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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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Der Major nahm es an, und überreichte es dem
Sebaldus, der während der ganzen Unterhandlung,
ob er gleich einigemahl zu reden versucht hatte, von
dem Major nie war zum Worte gelassen worden.
"Dies soll, sagte er, eine kleine Ersetzung des Scha-
"dens seyn, den der Kerl ihm zugefügt hat."

"Herr Major, sagte Sebaldus, Sie haben mir
"den jungen Menschen geschenkt. Schenken Sie mir
"ihn ganz, nehmlich mit der Freiheit ihn wieder zu
"verschenken. Er hat Schutz in meiner Wohnstäte
"gesucht, diesen Schutz kan ich ihm nicht verkaufen,
"ohne geradezu wider meine Denkungsart zu handeln.
"Was mir dieser Herr kann zuwider gethan haben, habe
"ich ihm längst vergeben. Er hat gesucht für die Rei-
"nigkeit der Lehre zu wachen, ich muß noch weit mehr
"bemüht seyn für die Reinigkeit meiner Handlungen zu
"sorgen. Hier, Herr Generalsuperintendent, neh-
"men sie das Geld zurück.

Stauzius stand da, wie ein Knabe, dem ein
Gast einen Leckerbissen in den Mund stecken will; der
Mund läuft voll Wasser, aber er trauet sich nicht ihn
aufzuthun, aus Furcht vor dem Präceptor, der es
verboten hat. Er sahe den Major mit furchtsamen
Augen an, der ihn mit einem grimmigen Blicke ab-
schreckte.

Sebal-


Der Major nahm es an, und uͤberreichte es dem
Sebaldus, der waͤhrend der ganzen Unterhandlung,
ob er gleich einigemahl zu reden verſucht hatte, von
dem Major nie war zum Worte gelaſſen worden.
„Dies ſoll, ſagte er, eine kleine Erſetzung des Scha-
„dens ſeyn, den der Kerl ihm zugefuͤgt hat.‟

„Herr Major, ſagte Sebaldus, Sie haben mir
„den jungen Menſchen geſchenkt. Schenken Sie mir
„ihn ganz, nehmlich mit der Freiheit ihn wieder zu
„verſchenken. Er hat Schutz in meiner Wohnſtaͤte
„geſucht, dieſen Schutz kan ich ihm nicht verkaufen,
„ohne geradezu wider meine Denkungsart zu handeln.
„Was mir dieſer Herr kann zuwider gethan haben, habe
„ich ihm laͤngſt vergeben. Er hat geſucht fuͤr die Rei-
„nigkeit der Lehre zu wachen, ich muß noch weit mehr
„bemuͤht ſeyn fuͤr die Reinigkeit meiner Handlungen zu
„ſorgen. Hier, Herr Generalſuperintendent, neh-
„men ſie das Geld zuruͤck.

Stauzius ſtand da, wie ein Knabe, dem ein
Gaſt einen Leckerbiſſen in den Mund ſtecken will; der
Mund laͤuft voll Waſſer, aber er trauet ſich nicht ihn
aufzuthun, aus Furcht vor dem Praͤceptor, der es
verboten hat. Er ſahe den Major mit furchtſamen
Augen an, der ihn mit einem grimmigen Blicke ab-
ſchreckte.

Sebal-
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[152/0178] Der Major nahm es an, und uͤberreichte es dem Sebaldus, der waͤhrend der ganzen Unterhandlung, ob er gleich einigemahl zu reden verſucht hatte, von dem Major nie war zum Worte gelaſſen worden. „Dies ſoll, ſagte er, eine kleine Erſetzung des Scha- „dens ſeyn, den der Kerl ihm zugefuͤgt hat.‟ „Herr Major, ſagte Sebaldus, Sie haben mir „den jungen Menſchen geſchenkt. Schenken Sie mir „ihn ganz, nehmlich mit der Freiheit ihn wieder zu „verſchenken. Er hat Schutz in meiner Wohnſtaͤte „geſucht, dieſen Schutz kan ich ihm nicht verkaufen, „ohne geradezu wider meine Denkungsart zu handeln. „Was mir dieſer Herr kann zuwider gethan haben, habe „ich ihm laͤngſt vergeben. Er hat geſucht fuͤr die Rei- „nigkeit der Lehre zu wachen, ich muß noch weit mehr „bemuͤht ſeyn fuͤr die Reinigkeit meiner Handlungen zu „ſorgen. Hier, Herr Generalſuperintendent, neh- „men ſie das Geld zuruͤck. Stauzius ſtand da, wie ein Knabe, dem ein Gaſt einen Leckerbiſſen in den Mund ſtecken will; der Mund laͤuft voll Waſſer, aber er trauet ſich nicht ihn aufzuthun, aus Furcht vor dem Praͤceptor, der es verboten hat. Er ſahe den Major mit furchtſamen Augen an, der ihn mit einem grimmigen Blicke ab- ſchreckte. Sebal-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/178>, abgerufen am 27.11.2024.