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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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sprechen und thun, um in Gesellschaft die Aufmerk-
samkeit auf sich zuziehen; widersprechen, um eigen-
sinniger Laune Lauf zu laßen, die oft für lebhaften
Geist genommen wird; nachgeben, um mit Zierlich-
keit schmollen zu können; in Einem Nachmittage an
sechs Orten, und allenthalben abwesend seyn; in der
ganzen Gesellschaft am lautsten reden, und am we-
nigsten sagen; sich putzen, schminken, spielen, tan-
zen, liebäugeln, Liebeshändel anspinnen und Senti-
niens plaudern, alles zugleich und ohne daran zu den-
ken. Kurz sie besaß den bon ton vollkommen, und
hatte sich, um ihn an Mann zu bringen, den ver-
gangenen Winter, an einem benachbarton fürstlichen
Hofe, zum erstenmal als eine ausgemachte Petite-
maitresse gezeigt. Sie war mit ihrem Anfange selbst
nicht übel zu frieden; denn sie hatte mehr Aufsehen
gemacht, als irgend ein anderes Fräulein, ejnige ihrer
Moden waren nachgeahmt worden, die Schönheiten
des vorigen Winters, kamen gegen sie nicht mehr iu
Betrachtung, die Anbeter drängten sich um sie, Ge-
schenke, Nachtmusiken, Bälle, von denen sie die
Königinn war, folgten sich unaufhörlich, und sie be-
saß wirklich ein sehr großes Paket Liebesbriefe, von
den bestfrisirten Köpfen des Hofes.

Die



ſprechen und thun, um in Geſellſchaft die Aufmerk-
ſamkeit auf ſich zuziehen; widerſprechen, um eigen-
ſinniger Laune Lauf zu laßen, die oft fuͤr lebhaften
Geiſt genommen wird; nachgeben, um mit Zierlich-
keit ſchmollen zu koͤnnen; in Einem Nachmittage an
ſechs Orten, und allenthalben abweſend ſeyn; in der
ganzen Geſellſchaft am lautſten reden, und am we-
nigſten ſagen; ſich putzen, ſchminken, ſpielen, tan-
zen, liebaͤugeln, Liebeshaͤndel anſpinnen und Senti-
niens plaudern, alles zugleich und ohne daran zu den-
ken. Kurz ſie beſaß den bon ton vollkommen, und
hatte ſich, um ihn an Mann zu bringen, den ver-
gangenen Winter, an einem benachbarton fuͤrſtlichen
Hofe, zum erſtenmal als eine ausgemachte Petite-
maitreſſe gezeigt. Sie war mit ihrem Anfange ſelbſt
nicht uͤbel zu frieden; denn ſie hatte mehr Aufſehen
gemacht, als irgend ein anderes Fraͤulein, ejnige ihrer
Moden waren nachgeahmt worden, die Schoͤnheiten
des vorigen Winters, kamen gegen ſie nicht mehr iu
Betrachtung, die Anbeter draͤngten ſich um ſie, Ge-
ſchenke, Nachtmuſiken, Baͤlle, von denen ſie die
Koͤniginn war, folgten ſich unaufhoͤrlich, und ſie be-
ſaß wirklich ein ſehr großes Paket Liebesbriefe, von
den beſtfriſirten Koͤpfen des Hofes.

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[151/0161] ſprechen und thun, um in Geſellſchaft die Aufmerk- ſamkeit auf ſich zuziehen; widerſprechen, um eigen- ſinniger Laune Lauf zu laßen, die oft fuͤr lebhaften Geiſt genommen wird; nachgeben, um mit Zierlich- keit ſchmollen zu koͤnnen; in Einem Nachmittage an ſechs Orten, und allenthalben abweſend ſeyn; in der ganzen Geſellſchaft am lautſten reden, und am we- nigſten ſagen; ſich putzen, ſchminken, ſpielen, tan- zen, liebaͤugeln, Liebeshaͤndel anſpinnen und Senti- niens plaudern, alles zugleich und ohne daran zu den- ken. Kurz ſie beſaß den bon ton vollkommen, und hatte ſich, um ihn an Mann zu bringen, den ver- gangenen Winter, an einem benachbarton fuͤrſtlichen Hofe, zum erſtenmal als eine ausgemachte Petite- maitreſſe gezeigt. Sie war mit ihrem Anfange ſelbſt nicht uͤbel zu frieden; denn ſie hatte mehr Aufſehen gemacht, als irgend ein anderes Fraͤulein, ejnige ihrer Moden waren nachgeahmt worden, die Schoͤnheiten des vorigen Winters, kamen gegen ſie nicht mehr iu Betrachtung, die Anbeter draͤngten ſich um ſie, Ge- ſchenke, Nachtmuſiken, Baͤlle, von denen ſie die Koͤniginn war, folgten ſich unaufhoͤrlich, und ſie be- ſaß wirklich ein ſehr großes Paket Liebesbriefe, von den beſtfriſirten Koͤpfen des Hofes. Die

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/161>, abgerufen am 25.11.2024.