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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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einigemal persönlich gesehen, und unterhalten
einen freundschaftlichen Briefwechsel.

Doktor Stauzius war um diese Zeit, nach dem
Tode des Präsidenten, wegen einiger allzuschar-
fen Gesetzpredigten, in die Ungnade des Fürsten
gefallen. Man hatte ihm daher, ohne sein Ver-
langen, einen Adjunkt gesetzt, einen schönen Geist,
welcher, nach neuester Art, in morgenländischen
Bildern, und in abgebrochenen Kraftphrasen, bloß
für das Gefühl predigte. Dieser neue Vicegene-
ralsuperintendent bediente sich auch in seinen Pre-
digten vieler Prosopopöien, Fragen und Ausrufun-
gen, aber alles in einer so melodiereichen Aus-
sprache, daß der Fürft, welcher zuweilen schnell
aufgefahren war, wenn Stauzius die Ewigkeit
der höllischen Strafen herausbrüllte, nun bey höch-
stem Wohlseyn, in seiner Loge auf seinem Pol-
sterstuhle, unter der Predigt sanft ruhen konnte.
Der Neuling kam daher in so große Gnade, daß
Stauzius, als er sich über einige von dessen An-
ordnungen beschweren wollte, aus Höchsteigener

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einigemal perſoͤnlich geſehen, und unterhalten
einen freundſchaftlichen Briefwechſel.

Doktor Stauzius war um dieſe Zeit, nach dem
Tode des Praͤſidenten, wegen einiger allzuſchar-
fen Geſetzpredigten, in die Ungnade des Fuͤrſten
gefallen. Man hatte ihm daher, ohne ſein Ver-
langen, einen Adjunkt geſetzt, einen ſchoͤnen Geiſt,
welcher, nach neueſter Art, in morgenlaͤndiſchen
Bildern, und in abgebrochenen Kraftphraſen, bloß
fuͤr das Gefuͤhl predigte. Dieſer neue Vicegene-
ralſuperintendent bediente ſich auch in ſeinen Pre-
digten vieler Proſopopoͤien, Fragen und Ausrufun-
gen, aber alles in einer ſo melodiereichen Aus-
ſprache, daß der Fuͤrft, welcher zuweilen ſchnell
aufgefahren war, wenn Stauzius die Ewigkeit
der hoͤlliſchen Strafen herausbruͤllte, nun bey hoͤch-
ſtem Wohlſeyn, in ſeiner Loge auf ſeinem Pol-
ſterſtuhle, unter der Predigt ſanft ruhen konnte.
Der Neuling kam daher in ſo große Gnade, daß
Stauzius, als er ſich uͤber einige von deſſen An-
ordnungen beſchweren wollte, aus Hoͤchſteigener

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[163[162]/0177] einigemal perſoͤnlich geſehen, und unterhalten einen freundſchaftlichen Briefwechſel. Doktor Stauzius war um dieſe Zeit, nach dem Tode des Praͤſidenten, wegen einiger allzuſchar- fen Geſetzpredigten, in die Ungnade des Fuͤrſten gefallen. Man hatte ihm daher, ohne ſein Ver- langen, einen Adjunkt geſetzt, einen ſchoͤnen Geiſt, welcher, nach neueſter Art, in morgenlaͤndiſchen Bildern, und in abgebrochenen Kraftphraſen, bloß fuͤr das Gefuͤhl predigte. Dieſer neue Vicegene- ralſuperintendent bediente ſich auch in ſeinen Pre- digten vieler Proſopopoͤien, Fragen und Ausrufun- gen, aber alles in einer ſo melodiereichen Aus- ſprache, daß der Fuͤrft, welcher zuweilen ſchnell aufgefahren war, wenn Stauzius die Ewigkeit der hoͤlliſchen Strafen herausbruͤllte, nun bey hoͤch- ſtem Wohlſeyn, in ſeiner Loge auf ſeinem Pol- ſterſtuhle, unter der Predigt ſanft ruhen konnte. Der Neuling kam daher in ſo große Gnade, daß Stauzius, als er ſich uͤber einige von deſſen An- ordnungen beſchweren wollte, aus Hoͤchſteigener Bewe- L 3

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 163[162]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/177>, abgerufen am 02.05.2024.