmlichkeit der dem Servius Tullius
zugeſchriebenen Bewaffnung nach den Klaſſen: daß die
welche in den hintern Reihen aufgeſtellt wurden, immer
weniger Schutzwaffen hatten: die der vierten Klaſſe gar
keine. Sie bedurften ihrer nicht: die vordern Glieder
deckten ſie mit ihren Leibern und Waffen. Deswegen
halte ich ſogar die Angabe des Dionyſius daß ſie Schilder
fuͤhrten, fuͤr weniger richtig als Livius Stillſchweigen.
Bey dieſem Syſtem war eine wahre Analogie zwiſchen der
Taktik und der Conſtitution: diejenigen Klaſſen welche ſich
vollkommner zu ruͤſten Vermoͤgen beſaßen, hatten ein wah-
res und unbeſtreitbares Recht auf groͤßere politiſche Wich-
tigkeit, denn ſie mußten, weil nur ſie in die erſten Linien
geſtellt werden konnten, den Sturm des Gefechts beſte-
hen. Die Ritter gleichfalls erkauften ihren Vorrang
durch die weit groͤßere Gefahr der ſie ausgeſetzt waren:
denn ſie hatten eine ſehr mangelhafte Ruͤſtung, waren
52)
52) lanx, und wohl nicht bloß weil er ein griechiſches Wort
fuͤr Legion ſucht: denn er gedenkt, bey einem etruskiſchen
Heer, der Gewalt womit der Phalanx bergab den Feind
hinunterdraͤngt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/301>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.