Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.Sebaldus fand ihn in einem prächtig aufgeputzten Dieser Bube, der mit kalter Fühllosigkeit jeden lüstete,
Sebaldus fand ihn in einem praͤchtig aufgeputzten Dieſer Bube, der mit kalter Fuͤhlloſigkeit jeden luͤſtete,
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Sebaldus fand ihn in einem praͤchtig aufgeputzten
und mit Huyſums und Mignons Meiſterſtuͤcken
ausgeziertem Seitenzimmer ſitzen, das von dem
Elende, womit im Keller Menſchen gequaͤlt wur-
den, ſo wenig Spur zeigte, als das Angeſicht des
hartherzigen Beſitzers. Dieſer nahm mit zufriedner
Geberde ſein Fruͤhſtuͤck zu ſich, und vor ihm lagen
Erbauungsbuͤcher, aus denen er eben ſeine Morgen-
andacht hergeleſen hatte. Denn Buͤcher dieſer Art,
ſind dem Schurken und dem ſchwachen ehrlichen Man-
ne gleich behaglich. Dieſer zieht Troſt im Ungluͤcke,
und Beveſtigung frommer Entſchließungen aus ih-
nen, jener aber, der taͤgliche Gottloſigkeit unſtraf-
bar gemacht zu haben glaubt, wenn er ſie Morgens
und Abends in vorgeſchriebenen Gebeten bereuet, der
den Mangel innrer Rechtſchaffenheit durch aͤuſſere Re-
ligion erſetzen will, ſucht die Unruhe ſeines Gewiſ-
ſens, in der Ruhe einer ſelbſtgefaͤlligen Andacht zu
erſticken.
Dieſer Bube, der mit kalter Fuͤhlloſigkeit jeden
Menſchen im Elende konnte ſchmachten ſehen, ließ
es dabey an keiner aͤuſſerlichen Religionsuͤbung man-
geln. Er war in der gangbaren Landestheo-
logie ſehr bewandert, und fand ſogar durch dieſelbe
eine Hinterthuͤr, alles Boͤſe, was ihn zu thun ge-
luͤſtete,
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