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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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prophetischen Schriften gewidmet. Jeder Mensch
hat sein Steckenpferd, und Sebaldus hatte die Apo-
calypse dazu erwählet, welches er auch, seine ganze
Lebenszeit durch, vom Montage bis zum Freytage
fleißig ritt. Nur der Sonnabend, wenn er sich zu
seiner Predigt vorbereitete, und der Sonntag, wenn
er sie hielt, war moralischen Betrachtungen gewidmet.
Denn so sehr er auch die Prophezeyungen der Unter-
suchung eines scharfsinnigen Kopfes würdig hielt, so
wenig glaubte er, würden seine Bauern davon ver-
stehen oder nützen können, und es war sein unwider-
ruflicher Willen, seinen Bauren nichts zu predigen,
als was ihnen sowohl verständlich, als nützlich
wäre.

Er hatte mit vielen seiner wohlehrwürdigen Amts-
brüder, denen er sonst in so vielen Stücken unähn-
lich war, dennoch eine besondere Aehnlichkeit. Man
solte kaum glauben, daß viele Landprediger, die den
Sontag mit lauter Stimme das Gesetz predigen, und
die Ungläubigen und Ketzer, mit starken Ausrufun-
gen und Citationen aus dem Grundterte, so sein
zusammenzutreiben wissen, eben die Männer wären,
die man die ganze Woche über, als dickstämmige
Pächter, wilde Pferdebändiger, drolligte Trinkge-
sellschafter, und vorsichtige Wucherer gesehen hat.

Eben
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prophetiſchen Schriften gewidmet. Jeder Menſch
hat ſein Steckenpferd, und Sebaldus hatte die Apo-
calypſe dazu erwaͤhlet, welches er auch, ſeine ganze
Lebenszeit durch, vom Montage bis zum Freytage
fleißig ritt. Nur der Sonnabend, wenn er ſich zu
ſeiner Predigt vorbereitete, und der Sonntag, wenn
er ſie hielt, war moraliſchen Betrachtungen gewidmet.
Denn ſo ſehr er auch die Prophezeyungen der Unter-
ſuchung eines ſcharfſinnigen Kopfes wuͤrdig hielt, ſo
wenig glaubte er, wuͤrden ſeine Bauern davon ver-
ſtehen oder nuͤtzen koͤnnen, und es war ſein unwider-
ruflicher Willen, ſeinen Bauren nichts zu predigen,
als was ihnen ſowohl verſtaͤndlich, als nuͤtzlich
waͤre.

Er hatte mit vielen ſeiner wohlehrwuͤrdigen Amts-
bruͤder, denen er ſonſt in ſo vielen Stuͤcken unaͤhn-
lich war, dennoch eine beſondere Aehnlichkeit. Man
ſolte kaum glauben, daß viele Landprediger, die den
Sontag mit lauter Stimme das Geſetz predigen, und
die Unglaͤubigen und Ketzer, mit ſtarken Ausrufun-
gen und Citationen aus dem Grundterte, ſo ſein
zuſammenzutreiben wiſſen, eben die Maͤnner waͤren,
die man die ganze Woche uͤber, als dickſtaͤmmige
Paͤchter, wilde Pferdebaͤndiger, drolligte Trinkge-
ſellſchafter, und vorſichtige Wucherer geſehen hat.

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[7/0027] prophetiſchen Schriften gewidmet. Jeder Menſch hat ſein Steckenpferd, und Sebaldus hatte die Apo- calypſe dazu erwaͤhlet, welches er auch, ſeine ganze Lebenszeit durch, vom Montage bis zum Freytage fleißig ritt. Nur der Sonnabend, wenn er ſich zu ſeiner Predigt vorbereitete, und der Sonntag, wenn er ſie hielt, war moraliſchen Betrachtungen gewidmet. Denn ſo ſehr er auch die Prophezeyungen der Unter- ſuchung eines ſcharfſinnigen Kopfes wuͤrdig hielt, ſo wenig glaubte er, wuͤrden ſeine Bauern davon ver- ſtehen oder nuͤtzen koͤnnen, und es war ſein unwider- ruflicher Willen, ſeinen Bauren nichts zu predigen, als was ihnen ſowohl verſtaͤndlich, als nuͤtzlich waͤre. Er hatte mit vielen ſeiner wohlehrwuͤrdigen Amts- bruͤder, denen er ſonſt in ſo vielen Stuͤcken unaͤhn- lich war, dennoch eine beſondere Aehnlichkeit. Man ſolte kaum glauben, daß viele Landprediger, die den Sontag mit lauter Stimme das Geſetz predigen, und die Unglaͤubigen und Ketzer, mit ſtarken Ausrufun- gen und Citationen aus dem Grundterte, ſo ſein zuſammenzutreiben wiſſen, eben die Maͤnner waͤren, die man die ganze Woche uͤber, als dickſtaͤmmige Paͤchter, wilde Pferdebaͤndiger, drolligte Trinkge- ſellſchafter, und vorſichtige Wucherer geſehen hat. Eben A 4

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/27>, abgerufen am 22.11.2024.