Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.Segen, aber indem er ein Schritt zu ihr trat, sank sie zurück in die Arme ihrer Schwester, die sie unter- stützen wollte. Mariane that einen lauten Schrey, Sebaldus fiel auf den todten Körper, die schwache Wilhelmine richtete sich auf, als ob sie ihrer Toch- ter helfen wollte. Umsonst! sie war dahin. Nun sank Sebaldus in die tiefe Betäubung, die keinen Theil des Elends einzeln empfindet, weil das Ganze die Seele völlig eingenommen hat. Auch Maria- nens Kräfte reichten nicht zu, so viel Unglück zu er- tragen. Sie fiel unter einem Strome von Thränen auf ihr Lager, und blieb den ganzen Tag in einer be- täubenden Mattigkeit, ohne daß sie im Stande war, ihrer kranken Mutter die gewöhnlichen zärtlichen Lie- besdienste zu leisten. Wilhelmine aber, die bisher in der äußersten Entkräftung gelegen hatte, rief alle ihre Lebensgeister hervor, um ihr überschwengli- ches Elend zu empfinden, denn bey großer Traurig- keit ist die Traurigkeit selbst der einzige Genuß, und daher der Seele angenehm. So schwach sie war, so wendete sie Kräfte an, bald zu klagen, bald zu seuf- zen, bald, weil selbst der Anblick der Leiche ihre Zärtlichkeit stärker auf die Lebendigen zog, um ihren Mann und ihre Tochter zu trösten. Sie wollte so- gar aufstehen, um denen Handreichung zu leisten, deren
Segen, aber indem er ein Schritt zu ihr trat, ſank ſie zuruͤck in die Arme ihrer Schweſter, die ſie unter- ſtuͤtzen wollte. Mariane that einen lauten Schrey, Sebaldus fiel auf den todten Koͤrper, die ſchwache Wilhelmine richtete ſich auf, als ob ſie ihrer Toch- ter helfen wollte. Umſonſt! ſie war dahin. Nun ſank Sebaldus in die tiefe Betaͤubung, die keinen Theil des Elends einzeln empfindet, weil das Ganze die Seele voͤllig eingenommen hat. Auch Maria- nens Kraͤfte reichten nicht zu, ſo viel Ungluͤck zu er- tragen. Sie fiel unter einem Strome von Thraͤnen auf ihr Lager, und blieb den ganzen Tag in einer be- taͤubenden Mattigkeit, ohne daß ſie im Stande war, ihrer kranken Mutter die gewoͤhnlichen zaͤrtlichen Lie- besdienſte zu leiſten. Wilhelmine aber, die bisher in der aͤußerſten Entkraͤftung gelegen hatte, rief alle ihre Lebensgeiſter hervor, um ihr uͤberſchwengli- ches Elend zu empfinden, denn bey großer Traurig- keit iſt die Traurigkeit ſelbſt der einzige Genuß, und daher der Seele angenehm. So ſchwach ſie war, ſo wendete ſie Kraͤfte an, bald zu klagen, bald zu ſeuf- zen, bald, weil ſelbſt der Anblick der Leiche ihre Zaͤrtlichkeit ſtaͤrker auf die Lebendigen zog, um ihren Mann und ihre Tochter zu troͤſten. Sie wollte ſo- gar aufſtehen, um denen Handreichung zu leiſten, deren
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Segen, aber indem er ein Schritt zu ihr trat, ſank
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ſtuͤtzen wollte. Mariane that einen lauten Schrey,
Sebaldus fiel auf den todten Koͤrper, die ſchwache
Wilhelmine richtete ſich auf, als ob ſie ihrer Toch-
ter helfen wollte. Umſonſt! ſie war dahin. Nun
ſank Sebaldus in die tiefe Betaͤubung, die keinen
Theil des Elends einzeln empfindet, weil das Ganze
die Seele voͤllig eingenommen hat. Auch Maria-
nens Kraͤfte reichten nicht zu, ſo viel Ungluͤck zu er-
tragen. Sie fiel unter einem Strome von Thraͤnen
auf ihr Lager, und blieb den ganzen Tag in einer be-
taͤubenden Mattigkeit, ohne daß ſie im Stande war,
ihrer kranken Mutter die gewoͤhnlichen zaͤrtlichen Lie-
besdienſte zu leiſten. Wilhelmine aber, die bisher
in der aͤußerſten Entkraͤftung gelegen hatte, rief
alle ihre Lebensgeiſter hervor, um ihr uͤberſchwengli-
ches Elend zu empfinden, denn bey großer Traurig-
keit iſt die Traurigkeit ſelbſt der einzige Genuß, und
daher der Seele angenehm. So ſchwach ſie war, ſo
wendete ſie Kraͤfte an, bald zu klagen, bald zu ſeuf-
zen, bald, weil ſelbſt der Anblick der Leiche ihre
Zaͤrtlichkeit ſtaͤrker auf die Lebendigen zog, um ihren
Mann und ihre Tochter zu troͤſten. Sie wollte ſo-
gar aufſtehen, um denen Handreichung zu leiſten,
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