Sebaldus antwortete bescheiden mit wenig Wor- ten, und ließ am Ende seiner Rede einfließen, "daß "Gott gnädiger wäre, als erbitterte Menschen, daß "er uns nach der reinen Absicht unsers Herzens, nicht "aber nach einem nicht |vorhergesehenen Erfolge unse- "rer Handlungen, richten werde." Stauzius fuhr ihn mit unbeschreiblicher Wuth an: "Ob er die Ewig- "keit der Höllenstrafen glaube?" Sebaldus ant- wortete ganz gelassen: "Er glaube nicht, daß es "Menschen gezieme, der Güte Gottes Maaß und Ziel "zu setzen." "Sie sehen, meine Herren, redete der äus- "serst aufgebrachte Superintendent die anwesende an, "daß dieser gottlose Mann in den Grundlehren des "Glaubens irrig ist, und schändliche grundstürzende "Jrrthümer behauptet, ich trage also darauf an, daß "er unverzüglich seines Amtes entsetzt werde, damit "er die Seelen der ihm anvertrauten Heerde nicht fer- "ner in Gefahr bringe." Der Präsident antwortete hierauf mit sanftmüthiger Mine: "Es ist zwar wahr, "daß Ehrn Nothanker sich eine schwere Verschul- "dung hat zur Last kommen lassen, doch erfordert die "christliche Liebe, daß man in einer so wichtigen Sache, "als die Absetzung vom Amte ist, sich nicht übereilen "müsse. Daher ist meine Meynung, daß dem Fiscal "aufgetragen werde, eine in gehöriger Form abgefaßte
"Klage
Sebaldus antwortete beſcheiden mit wenig Wor- ten, und ließ am Ende ſeiner Rede einfließen, „daß „Gott gnaͤdiger waͤre, als erbitterte Menſchen, daß „er uns nach der reinen Abſicht unſers Herzens, nicht „aber nach einem nicht |vorhergeſehenen Erfolge unſe- „rer Handlungen, richten werde.‟ Stauzius fuhr ihn mit unbeſchreiblicher Wuth an: „Ob er die Ewig- „keit der Hoͤllenſtrafen glaube?‟ Sebaldus ant- wortete ganz gelaſſen: „Er glaube nicht, daß es „Menſchen gezieme, der Guͤte Gottes Maaß und Ziel „zu ſetzen.‟ „Sie ſehen, meine Herren, redete der aͤuſ- „ſerſt aufgebrachte Superintendent die anweſende an, „daß dieſer gottloſe Mann in den Grundlehren des „Glaubens irrig iſt, und ſchaͤndliche grundſtuͤrzende „Jrrthuͤmer behauptet, ich trage alſo darauf an, daß „er unverzuͤglich ſeines Amtes entſetzt werde, damit „er die Seelen der ihm anvertrauten Heerde nicht fer- „ner in Gefahr bringe.‟ Der Praͤſident antwortete hierauf mit ſanftmuͤthiger Mine: „Es iſt zwar wahr, „daß Ehrn Nothanker ſich eine ſchwere Verſchul- „dung hat zur Laſt kommen laſſen, doch erfordert die „chriſtliche Liebe, daß man in einer ſo wichtigen Sache, „als die Abſetzung vom Amte iſt, ſich nicht uͤbereilen „muͤſſe. Daher iſt meine Meynung, daß dem Fiscal „aufgetragen werde, eine in gehoͤriger Form abgefaßte
„Klage
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0060"n="40"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#fr">Sebaldus</hi> antwortete beſcheiden mit wenig Wor-<lb/>
ten, und ließ am Ende ſeiner Rede einfließen, „daß<lb/>„Gott gnaͤdiger waͤre, als erbitterte Menſchen, daß<lb/>„er uns nach der reinen Abſicht unſers Herzens, nicht<lb/>„aber nach einem nicht |vorhergeſehenen Erfolge unſe-<lb/>„rer Handlungen, richten werde.‟<hirendition="#fr">Stauzius</hi> fuhr<lb/>
ihn mit unbeſchreiblicher Wuth an: „Ob er die Ewig-<lb/>„keit der Hoͤllenſtrafen glaube?‟<hirendition="#fr">Sebaldus</hi> ant-<lb/>
wortete ganz gelaſſen: „Er glaube nicht, daß es<lb/>„Menſchen gezieme, der Guͤte Gottes Maaß und Ziel<lb/>„zu ſetzen.‟„Sie ſehen, meine Herren, redete der aͤuſ-<lb/>„ſerſt aufgebrachte Superintendent die anweſende an,<lb/>„daß dieſer gottloſe Mann in den Grundlehren des<lb/>„Glaubens irrig iſt, und ſchaͤndliche grundſtuͤrzende<lb/>„Jrrthuͤmer behauptet, ich trage alſo darauf an, daß<lb/>„er unverzuͤglich ſeines Amtes entſetzt werde, damit<lb/>„er die Seelen der ihm anvertrauten Heerde nicht fer-<lb/>„ner in Gefahr bringe.‟ Der Praͤſident antwortete<lb/>
hierauf mit ſanftmuͤthiger Mine: „Es iſt zwar wahr,<lb/>„daß <hirendition="#fr">Ehrn Nothanker</hi>ſich eine ſchwere Verſchul-<lb/>„dung hat zur Laſt kommen laſſen, doch erfordert die<lb/>„chriſtliche Liebe, daß man in einer ſo wichtigen Sache,<lb/>„als die Abſetzung vom Amte iſt, ſich nicht uͤbereilen<lb/>„muͤſſe. Daher iſt meine Meynung, daß dem Fiscal<lb/>„aufgetragen werde, eine in gehoͤriger Form abgefaßte<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„Klage</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[40/0060]
Sebaldus antwortete beſcheiden mit wenig Wor-
ten, und ließ am Ende ſeiner Rede einfließen, „daß
„Gott gnaͤdiger waͤre, als erbitterte Menſchen, daß
„er uns nach der reinen Abſicht unſers Herzens, nicht
„aber nach einem nicht |vorhergeſehenen Erfolge unſe-
„rer Handlungen, richten werde.‟ Stauzius fuhr
ihn mit unbeſchreiblicher Wuth an: „Ob er die Ewig-
„keit der Hoͤllenſtrafen glaube?‟ Sebaldus ant-
wortete ganz gelaſſen: „Er glaube nicht, daß es
„Menſchen gezieme, der Guͤte Gottes Maaß und Ziel
„zu ſetzen.‟ „Sie ſehen, meine Herren, redete der aͤuſ-
„ſerſt aufgebrachte Superintendent die anweſende an,
„daß dieſer gottloſe Mann in den Grundlehren des
„Glaubens irrig iſt, und ſchaͤndliche grundſtuͤrzende
„Jrrthuͤmer behauptet, ich trage alſo darauf an, daß
„er unverzuͤglich ſeines Amtes entſetzt werde, damit
„er die Seelen der ihm anvertrauten Heerde nicht fer-
„ner in Gefahr bringe.‟ Der Praͤſident antwortete
hierauf mit ſanftmuͤthiger Mine: „Es iſt zwar wahr,
„daß Ehrn Nothanker ſich eine ſchwere Verſchul-
„dung hat zur Laſt kommen laſſen, doch erfordert die
„chriſtliche Liebe, daß man in einer ſo wichtigen Sache,
„als die Abſetzung vom Amte iſt, ſich nicht uͤbereilen
„muͤſſe. Daher iſt meine Meynung, daß dem Fiscal
„aufgetragen werde, eine in gehoͤriger Form abgefaßte
„Klage
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/60>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.