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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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übertragen. Es wird erzählt App. Claudius der Blinde
habe als Censor die Potitier beredet Staatsknechte in den
Cäremonien dieses Dienstes zu unterweisen, der mit grie-
chischen Riten, seit des Vergötterten Erscheinung an der
Tiber, auf dem Hauptaltar gefeyert worden sey: es ist
aber viel wahrscheinlicher daß, nach einem Ausspruch der
Sibyllinischen Bücher, erst damals dieser griechische Dienst
zu Rom begann, wie bald nachher der des Asklepios: da-
hin gehört die Einweihung einer colossalen Statue des Got-
tes im Jahr 449, gerade unter der Censur des Appius.

Verbunden mit der Herakleischen Fabel ist die von
der Niederlassung Euanders und seiner Arkadier am Ti-
ber; auf dem Hügel, wo einst der ewigen Stadt Grund
gelegt werden sollte. Denn Euander vermählte dem Heros
seine Tochter Launa, welche ihm Pallas gebahr 50). Auch
für diese Fabel wird kein altgriechischer Dichter angeführt:
daß sie aber rein latinisch gewesen wäre, ist schon darum
sehr unwahrscheinlich, weil sie allerdings auf arkadische
Genealogieen bezogen ist, die zu Rom vor dem gelehrten
augusteischen Zeitalter den Dichtern gewiß ganz unbekannt
waren; und ebenfalls, daß während die Mutter Euanders
römisch Carmentis genannt wird, er selbst in der alten
Dichtung einen griechischen Nahmen geführt hätte. Euan-
der scheint nur eine andere Gestalt des Latinus zu seyn:
hier Sohn der weissagenden Carmentis, wie dort des weis-
sagenden Faunus: seine Tochter Lavinia hier dem Hera-
kles, dort dem Aeneas; beyden fremden Heroen, ver-
mählend. So mannigfaltig spielt die Fabel, daß bald

50) Polybius bey Dienysius I. c. 32.

uͤbertragen. Es wird erzaͤhlt App. Claudius der Blinde
habe als Cenſor die Potitier beredet Staatsknechte in den
Caͤremonien dieſes Dienſtes zu unterweiſen, der mit grie-
chiſchen Riten, ſeit des Vergoͤtterten Erſcheinung an der
Tiber, auf dem Hauptaltar gefeyert worden ſey: es iſt
aber viel wahrſcheinlicher daß, nach einem Ausſpruch der
Sibylliniſchen Buͤcher, erſt damals dieſer griechiſche Dienſt
zu Rom begann, wie bald nachher der des Aſklepios: da-
hin gehoͤrt die Einweihung einer coloſſalen Statue des Got-
tes im Jahr 449, gerade unter der Cenſur des Appius.

Verbunden mit der Herakleiſchen Fabel iſt die von
der Niederlaſſung Euanders und ſeiner Arkadier am Ti-
ber; auf dem Huͤgel, wo einſt der ewigen Stadt Grund
gelegt werden ſollte. Denn Euander vermaͤhlte dem Heros
ſeine Tochter Launa, welche ihm Pallas gebahr 50). Auch
fuͤr dieſe Fabel wird kein altgriechiſcher Dichter angefuͤhrt:
daß ſie aber rein latiniſch geweſen waͤre, iſt ſchon darum
ſehr unwahrſcheinlich, weil ſie allerdings auf arkadiſche
Genealogieen bezogen iſt, die zu Rom vor dem gelehrten
auguſteiſchen Zeitalter den Dichtern gewiß ganz unbekannt
waren; und ebenfalls, daß waͤhrend die Mutter Euanders
roͤmiſch Carmentis genannt wird, er ſelbſt in der alten
Dichtung einen griechiſchen Nahmen gefuͤhrt haͤtte. Euan-
der ſcheint nur eine andere Geſtalt des Latinus zu ſeyn:
hier Sohn der weiſſagenden Carmentis, wie dort des weiſ-
ſagenden Faunus: ſeine Tochter Lavinia hier dem Hera-
kles, dort dem Aeneas; beyden fremden Heroen, ver-
maͤhlend. So mannigfaltig ſpielt die Fabel, daß bald

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[124/0146] uͤbertragen. Es wird erzaͤhlt App. Claudius der Blinde habe als Cenſor die Potitier beredet Staatsknechte in den Caͤremonien dieſes Dienſtes zu unterweiſen, der mit grie- chiſchen Riten, ſeit des Vergoͤtterten Erſcheinung an der Tiber, auf dem Hauptaltar gefeyert worden ſey: es iſt aber viel wahrſcheinlicher daß, nach einem Ausſpruch der Sibylliniſchen Buͤcher, erſt damals dieſer griechiſche Dienſt zu Rom begann, wie bald nachher der des Aſklepios: da- hin gehoͤrt die Einweihung einer coloſſalen Statue des Got- tes im Jahr 449, gerade unter der Cenſur des Appius. Verbunden mit der Herakleiſchen Fabel iſt die von der Niederlaſſung Euanders und ſeiner Arkadier am Ti- ber; auf dem Huͤgel, wo einſt der ewigen Stadt Grund gelegt werden ſollte. Denn Euander vermaͤhlte dem Heros ſeine Tochter Launa, welche ihm Pallas gebahr 50). Auch fuͤr dieſe Fabel wird kein altgriechiſcher Dichter angefuͤhrt: daß ſie aber rein latiniſch geweſen waͤre, iſt ſchon darum ſehr unwahrſcheinlich, weil ſie allerdings auf arkadiſche Genealogieen bezogen iſt, die zu Rom vor dem gelehrten auguſteiſchen Zeitalter den Dichtern gewiß ganz unbekannt waren; und ebenfalls, daß waͤhrend die Mutter Euanders roͤmiſch Carmentis genannt wird, er ſelbſt in der alten Dichtung einen griechiſchen Nahmen gefuͤhrt haͤtte. Euan- der ſcheint nur eine andere Geſtalt des Latinus zu ſeyn: hier Sohn der weiſſagenden Carmentis, wie dort des weiſ- ſagenden Faunus: ſeine Tochter Lavinia hier dem Hera- kles, dort dem Aeneas; beyden fremden Heroen, ver- maͤhlend. So mannigfaltig ſpielt die Fabel, daß bald 50) Polybius bey Dienyſius I. c. 32.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/146>, abgerufen am 22.11.2024.