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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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auf welche Art die Bücher, die marktgängige Waare
sind, verfertigt werden, so werden sie finden, daß
sehr viele davon eigentlich noch ein schlechter Schick-
sal verdienten.

Seb. Wenn auch alles wahr wäre was Sie da
sagen, so wünschte ich doch, daß es nicht wahr wäre.

Hier. Jch auch nicht.

Seb. Und doch sagen Sie selbst, daß es Jhr
Vortheil erfodere, daß die Welt dumm bleibe.

Hier. Wenn ich als Kaufmann rede, so muß ich
freilich wißen, was eigentlich mein Vortheil ist; aber
ich liebe meinen Vortheil nicht so sehr, daß ich ihn
mit dem Schaden der ganzen Welt erkaufen wolte.
Jch liebe die Aufklärung des menschlichen Geschlechts,
sie fängt auch an, sich bey uns zu zeigen; allein sie ge-
het noch mit sehr langsamen Schritten fort. Jch
habe den Wirkungen derselben oft mit Vergnügen bis in
die Winkel nachgespürt, wohin keine gelehrte Nachricht
reicht. Jch merke seit einiger Zeit, daß in meiner
Vaterstadt, verschiedene schlechte Bücher, die ich
sonst oft verkauft habe, liegen bleiben, und freue
mich darüber.

Seb. Jch frage Sie aufs Gewissen, mein lieber
Freund, ist nicht ein wenig Selbstlob bey dieser
Großmuth, deren Sie sich rühmen?

Hier.
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auf welche Art die Buͤcher, die marktgaͤngige Waare
ſind, verfertigt werden, ſo werden ſie finden, daß
ſehr viele davon eigentlich noch ein ſchlechter Schick-
ſal verdienten.

Seb. Wenn auch alles wahr waͤre was Sie da
ſagen, ſo wuͤnſchte ich doch, daß es nicht wahr waͤre.

Hier. Jch auch nicht.

Seb. Und doch ſagen Sie ſelbſt, daß es Jhr
Vortheil erfodere, daß die Welt dumm bleibe.

Hier. Wenn ich als Kaufmann rede, ſo muß ich
freilich wißen, was eigentlich mein Vortheil iſt; aber
ich liebe meinen Vortheil nicht ſo ſehr, daß ich ihn
mit dem Schaden der ganzen Welt erkaufen wolte.
Jch liebe die Aufklaͤrung des menſchlichen Geſchlechts,
ſie faͤngt auch an, ſich bey uns zu zeigen; allein ſie ge-
het noch mit ſehr langſamen Schritten fort. Jch
habe den Wirkungen derſelben oft mit Vergnuͤgen bis in
die Winkel nachgeſpuͤrt, wohin keine gelehrte Nachricht
reicht. Jch merke ſeit einiger Zeit, daß in meiner
Vaterſtadt, verſchiedene ſchlechte Buͤcher, die ich
ſonſt oft verkauft habe, liegen bleiben, und freue
mich daruͤber.

Seb. Jch frage Sie aufs Gewiſſen, mein lieber
Freund, iſt nicht ein wenig Selbſtlob bey dieſer
Großmuth, deren Sie ſich ruͤhmen?

Hier.
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[119/0143] auf welche Art die Buͤcher, die marktgaͤngige Waare ſind, verfertigt werden, ſo werden ſie finden, daß ſehr viele davon eigentlich noch ein ſchlechter Schick- ſal verdienten. Seb. Wenn auch alles wahr waͤre was Sie da ſagen, ſo wuͤnſchte ich doch, daß es nicht wahr waͤre. Hier. Jch auch nicht. Seb. Und doch ſagen Sie ſelbſt, daß es Jhr Vortheil erfodere, daß die Welt dumm bleibe. Hier. Wenn ich als Kaufmann rede, ſo muß ich freilich wißen, was eigentlich mein Vortheil iſt; aber ich liebe meinen Vortheil nicht ſo ſehr, daß ich ihn mit dem Schaden der ganzen Welt erkaufen wolte. Jch liebe die Aufklaͤrung des menſchlichen Geſchlechts, ſie faͤngt auch an, ſich bey uns zu zeigen; allein ſie ge- het noch mit ſehr langſamen Schritten fort. Jch habe den Wirkungen derſelben oft mit Vergnuͤgen bis in die Winkel nachgeſpuͤrt, wohin keine gelehrte Nachricht reicht. Jch merke ſeit einiger Zeit, daß in meiner Vaterſtadt, verſchiedene ſchlechte Buͤcher, die ich ſonſt oft verkauft habe, liegen bleiben, und freue mich daruͤber. Seb. Jch frage Sie aufs Gewiſſen, mein lieber Freund, iſt nicht ein wenig Selbſtlob bey dieſer Großmuth, deren Sie ſich ruͤhmen? Hier. H 4

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/143>, abgerufen am 24.11.2024.