gerecht, als er den Leib des Schuldigen durch bespannte Wagen zerreissen ließ. Alba aber ward überrascht: die Einwohner nach Rom geführt und der Cölische Berg ihnen zur Wohnung angewiesen: die Stadt völlig zerstört.
Nach dem Völkerrecht Italiens, welches in diesem Fall einer gänzlichen Zerstörung auch Naturrecht gewesen seyn würde, müßte das Eigenthum der Albanischen Feld- mark an Rom übergegangen seyn. Das aber erscheint mehr als zweifelhaft, vielmehr nicht Rom, sondern die La- tiner müssen in ihrem Besitz gewesen seyn, weil sie hier, am Quell der Ferentina, nahe an der Stätte wo Alba einst stand, ihre Landsgemeinden hielten 66). Ein sehr auffal- lender Umstand, welcher, nicht weniger als daß Alba ganz allein und ohne Hülfe von den dreyßig latinischen Städten den Krieg gegen Rom führt, die Vermuthung erregt daß eine ganz andre historische Wahrheit im Grund der Erzäh- lung liegt: daß Alba von den Latinern und nicht von Rom zerstört ist, und die Albaner welche sich nach Rom wand- ten dort als Flüchtlinge Aufnahme gefunden haben.
Damals waren die Sabiner, von denen sogar die Samniter vielleicht noch nicht abgesondert waren, das mächtigste Volk in ganz Italien nach den Etruskern. Tul- lus bekriegte sie mit Glück, bis der Zorn der Götter über die Versäumniß ihres Dienstes und den Untergang der Fröm- migkeit die Numa gelehrt hatte, durch Steinregen, Pest und Seuchen kund ward. Des Königs Gewissen erwachte, und trieb ihn peinigend in ängstlichen Aberglauben. Da
66) Livius I. c. 50. VII. c. 25. Dionysius (III. c. 34.) ver- wechselt diesen Ort mit Ferentinum der Herniker.
gerecht, als er den Leib des Schuldigen durch beſpannte Wagen zerreiſſen ließ. Alba aber ward uͤberraſcht: die Einwohner nach Rom gefuͤhrt und der Coͤliſche Berg ihnen zur Wohnung angewieſen: die Stadt voͤllig zerſtoͤrt.
Nach dem Voͤlkerrecht Italiens, welches in dieſem Fall einer gaͤnzlichen Zerſtoͤrung auch Naturrecht geweſen ſeyn wuͤrde, muͤßte das Eigenthum der Albaniſchen Feld- mark an Rom uͤbergegangen ſeyn. Das aber erſcheint mehr als zweifelhaft, vielmehr nicht Rom, ſondern die La- tiner muͤſſen in ihrem Beſitz geweſen ſeyn, weil ſie hier, am Quell der Ferentina, nahe an der Staͤtte wo Alba einſt ſtand, ihre Landsgemeinden hielten 66). Ein ſehr auffal- lender Umſtand, welcher, nicht weniger als daß Alba ganz allein und ohne Huͤlfe von den dreyßig latiniſchen Staͤdten den Krieg gegen Rom fuͤhrt, die Vermuthung erregt daß eine ganz andre hiſtoriſche Wahrheit im Grund der Erzaͤh- lung liegt: daß Alba von den Latinern und nicht von Rom zerſtoͤrt iſt, und die Albaner welche ſich nach Rom wand- ten dort als Fluͤchtlinge Aufnahme gefunden haben.
Damals waren die Sabiner, von denen ſogar die Samniter vielleicht noch nicht abgeſondert waren, das maͤchtigſte Volk in ganz Italien nach den Etruskern. Tul- lus bekriegte ſie mit Gluͤck, bis der Zorn der Goͤtter uͤber die Verſaͤumniß ihres Dienſtes und den Untergang der Froͤm- migkeit die Numa gelehrt hatte, durch Steinregen, Peſt und Seuchen kund ward. Des Koͤnigs Gewiſſen erwachte, und trieb ihn peinigend in aͤngſtlichen Aberglauben. Da
66) Livius I. c. 50. VII. c. 25. Dionyſius (III. c. 34.) ver- wechſelt dieſen Ort mit Ferentinum der Herniker.
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gerecht, als er den Leib des Schuldigen durch beſpannte
Wagen zerreiſſen ließ. Alba aber ward uͤberraſcht: die
Einwohner nach Rom gefuͤhrt und der Coͤliſche Berg ihnen
zur Wohnung angewieſen: die Stadt voͤllig zerſtoͤrt.
Nach dem Voͤlkerrecht Italiens, welches in dieſem
Fall einer gaͤnzlichen Zerſtoͤrung auch Naturrecht geweſen
ſeyn wuͤrde, muͤßte das Eigenthum der Albaniſchen Feld-
mark an Rom uͤbergegangen ſeyn. Das aber erſcheint
mehr als zweifelhaft, vielmehr nicht Rom, ſondern die La-
tiner muͤſſen in ihrem Beſitz geweſen ſeyn, weil ſie hier, am
Quell der Ferentina, nahe an der Staͤtte wo Alba einſt
ſtand, ihre Landsgemeinden hielten 66). Ein ſehr auffal-
lender Umſtand, welcher, nicht weniger als daß Alba ganz
allein und ohne Huͤlfe von den dreyßig latiniſchen Staͤdten
den Krieg gegen Rom fuͤhrt, die Vermuthung erregt daß
eine ganz andre hiſtoriſche Wahrheit im Grund der Erzaͤh-
lung liegt: daß Alba von den Latinern und nicht von Rom
zerſtoͤrt iſt, und die Albaner welche ſich nach Rom wand-
ten dort als Fluͤchtlinge Aufnahme gefunden haben.
Damals waren die Sabiner, von denen ſogar die
Samniter vielleicht noch nicht abgeſondert waren, das
maͤchtigſte Volk in ganz Italien nach den Etruskern. Tul-
lus bekriegte ſie mit Gluͤck, bis der Zorn der Goͤtter uͤber die
Verſaͤumniß ihres Dienſtes und den Untergang der Froͤm-
migkeit die Numa gelehrt hatte, durch Steinregen, Peſt
und Seuchen kund ward. Des Koͤnigs Gewiſſen erwachte,
und trieb ihn peinigend in aͤngſtlichen Aberglauben. Da
66) Livius I. c. 50. VII. c. 25. Dionyſius (III. c. 34.) ver-
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/232>, abgerufen am 23.11.2024.
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