in einer Gens konnten plebejische Familien seyn, aber die Patricier waren ihr Mittelpunkt und bildeten, nur sie hatten sie. Municipalgeschlechter, welche in ihrer Hei- math adlich waren, hatten auch in Rom die äußere Form einer Gens, das geistliche Recht ihrer Vaterstadt ver- pflichtete sie; aber sie waren als Römer nur Plebejer und ohne Gentilrechte.
Eine auffallende Hauptbestimmung, wenn sie in einer Definition ausgelassen ist welche nach Vollständigkeit strebt, muß als ausgeschlossen angesehen werden. Cicero erwähnt schlechterdings nicht gemeinschaftliche Abstam- mung der Gentilen in der Definition welche er durch wie- derholte Hinzufügungen sich ergänzt, sondern nur gemein- schaftlichen Nahmen, Abstammung von Freyen, ohne ir- gend eine Makel des Skladenstands unter den Vorfahren, und ohne Verminderung des bürgerlichen und Familien- rechts 99). Hier sind auch die freygelassenen Clienten, welche den Geschlechtsnahmen ihrer Patronen tragen, aus- drücklich ausgeschlossen: nicht die Freygebohrnen fremdes Ursprungs: vielmehr sind diese eben durch die Ausschlie- ßung jener anerkannt. Die Cornelier hatten als Gens ge- meinschaftliche Religionsgebräuche, darum aber kann man keine uralte Familienverwandtschaft der Scipionen und der Sulla annehmen. Die Familie der Scaurer hatte bis in das siebente Jahrhundert keine Nobilität, ob- gleich sie ächtpatricisch war. Die plebejischen Häuser, wie das Licinische, sind nicht mehr verzweigt als Familien der neueren Geschichte: dreyhundert Fabier aber wären
99)Topio. c. 6.
in einer Gens konnten plebejiſche Familien ſeyn, aber die Patricier waren ihr Mittelpunkt und bildeten, nur ſie hatten ſie. Municipalgeſchlechter, welche in ihrer Hei- math adlich waren, hatten auch in Rom die aͤußere Form einer Gens, das geiſtliche Recht ihrer Vaterſtadt ver- pflichtete ſie; aber ſie waren als Roͤmer nur Plebejer und ohne Gentilrechte.
Eine auffallende Hauptbeſtimmung, wenn ſie in einer Definition ausgelaſſen iſt welche nach Vollſtaͤndigkeit ſtrebt, muß als ausgeſchloſſen angeſehen werden. Cicero erwaͤhnt ſchlechterdings nicht gemeinſchaftliche Abſtam- mung der Gentilen in der Definition welche er durch wie- derholte Hinzufuͤgungen ſich ergaͤnzt, ſondern nur gemein- ſchaftlichen Nahmen, Abſtammung von Freyen, ohne ir- gend eine Makel des Skladenſtands unter den Vorfahren, und ohne Verminderung des buͤrgerlichen und Familien- rechts 99). Hier ſind auch die freygelaſſenen Clienten, welche den Geſchlechtsnahmen ihrer Patronen tragen, aus- druͤcklich ausgeſchloſſen: nicht die Freygebohrnen fremdes Urſprungs: vielmehr ſind dieſe eben durch die Ausſchlie- ßung jener anerkannt. Die Cornelier hatten als Gens ge- meinſchaftliche Religionsgebraͤuche, darum aber kann man keine uralte Familienverwandtſchaft der Scipionen und der Sulla annehmen. Die Familie der Scaurer hatte bis in das ſiebente Jahrhundert keine Nobilitaͤt, ob- gleich ſie aͤchtpatriciſch war. Die plebejiſchen Haͤuſer, wie das Liciniſche, ſind nicht mehr verzweigt als Familien der neueren Geſchichte: dreyhundert Fabier aber waͤren
99)Topio. c. 6.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0254"n="232"/>
in einer Gens konnten plebejiſche Familien ſeyn, aber die<lb/>
Patricier waren ihr Mittelpunkt und bildeten, nur ſie<lb/><hirendition="#g">hatten</hi>ſie. Municipalgeſchlechter, welche in ihrer Hei-<lb/>
math adlich waren, hatten auch in Rom die aͤußere Form<lb/>
einer Gens, das geiſtliche Recht ihrer Vaterſtadt ver-<lb/>
pflichtete ſie; aber ſie waren als Roͤmer nur Plebejer und<lb/>
ohne Gentilrechte.</p><lb/><p>Eine auffallende Hauptbeſtimmung, wenn ſie in einer<lb/>
Definition ausgelaſſen iſt welche nach Vollſtaͤndigkeit<lb/>ſtrebt, muß als ausgeſchloſſen angeſehen werden. Cicero<lb/>
erwaͤhnt ſchlechterdings nicht gemeinſchaftliche Abſtam-<lb/>
mung der Gentilen in der Definition welche er durch wie-<lb/>
derholte Hinzufuͤgungen ſich ergaͤnzt, ſondern nur gemein-<lb/>ſchaftlichen Nahmen, Abſtammung von Freyen, ohne ir-<lb/>
gend eine Makel des Skladenſtands unter den Vorfahren,<lb/>
und ohne Verminderung des buͤrgerlichen und Familien-<lb/>
rechts <noteplace="foot"n="99)"><hirendition="#aq">Topio. c. 6.</hi></note>. Hier ſind auch die freygelaſſenen Clienten,<lb/>
welche den Geſchlechtsnahmen ihrer Patronen tragen, aus-<lb/>
druͤcklich ausgeſchloſſen: nicht die Freygebohrnen fremdes<lb/>
Urſprungs: vielmehr ſind dieſe eben durch die Ausſchlie-<lb/>
ßung jener anerkannt. Die Cornelier hatten als Gens ge-<lb/>
meinſchaftliche Religionsgebraͤuche, darum aber kann<lb/>
man keine uralte Familienverwandtſchaft der Scipionen<lb/>
und der Sulla annehmen. Die Familie der Scaurer<lb/>
hatte bis in das ſiebente Jahrhundert keine Nobilitaͤt, ob-<lb/>
gleich ſie aͤchtpatriciſch war. Die plebejiſchen Haͤuſer,<lb/>
wie das Liciniſche, ſind nicht mehr verzweigt als Familien<lb/>
der neueren Geſchichte: dreyhundert Fabier aber waͤren<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[232/0254]
in einer Gens konnten plebejiſche Familien ſeyn, aber die
Patricier waren ihr Mittelpunkt und bildeten, nur ſie
hatten ſie. Municipalgeſchlechter, welche in ihrer Hei-
math adlich waren, hatten auch in Rom die aͤußere Form
einer Gens, das geiſtliche Recht ihrer Vaterſtadt ver-
pflichtete ſie; aber ſie waren als Roͤmer nur Plebejer und
ohne Gentilrechte.
Eine auffallende Hauptbeſtimmung, wenn ſie in einer
Definition ausgelaſſen iſt welche nach Vollſtaͤndigkeit
ſtrebt, muß als ausgeſchloſſen angeſehen werden. Cicero
erwaͤhnt ſchlechterdings nicht gemeinſchaftliche Abſtam-
mung der Gentilen in der Definition welche er durch wie-
derholte Hinzufuͤgungen ſich ergaͤnzt, ſondern nur gemein-
ſchaftlichen Nahmen, Abſtammung von Freyen, ohne ir-
gend eine Makel des Skladenſtands unter den Vorfahren,
und ohne Verminderung des buͤrgerlichen und Familien-
rechts 99). Hier ſind auch die freygelaſſenen Clienten,
welche den Geſchlechtsnahmen ihrer Patronen tragen, aus-
druͤcklich ausgeſchloſſen: nicht die Freygebohrnen fremdes
Urſprungs: vielmehr ſind dieſe eben durch die Ausſchlie-
ßung jener anerkannt. Die Cornelier hatten als Gens ge-
meinſchaftliche Religionsgebraͤuche, darum aber kann
man keine uralte Familienverwandtſchaft der Scipionen
und der Sulla annehmen. Die Familie der Scaurer
hatte bis in das ſiebente Jahrhundert keine Nobilitaͤt, ob-
gleich ſie aͤchtpatriciſch war. Die plebejiſchen Haͤuſer,
wie das Liciniſche, ſind nicht mehr verzweigt als Familien
der neueren Geſchichte: dreyhundert Fabier aber waͤren
99) Topio. c. 6.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/254>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.