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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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"ten? Vermuthlich herrschsüchtige Prälaten, blut-
"gierige Mönche, die Gott einen Dienst zu thun
"glauben, wenn sie die Ketzer vom Erdboden vertil-
"gen. Unsere reformirten Brüder in Deutsch-
"land denken wohl zu gut, als daß sie, wie hier zu
"Lande noch zuweilen geschiehet, ihre protestantischen
"Brüder verfolgen sollten.'

,Ja hat sich wohl! Reformirten? Lutheraner wa-
"ren es, der Reformation Erstgebohrne, die auch nur
"allein die reine Lehre zuvor geerbt zu haben glau-
"ben --

Und nun, weil der gute Mann mit dem Anblicke
der niederdrückenden Last seiner Unglücksfälle, seine
gewöhnliche Sanftmuth, und mit der Hofnung
eines bessern Zustandes, auch seine Besonnenheit
verlohren hatte, kam seine ganze Geschichte, und
alle seine heterodoxen Meinungen an den Tag.

Der Prediger, voll Erstaunen, saß einige Minu-
ten stille, schlug die Hände zusammen und rief:

,Wie? Keine Genugthuung, keine Erbsünde,
"keine ewigen Strafen? Freund, du behauptest ver-
"derbliche Jrrthümer, die mit dem einzigen Wege zur
"Seligkeit nicht bestehen können!'

Sebaldus hob ungeduldig die Augen empor und
redete den Fischer in gebrochenem Holländischen an:

,Kennt



„ten? Vermuthlich herrſchſuͤchtige Praͤlaten, blut-
„gierige Moͤnche, die Gott einen Dienſt zu thun
„glauben, wenn ſie die Ketzer vom Erdboden vertil-
„gen. Unſere reformirten Bruͤder in Deutſch-
„land denken wohl zu gut, als daß ſie, wie hier zu
„Lande noch zuweilen geſchiehet, ihre proteſtantiſchen
„Bruͤder verfolgen ſollten.‛

‚Ja hat ſich wohl! Reformirten? Lutheraner wa-
„ren es, der Reformation Erſtgebohrne, die auch nur
„allein die reine Lehre zuvor geerbt zu haben glau-
„ben —

Und nun, weil der gute Mann mit dem Anblicke
der niederdruͤckenden Laſt ſeiner Ungluͤcksfaͤlle, ſeine
gewoͤhnliche Sanftmuth, und mit der Hofnung
eines beſſern Zuſtandes, auch ſeine Beſonnenheit
verlohren hatte, kam ſeine ganze Geſchichte, und
alle ſeine heterodoxen Meinungen an den Tag.

Der Prediger, voll Erſtaunen, ſaß einige Minu-
ten ſtille, ſchlug die Haͤnde zuſammen und rief:

‚Wie? Keine Genugthuung, keine Erbſuͤnde,
„keine ewigen Strafen? Freund, du behaupteſt ver-
„derbliche Jrrthuͤmer, die mit dem einzigen Wege zur
„Seligkeit nicht beſtehen koͤnnen!‛

Sebaldus hob ungeduldig die Augen empor und
redete den Fiſcher in gebrochenem Hollaͤndiſchen an:

‚Kennt
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[10[9]/0016] „ten? Vermuthlich herrſchſuͤchtige Praͤlaten, blut- „gierige Moͤnche, die Gott einen Dienſt zu thun „glauben, wenn ſie die Ketzer vom Erdboden vertil- „gen. Unſere reformirten Bruͤder in Deutſch- „land denken wohl zu gut, als daß ſie, wie hier zu „Lande noch zuweilen geſchiehet, ihre proteſtantiſchen „Bruͤder verfolgen ſollten.‛ ‚Ja hat ſich wohl! Reformirten? Lutheraner wa- „ren es, der Reformation Erſtgebohrne, die auch nur „allein die reine Lehre zuvor geerbt zu haben glau- „ben — Und nun, weil der gute Mann mit dem Anblicke der niederdruͤckenden Laſt ſeiner Ungluͤcksfaͤlle, ſeine gewoͤhnliche Sanftmuth, und mit der Hofnung eines beſſern Zuſtandes, auch ſeine Beſonnenheit verlohren hatte, kam ſeine ganze Geſchichte, und alle ſeine heterodoxen Meinungen an den Tag. Der Prediger, voll Erſtaunen, ſaß einige Minu- ten ſtille, ſchlug die Haͤnde zuſammen und rief: ‚Wie? Keine Genugthuung, keine Erbſuͤnde, „keine ewigen Strafen? Freund, du behaupteſt ver- „derbliche Jrrthuͤmer, die mit dem einzigen Wege zur „Seligkeit nicht beſtehen koͤnnen!‛ Sebaldus hob ungeduldig die Augen empor und redete den Fiſcher in gebrochenem Hollaͤndiſchen an: ‚Kennt

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 10[9]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/16>, abgerufen am 21.11.2024.