Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite


Sie kamen in kurzem auf dem Gute der Gräfinn
an. Mariane begab sich sogleich mit Hieronymus
nach dem Schlosse. Sie hoffte von der Gräfinn mit
Vergnügen empfangen zu werden; aber diese Dame
war, besonders durch Rambolds tückische Einblasun-
gen, so sehr wider die gute Mariane eingenommen,
daß sie dieselbe sehr kalt bewillkommte. Jn der That
war der äußerliche Auschein ganz wider Marianen.
Auf die Frage der Gräfinn, wie die Entsührung ver-
anlasset worden, konnte sie nichts mehr antworten,
als daß sie von unbekannten Leuten auf einen unbe-
kannten Weg geführet worden, ohne daß sie die ge-
ringste Veranlassung dazu gegeben habe. Dieß war
in der That unwahrscheinlich, und daß Mariane
schien die Warheit verhehlen zu wollen, that ihr in
dem Gemüthe der Gräfinn noch mehrern Schaden.
Die Gräfinn erinnerte sie, wie vertraulich sie mit ihr
umgegangen wäre, und daß sie ihr doch aus den Vor-
fällen bey der Frau von Hohenauf, und aus ihrer
Verbindung mit Säuglingen, ein Geheimniß ge-
macht hätte. Sie zelgte ihr die gefundenen Briese
von Säuglingen an sie, woraus genug erhellte,
wie genau diese Verbindung gewesen, Sie erin-
nerte sie an ihre und seine Verlegenheit, bey seiner
Ankunft, und an viele andere kleine vorher nicht be-

merkte
N 2


Sie kamen in kurzem auf dem Gute der Graͤfinn
an. Mariane begab ſich ſogleich mit Hieronymus
nach dem Schloſſe. Sie hoffte von der Graͤfinn mit
Vergnuͤgen empfangen zu werden; aber dieſe Dame
war, beſonders durch Rambolds tuͤckiſche Einblaſun-
gen, ſo ſehr wider die gute Mariane eingenommen,
daß ſie dieſelbe ſehr kalt bewillkommte. Jn der That
war der aͤußerliche Auſchein ganz wider Marianen.
Auf die Frage der Graͤfinn, wie die Entſuͤhrung ver-
anlaſſet worden, konnte ſie nichts mehr antworten,
als daß ſie von unbekannten Leuten auf einen unbe-
kannten Weg gefuͤhret worden, ohne daß ſie die ge-
ringſte Veranlaſſung dazu gegeben habe. Dieß war
in der That unwahrſcheinlich, und daß Mariane
ſchien die Warheit verhehlen zu wollen, that ihr in
dem Gemuͤthe der Graͤfinn noch mehrern Schaden.
Die Graͤfinn erinnerte ſie, wie vertraulich ſie mit ihr
umgegangen waͤre, und daß ſie ihr doch aus den Vor-
faͤllen bey der Frau von Hohenauf, und aus ihrer
Verbindung mit Saͤuglingen, ein Geheimniß ge-
macht haͤtte. Sie zelgte ihr die gefundenen Brieſe
von Saͤuglingen an ſie, woraus genug erhellte,
wie genau dieſe Verbindung geweſen, Sie erin-
nerte ſie an ihre und ſeine Verlegenheit, bey ſeiner
Ankunft, und an viele andere kleine vorher nicht be-

merkte
N 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0203" n="191"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Sie kamen in kurzem auf dem Gute der Gra&#x0364;finn<lb/>
an. <hi rendition="#fr">Mariane</hi> begab &#x017F;ich &#x017F;ogleich mit <hi rendition="#fr">Hieronymus</hi><lb/>
nach dem Schlo&#x017F;&#x017F;e. Sie hoffte von der Gra&#x0364;finn mit<lb/>
Vergnu&#x0364;gen empfangen zu werden; aber die&#x017F;e Dame<lb/>
war, be&#x017F;onders durch <hi rendition="#fr">Rambolds</hi> tu&#x0364;cki&#x017F;che Einbla&#x017F;un-<lb/>
gen, &#x017F;o &#x017F;ehr wider die gute <hi rendition="#fr">Mariane</hi> eingenommen,<lb/>
daß &#x017F;ie die&#x017F;elbe &#x017F;ehr kalt bewillkommte. Jn der That<lb/>
war der a&#x0364;ußerliche Au&#x017F;chein ganz wider <hi rendition="#fr">Marianen.</hi><lb/>
Auf die Frage der Gra&#x0364;finn, wie die Ent&#x017F;u&#x0364;hrung ver-<lb/>
anla&#x017F;&#x017F;et worden, konnte &#x017F;ie nichts mehr antworten,<lb/>
als daß &#x017F;ie von unbekannten Leuten auf einen unbe-<lb/>
kannten Weg gefu&#x0364;hret worden, ohne daß &#x017F;ie die ge-<lb/>
ring&#x017F;te Veranla&#x017F;&#x017F;ung dazu gegeben habe. Dieß war<lb/>
in der That unwahr&#x017F;cheinlich, und daß <hi rendition="#fr">Mariane</hi><lb/>
&#x017F;chien die Warheit verhehlen zu wollen, that ihr in<lb/>
dem Gemu&#x0364;the der Gra&#x0364;finn noch mehrern Schaden.<lb/>
Die Gra&#x0364;finn erinnerte &#x017F;ie, wie vertraulich &#x017F;ie mit ihr<lb/>
umgegangen wa&#x0364;re, und daß &#x017F;ie ihr doch aus den Vor-<lb/>
fa&#x0364;llen bey der Frau von <hi rendition="#fr">Hohenauf,</hi> und aus ihrer<lb/>
Verbindung mit <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;uglingen,</hi> ein Geheimniß ge-<lb/>
macht ha&#x0364;tte. Sie zelgte ihr die gefundenen Brie&#x017F;e<lb/>
von <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;uglingen</hi> an &#x017F;ie, woraus genug erhellte,<lb/>
wie genau die&#x017F;e Verbindung gewe&#x017F;en, Sie erin-<lb/>
nerte &#x017F;ie an ihre und &#x017F;eine Verlegenheit, bey &#x017F;einer<lb/>
Ankunft, und an viele andere kleine vorher nicht be-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 2</fw><fw place="bottom" type="catch">merkte</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0203] Sie kamen in kurzem auf dem Gute der Graͤfinn an. Mariane begab ſich ſogleich mit Hieronymus nach dem Schloſſe. Sie hoffte von der Graͤfinn mit Vergnuͤgen empfangen zu werden; aber dieſe Dame war, beſonders durch Rambolds tuͤckiſche Einblaſun- gen, ſo ſehr wider die gute Mariane eingenommen, daß ſie dieſelbe ſehr kalt bewillkommte. Jn der That war der aͤußerliche Auſchein ganz wider Marianen. Auf die Frage der Graͤfinn, wie die Entſuͤhrung ver- anlaſſet worden, konnte ſie nichts mehr antworten, als daß ſie von unbekannten Leuten auf einen unbe- kannten Weg gefuͤhret worden, ohne daß ſie die ge- ringſte Veranlaſſung dazu gegeben habe. Dieß war in der That unwahrſcheinlich, und daß Mariane ſchien die Warheit verhehlen zu wollen, that ihr in dem Gemuͤthe der Graͤfinn noch mehrern Schaden. Die Graͤfinn erinnerte ſie, wie vertraulich ſie mit ihr umgegangen waͤre, und daß ſie ihr doch aus den Vor- faͤllen bey der Frau von Hohenauf, und aus ihrer Verbindung mit Saͤuglingen, ein Geheimniß ge- macht haͤtte. Sie zelgte ihr die gefundenen Brieſe von Saͤuglingen an ſie, woraus genug erhellte, wie genau dieſe Verbindung geweſen, Sie erin- nerte ſie an ihre und ſeine Verlegenheit, bey ſeiner Ankunft, und an viele andere kleine vorher nicht be- merkte N 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/203
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/203>, abgerufen am 25.11.2024.