Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite



welches so vielen grundgelehrten Leuten, die über die
Kleidung der Alten geschrieben haben, vielleicht bloß
deswegen noch bisher nicht hat gelingen wollen, weil
sie alle nicht wußten, ob man einen Pelzmantel in
die Länge oder in die Quere des Zeuges zuschneiden
muß.

Nachdem er des Hieronymus Brief gelesen hatte,
versicherte er den Sebaldus zwar sehr ernsthaft seiner
Gnade; (denn seitdem er reich geworden, ergriff er
gern jede Gelegenheit, wobey er den Mäcen spielen
konnte;) doch bedauerte er es, daß er einen so grund-
gelehrten Mann, wie Sebaldus nicht zu seinem
Bibliothekar haben könnte, weil diese Stelle bereits
durch einen gelehrten Magister besetzt worden, der
ein Schwestersohn eines Mannes war, der ihm viele
Alterthümer, und noch kürzlich einen raren Kameo,
in ächten Ambra, und nicht etwa in Bernstein ge-
schnitten, verkauft habe. Jndessen lud er ihn doch
auf den andern Morgen zum Frühstück ein.

Dieß letztere geschahe nicht sowohl des Sebaldus,
als sein selbst wegen; denn, weil es seinen Nachbarn,
die ohne dieß von allen Alterthümern aufs höchste alte
Pokale und alte Bankothaler liebten, schon bekannt
war, daß unser gelehrter Landjunker diejenigen, die
er einmal in sein Kabinett bekommen konnte, so bald

nicht
O 5



welches ſo vielen grundgelehrten Leuten, die uͤber die
Kleidung der Alten geſchrieben haben, vielleicht bloß
deswegen noch bisher nicht hat gelingen wollen, weil
ſie alle nicht wußten, ob man einen Pelzmantel in
die Laͤnge oder in die Quere des Zeuges zuſchneiden
muß.

Nachdem er des Hieronymus Brief geleſen hatte,
verſicherte er den Sebaldus zwar ſehr ernſthaft ſeiner
Gnade; (denn ſeitdem er reich geworden, ergriff er
gern jede Gelegenheit, wobey er den Maͤcen ſpielen
konnte;) doch bedauerte er es, daß er einen ſo grund-
gelehrten Mann, wie Sebaldus nicht zu ſeinem
Bibliothekar haben koͤnnte, weil dieſe Stelle bereits
durch einen gelehrten Magiſter beſetzt worden, der
ein Schweſterſohn eines Mannes war, der ihm viele
Alterthuͤmer, und noch kuͤrzlich einen raren Kameo,
in aͤchten Ambra, und nicht etwa in Bernſtein ge-
ſchnitten, verkauft habe. Jndeſſen lud er ihn doch
auf den andern Morgen zum Fruͤhſtuͤck ein.

Dieß letztere geſchahe nicht ſowohl des Sebaldus,
als ſein ſelbſt wegen; denn, weil es ſeinen Nachbarn,
die ohne dieß von allen Alterthuͤmern aufs hoͤchſte alte
Pokale und alte Bankothaler liebten, ſchon bekannt
war, daß unſer gelehrter Landjunker diejenigen, die
er einmal in ſein Kabinett bekommen konnte, ſo bald

nicht
O 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0225" n="213"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
welches &#x017F;o vielen grundgelehrten Leuten, die u&#x0364;ber die<lb/>
Kleidung der Alten ge&#x017F;chrieben haben, vielleicht bloß<lb/>
deswegen noch bisher nicht hat gelingen wollen, weil<lb/>
&#x017F;ie alle nicht wußten, ob man einen Pelzmantel in<lb/>
die La&#x0364;nge oder in die Quere des Zeuges zu&#x017F;chneiden<lb/>
muß.</p><lb/>
          <p>Nachdem er des <hi rendition="#fr">Hieronymus</hi> Brief gele&#x017F;en hatte,<lb/>
ver&#x017F;icherte er den <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> zwar &#x017F;ehr ern&#x017F;thaft &#x017F;einer<lb/>
Gnade; (denn &#x017F;eitdem er reich geworden, ergriff er<lb/>
gern jede Gelegenheit, wobey er den Ma&#x0364;cen &#x017F;pielen<lb/>
konnte;) doch bedauerte er es, daß er einen &#x017F;o grund-<lb/>
gelehrten Mann, wie <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> nicht zu &#x017F;einem<lb/>
Bibliothekar haben ko&#x0364;nnte, weil die&#x017F;e Stelle bereits<lb/>
durch einen gelehrten Magi&#x017F;ter be&#x017F;etzt worden, der<lb/>
ein Schwe&#x017F;ter&#x017F;ohn eines Mannes war, der ihm viele<lb/>
Alterthu&#x0364;mer, und noch ku&#x0364;rzlich einen raren <hi rendition="#fr">Kameo,</hi><lb/>
in a&#x0364;chten <hi rendition="#fr">Ambra,</hi> und nicht etwa in Bern&#x017F;tein ge-<lb/>
&#x017F;chnitten, verkauft habe. Jnde&#x017F;&#x017F;en lud er ihn doch<lb/>
auf den andern Morgen zum Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck ein.</p><lb/>
          <p>Dieß letztere ge&#x017F;chahe nicht &#x017F;owohl des <hi rendition="#fr">Sebaldus,</hi><lb/>
als &#x017F;ein &#x017F;elb&#x017F;t wegen; denn, weil es &#x017F;einen Nachbarn,<lb/>
die ohne dieß von allen Alterthu&#x0364;mern aufs ho&#x0364;ch&#x017F;te alte<lb/>
Pokale und alte Bankothaler liebten, &#x017F;chon bekannt<lb/>
war, daß un&#x017F;er gelehrter Landjunker diejenigen, die<lb/>
er einmal in &#x017F;ein Kabinett bekommen konnte, &#x017F;o bald<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 5</fw><fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0225] welches ſo vielen grundgelehrten Leuten, die uͤber die Kleidung der Alten geſchrieben haben, vielleicht bloß deswegen noch bisher nicht hat gelingen wollen, weil ſie alle nicht wußten, ob man einen Pelzmantel in die Laͤnge oder in die Quere des Zeuges zuſchneiden muß. Nachdem er des Hieronymus Brief geleſen hatte, verſicherte er den Sebaldus zwar ſehr ernſthaft ſeiner Gnade; (denn ſeitdem er reich geworden, ergriff er gern jede Gelegenheit, wobey er den Maͤcen ſpielen konnte;) doch bedauerte er es, daß er einen ſo grund- gelehrten Mann, wie Sebaldus nicht zu ſeinem Bibliothekar haben koͤnnte, weil dieſe Stelle bereits durch einen gelehrten Magiſter beſetzt worden, der ein Schweſterſohn eines Mannes war, der ihm viele Alterthuͤmer, und noch kuͤrzlich einen raren Kameo, in aͤchten Ambra, und nicht etwa in Bernſtein ge- ſchnitten, verkauft habe. Jndeſſen lud er ihn doch auf den andern Morgen zum Fruͤhſtuͤck ein. Dieß letztere geſchahe nicht ſowohl des Sebaldus, als ſein ſelbſt wegen; denn, weil es ſeinen Nachbarn, die ohne dieß von allen Alterthuͤmern aufs hoͤchſte alte Pokale und alte Bankothaler liebten, ſchon bekannt war, daß unſer gelehrter Landjunker diejenigen, die er einmal in ſein Kabinett bekommen konnte, ſo bald nicht O 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/225
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/225>, abgerufen am 17.05.2024.