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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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Jch habe sie heute nebst ihrer Mutter zu Mittage
gebeten, -- Nun, wie wärs, wenn ich für dich
heute um sie anhielte? He?

S. (erstaunt) Aber, liebster Vater, wie können
Sie darauf kommen, daß ein Mensch von Talenten
wie ich, mit einem einfältigen Mädchen von unkul-
tivirten Geiste, werde sein ganzes Leben zubringen
wollen. Welche Gesellschaft für einen Geist, wie
ich?

V. Einen Geist wie du? da schweben wir wieder
oben im hohen Himmel! Aber glaub mir! Hienie-
den kenne ich, für einen Müßiggänger -- und das
bist du doch wohl -- der wohl zeitlebens nicht auf
Eine Entreprise denken wird, keine bessere Gesell-
schaft, als funfzigtausend Thaler, und die wird
die Jungfer Gertrudtinn einmahl wohlgezählt von
ihrer Mutter erben. Siehstu! Funfzigtausend
Thaler!

S. Nein! Reichthum kann mich nicht glücklich
machen. Mich, zum Umgange mit Musen und
Grazien gewöhnt -- Liebe, überschwengliche Liebe --

V. Und wie überschwenglich muß denn die Liebe
seyn? Jhr waret doch beständig gern bey einander,
hattet auch immer was zu flüstern, und wenn du
denn die Jungfer Anastasia acht Tage lang nicht ge-

sehen



Jch habe ſie heute nebſt ihrer Mutter zu Mittage
gebeten, — Nun, wie waͤrs, wenn ich fuͤr dich
heute um ſie anhielte? He?

S. (erſtaunt) Aber, liebſter Vater, wie koͤnnen
Sie darauf kommen, daß ein Menſch von Talenten
wie ich, mit einem einfaͤltigen Maͤdchen von unkul-
tivirten Geiſte, werde ſein ganzes Leben zubringen
wollen. Welche Geſellſchaft fuͤr einen Geiſt, wie
ich?

V. Einen Geiſt wie du? da ſchweben wir wieder
oben im hohen Himmel! Aber glaub mir! Hienie-
den kenne ich, fuͤr einen Muͤßiggaͤnger — und das
biſt du doch wohl — der wohl zeitlebens nicht auf
Eine Entrepriſe denken wird, keine beſſere Geſell-
ſchaft, als funfzigtauſend Thaler, und die wird
die Jungfer Gertrudtinn einmahl wohlgezaͤhlt von
ihrer Mutter erben. Siehſtu! Funfzigtauſend
Thaler!

S. Nein! Reichthum kann mich nicht gluͤcklich
machen. Mich, zum Umgange mit Muſen und
Grazien gewoͤhnt — Liebe, uͤberſchwengliche Liebe —

V. Und wie uͤberſchwenglich muß denn die Liebe
ſeyn? Jhr waret doch beſtaͤndig gern bey einander,
hattet auch immer was zu fluͤſtern, und wenn du
denn die Jungfer Anaſtaſia acht Tage lang nicht ge-

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[130[129]/0142] Jch habe ſie heute nebſt ihrer Mutter zu Mittage gebeten, — Nun, wie waͤrs, wenn ich fuͤr dich heute um ſie anhielte? He? S. (erſtaunt) Aber, liebſter Vater, wie koͤnnen Sie darauf kommen, daß ein Menſch von Talenten wie ich, mit einem einfaͤltigen Maͤdchen von unkul- tivirten Geiſte, werde ſein ganzes Leben zubringen wollen. Welche Geſellſchaft fuͤr einen Geiſt, wie ich? V. Einen Geiſt wie du? da ſchweben wir wieder oben im hohen Himmel! Aber glaub mir! Hienie- den kenne ich, fuͤr einen Muͤßiggaͤnger — und das biſt du doch wohl — der wohl zeitlebens nicht auf Eine Entrepriſe denken wird, keine beſſere Geſell- ſchaft, als funfzigtauſend Thaler, und die wird die Jungfer Gertrudtinn einmahl wohlgezaͤhlt von ihrer Mutter erben. Siehſtu! Funfzigtauſend Thaler! S. Nein! Reichthum kann mich nicht gluͤcklich machen. Mich, zum Umgange mit Muſen und Grazien gewoͤhnt — Liebe, uͤberſchwengliche Liebe — V. Und wie uͤberſchwenglich muß denn die Liebe ſeyn? Jhr waret doch beſtaͤndig gern bey einander, hattet auch immer was zu fluͤſtern, und wenn du denn die Jungfer Anaſtaſia acht Tage lang nicht ge- ſehen

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 130[129]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/142>, abgerufen am 24.11.2024.