einigemal persönlich gesehen, und unterhalten einen freundschaftlichen Briefwechsel.
Doktor Stauzius war um diese Zeit, nach dem Tode des Präsidenten, wegen einiger allzuschar- fen Gesetzpredigten, in die Ungnade des Fürsten gefallen. Man hatte ihm daher, ohne sein Ver- langen, einen Adjunkt gesetzt, einen schönen Geist, welcher, nach neuester Art, in morgenländischen Bildern, und in abgebrochenen Kraftphrasen, bloß für das Gefühl predigte. Dieser neue Vicegene- ralsuperintendent bediente sich auch in seinen Pre- digten vieler Prosopopöien, Fragen und Ausrufun- gen, aber alles in einer so melodiereichen Aus- sprache, daß der Fürft, welcher zuweilen schnell aufgefahren war, wenn Stauzius die Ewigkeit der höllischen Strafen herausbrüllte, nun bey höch- stem Wohlseyn, in seiner Loge auf seinem Pol- sterstuhle, unter der Predigt sanft ruhen konnte. Der Neuling kam daher in so große Gnade, daß Stauzius, als er sich über einige von dessen An- ordnungen beschweren wollte, aus Höchsteigener
Bewe-
L 3
einigemal perſoͤnlich geſehen, und unterhalten einen freundſchaftlichen Briefwechſel.
Doktor Stauzius war um dieſe Zeit, nach dem Tode des Praͤſidenten, wegen einiger allzuſchar- fen Geſetzpredigten, in die Ungnade des Fuͤrſten gefallen. Man hatte ihm daher, ohne ſein Ver- langen, einen Adjunkt geſetzt, einen ſchoͤnen Geiſt, welcher, nach neueſter Art, in morgenlaͤndiſchen Bildern, und in abgebrochenen Kraftphraſen, bloß fuͤr das Gefuͤhl predigte. Dieſer neue Vicegene- ralſuperintendent bediente ſich auch in ſeinen Pre- digten vieler Proſopopoͤien, Fragen und Ausrufun- gen, aber alles in einer ſo melodiereichen Aus- ſprache, daß der Fuͤrft, welcher zuweilen ſchnell aufgefahren war, wenn Stauzius die Ewigkeit der hoͤlliſchen Strafen herausbruͤllte, nun bey hoͤch- ſtem Wohlſeyn, in ſeiner Loge auf ſeinem Pol- ſterſtuhle, unter der Predigt ſanft ruhen konnte. Der Neuling kam daher in ſo große Gnade, daß Stauzius, als er ſich uͤber einige von deſſen An- ordnungen beſchweren wollte, aus Hoͤchſteigener
Bewe-
L 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0177"n="163[162]"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
einigemal perſoͤnlich geſehen, und unterhalten<lb/>
einen freundſchaftlichen Briefwechſel.</p><lb/><p>Doktor <hirendition="#fr">Stauzius</hi> war um dieſe Zeit, nach dem<lb/>
Tode des Praͤſidenten, wegen einiger allzuſchar-<lb/>
fen Geſetzpredigten, in die Ungnade des Fuͤrſten<lb/>
gefallen. Man hatte ihm daher, ohne ſein Ver-<lb/>
langen, einen Adjunkt geſetzt, einen ſchoͤnen Geiſt,<lb/>
welcher, nach neueſter Art, in morgenlaͤndiſchen<lb/>
Bildern, und in abgebrochenen Kraftphraſen, bloß<lb/>
fuͤr das Gefuͤhl predigte. Dieſer neue Vicegene-<lb/>
ralſuperintendent bediente ſich auch in ſeinen Pre-<lb/>
digten vieler Proſopopoͤien, Fragen und Ausrufun-<lb/>
gen, aber alles in einer ſo melodiereichen Aus-<lb/>ſprache, daß der Fuͤrft, welcher zuweilen ſchnell<lb/>
aufgefahren war, wenn <hirendition="#fr">Stauzius</hi> die Ewigkeit<lb/>
der hoͤlliſchen Strafen herausbruͤllte, nun bey hoͤch-<lb/>ſtem Wohlſeyn, in ſeiner Loge auf ſeinem Pol-<lb/>ſterſtuhle, unter der Predigt ſanft ruhen konnte.<lb/>
Der Neuling kam daher in ſo große Gnade, daß<lb/><hirendition="#fr">Stauzius,</hi> als er ſich uͤber einige von deſſen An-<lb/>
ordnungen beſchweren wollte, aus Hoͤchſteigener<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Bewe-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[163[162]/0177]
einigemal perſoͤnlich geſehen, und unterhalten
einen freundſchaftlichen Briefwechſel.
Doktor Stauzius war um dieſe Zeit, nach dem
Tode des Praͤſidenten, wegen einiger allzuſchar-
fen Geſetzpredigten, in die Ungnade des Fuͤrſten
gefallen. Man hatte ihm daher, ohne ſein Ver-
langen, einen Adjunkt geſetzt, einen ſchoͤnen Geiſt,
welcher, nach neueſter Art, in morgenlaͤndiſchen
Bildern, und in abgebrochenen Kraftphraſen, bloß
fuͤr das Gefuͤhl predigte. Dieſer neue Vicegene-
ralſuperintendent bediente ſich auch in ſeinen Pre-
digten vieler Proſopopoͤien, Fragen und Ausrufun-
gen, aber alles in einer ſo melodiereichen Aus-
ſprache, daß der Fuͤrft, welcher zuweilen ſchnell
aufgefahren war, wenn Stauzius die Ewigkeit
der hoͤlliſchen Strafen herausbruͤllte, nun bey hoͤch-
ſtem Wohlſeyn, in ſeiner Loge auf ſeinem Pol-
ſterſtuhle, unter der Predigt ſanft ruhen konnte.
Der Neuling kam daher in ſo große Gnade, daß
Stauzius, als er ſich uͤber einige von deſſen An-
ordnungen beſchweren wollte, aus Hoͤchſteigener
Bewe-
L 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 163[162]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/177>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.