"Bewenden haben. Wir können nun einmal keine "Jrrlehrer, Kalvinisten u. d. gl. bey uns haben, also "muß man auch nicht lehren, daß man sie lieben müsse.'
Sebaldus mochte immer einwenden, die Vernunft sage uns, eine ungereimte Verfassung könne gar wohl verändert werden, und eine Verbindung, die sich auf Unwahrheit stütze, könne nicht verbindlich seyn. Ver- gebens! Mackligius blieb dabey, daß, wenn man eine Verbindung einmal eingegangen sey, man dabey fest verharren müsse, sie sey beschaffen, wie sie wolle. Auf die Vernunft müsse man in Glaubenssachen über- haupt gar nicht achten. Man müsse sich dem fügen, was die Vorältern festgesetzt haben; und so drang er dem Sebaldus einen Handschlag ab, daß er ferner solche Lehren, die den Jrrgläubigen könnten vortheil- haft seyn, gar nicht predigen, sondern sie lieber ganz mit Stillschweigen übergehen wolle.
Einige Tage darauf sollte im Filiale ein Kind eines Schiffers, getauft werden. Mackligius gieng mit dem Sebaldus hinaus. Als der erstere an den Taufstein trat, erblickte er einen Pathen, den er nicht kannte. Er ließ ihn in die Sakristey treten, um sich näher zu erkundigen, und erfuhr, zu seiner nicht geringen Be- stürzung, daß er ein reformirter Kaufmann aus Bre-
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”Bewenden haben. Wir koͤnnen nun einmal keine ”Jrrlehrer, Kalviniſten u. d. gl. bey uns haben, alſo ”muß man auch nicht lehren, daß man ſie lieben muͤſſe.‛
Sebaldus mochte immer einwenden, die Vernunft ſage uns, eine ungereimte Verfaſſung koͤnne gar wohl veraͤndert werden, und eine Verbindung, die ſich auf Unwahrheit ſtuͤtze, koͤnne nicht verbindlich ſeyn. Ver- gebens! Mackligius blieb dabey, daß, wenn man eine Verbindung einmal eingegangen ſey, man dabey feſt verharren muͤſſe, ſie ſey beſchaffen, wie ſie wolle. Auf die Vernunft muͤſſe man in Glaubensſachen uͤber- haupt gar nicht achten. Man muͤſſe ſich dem fuͤgen, was die Voraͤltern feſtgeſetzt haben; und ſo drang er dem Sebaldus einen Handſchlag ab, daß er ferner ſolche Lehren, die den Jrrglaͤubigen koͤnnten vortheil- haft ſeyn, gar nicht predigen, ſondern ſie lieber ganz mit Stillſchweigen uͤbergehen wolle.
Einige Tage darauf ſollte im Filiale ein Kind eines Schiffers, getauft werden. Mackligius gieng mit dem Sebaldus hinaus. Als der erſtere an den Taufſtein trat, erblickte er einen Pathen, den er nicht kannte. Er ließ ihn in die Sakriſtey treten, um ſich naͤher zu erkundigen, und erfuhr, zu ſeiner nicht geringen Be- ſtuͤrzung, daß er ein reformirter Kaufmann aus Bre-
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”Bewenden haben. Wir koͤnnen nun einmal keine
”Jrrlehrer, Kalviniſten u. d. gl. bey uns haben, alſo
”muß man auch nicht lehren, daß man ſie lieben muͤſſe.‛
Sebaldus mochte immer einwenden, die Vernunft
ſage uns, eine ungereimte Verfaſſung koͤnne gar wohl
veraͤndert werden, und eine Verbindung, die ſich auf
Unwahrheit ſtuͤtze, koͤnne nicht verbindlich ſeyn. Ver-
gebens! Mackligius blieb dabey, daß, wenn man eine
Verbindung einmal eingegangen ſey, man dabey
feſt verharren muͤſſe, ſie ſey beſchaffen, wie ſie wolle.
Auf die Vernunft muͤſſe man in Glaubensſachen uͤber-
haupt gar nicht achten. Man muͤſſe ſich dem fuͤgen,
was die Voraͤltern feſtgeſetzt haben; und ſo drang er
dem Sebaldus einen Handſchlag ab, daß er ferner
ſolche Lehren, die den Jrrglaͤubigen koͤnnten vortheil-
haft ſeyn, gar nicht predigen, ſondern ſie lieber ganz
mit Stillſchweigen uͤbergehen wolle.
Einige Tage darauf ſollte im Filiale ein Kind eines
Schiffers, getauft werden. Mackligius gieng mit dem
Sebaldus hinaus. Als der erſtere an den Taufſtein
trat, erblickte er einen Pathen, den er nicht kannte.
Er ließ ihn in die Sakriſtey treten, um ſich naͤher zu
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/245>, abgerufen am 26.07.2024.
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