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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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unter allen neuen noch unübersetzten Büchern von drey
Alphabeten dasjenige aus, dessen Titel ihm am besten
gefällt. Hat er einen Uebersetzer gefunden (welches
eben nicht schwer ist), der noch drey Alphabete bis zur
nächsten Messe zu übersetzen Zeit hat, so handeln sie
über den armen Franzosen oder Engländer, wie zween
Schlächter über einen Ochsen oder Hammel, nach
dem Ansehen, oder auch nach dem Gewichte. Wer
am theuresten verkauft, oder am wohlfeilsten einge-
kauft hat, glaubt, er habe den besten Handel gemacht.
Nun schleppt der Uebersetzer das Schlachtopfer nach
Hause, und tödtet es entweder selbst, oder läst es
durch den zweyten oder dritten Mann tödten.

Seb. Durch den zweyten oder dritten Mann?
Wie ist das zu verstehen?

Mag. Dis ist eben das fabrikenmäßige beym Ue-
bersetzen. Sie müssen wissen, daß es berühmte Leute
giebt, die die Uebersetzungen im Großen entrepreni-
ren, wie ein irrländischer Lieferant das Pöckelfleisch
für ein spanisches Geschwader, und sie hernach wieder an
ihre Unterübersetzer austheilen. Diese Leute haben
von allen neuen übersetzbaren Büchern in Frankreich,
Jtalien und England die erste Nachricht, wie ein
Mäckler in Amsterdam Nachricht von Ankunft der
ostindischen Schiffe im Texel hat. An diese wenden

sich
G 3



unter allen neuen noch unuͤberſetzten Buͤchern von drey
Alphabeten dasjenige aus, deſſen Titel ihm am beſten
gefaͤllt. Hat er einen Ueberſetzer gefunden (welches
eben nicht ſchwer iſt), der noch drey Alphabete bis zur
naͤchſten Meſſe zu uͤberſetzen Zeit hat, ſo handeln ſie
uͤber den armen Franzoſen oder Englaͤnder, wie zween
Schlaͤchter uͤber einen Ochſen oder Hammel, nach
dem Anſehen, oder auch nach dem Gewichte. Wer
am theureſten verkauft, oder am wohlfeilſten einge-
kauft hat, glaubt, er habe den beſten Handel gemacht.
Nun ſchleppt der Ueberſetzer das Schlachtopfer nach
Hauſe, und toͤdtet es entweder ſelbſt, oder laͤſt es
durch den zweyten oder dritten Mann toͤdten.

Seb. Durch den zweyten oder dritten Mann?
Wie iſt das zu verſtehen?

Mag. Dis iſt eben das fabrikenmaͤßige beym Ue-
berſetzen. Sie muͤſſen wiſſen, daß es beruͤhmte Leute
giebt, die die Ueberſetzungen im Großen entrepreni-
ren, wie ein irrlaͤndiſcher Lieferant das Poͤckelfleiſch
fuͤr ein ſpaniſches Geſchwader, und ſie hernach wieder an
ihre Unteruͤberſetzer austheilen. Dieſe Leute haben
von allen neuen uͤberſetzbaren Buͤchern in Frankreich,
Jtalien und England die erſte Nachricht, wie ein
Maͤckler in Amſterdam Nachricht von Ankunft der
oſtindiſchen Schiffe im Texel hat. An dieſe wenden

ſich
G 3
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[101/0125] unter allen neuen noch unuͤberſetzten Buͤchern von drey Alphabeten dasjenige aus, deſſen Titel ihm am beſten gefaͤllt. Hat er einen Ueberſetzer gefunden (welches eben nicht ſchwer iſt), der noch drey Alphabete bis zur naͤchſten Meſſe zu uͤberſetzen Zeit hat, ſo handeln ſie uͤber den armen Franzoſen oder Englaͤnder, wie zween Schlaͤchter uͤber einen Ochſen oder Hammel, nach dem Anſehen, oder auch nach dem Gewichte. Wer am theureſten verkauft, oder am wohlfeilſten einge- kauft hat, glaubt, er habe den beſten Handel gemacht. Nun ſchleppt der Ueberſetzer das Schlachtopfer nach Hauſe, und toͤdtet es entweder ſelbſt, oder laͤſt es durch den zweyten oder dritten Mann toͤdten. Seb. Durch den zweyten oder dritten Mann? Wie iſt das zu verſtehen? Mag. Dis iſt eben das fabrikenmaͤßige beym Ue- berſetzen. Sie muͤſſen wiſſen, daß es beruͤhmte Leute giebt, die die Ueberſetzungen im Großen entrepreni- ren, wie ein irrlaͤndiſcher Lieferant das Poͤckelfleiſch fuͤr ein ſpaniſches Geſchwader, und ſie hernach wieder an ihre Unteruͤberſetzer austheilen. Dieſe Leute haben von allen neuen uͤberſetzbaren Buͤchern in Frankreich, Jtalien und England die erſte Nachricht, wie ein Maͤckler in Amſterdam Nachricht von Ankunft der oſtindiſchen Schiffe im Texel hat. An dieſe wenden ſich G 3

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/125>, abgerufen am 29.11.2024.