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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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Seb. Aber wenn man nicht wirklich sehr berühmt
ist, so gehört viel Charletanerie dazu, so eine vor-
nehme Mine zu affectiren.

Mag. Ja! wenn Sie ihren Namen selbst nicht
für berühmt halten, so sind sie auf gutem Wege, ihn
nie berühmt zu machen. Jch merke wohl Sie wollen
incognito arbeiten; damit ist Jhnen auch zu dienen.
Da ist mehr als ein Verleger, der seinen Autoren auf-
trägt was er zu brauchen denkt: Geschichte, Ro-
manen, Mordgeschichte, zuverläßige Nach-
richten,
von Dingen die man nicht gesehen hat, Be-
weise,
von Dingen die man nicht glaubt, Gedanken,
von Sachen die man nicht versteht. Jch kenne einen
der in seinem Hause an einem langen Tische zehn bis
zwölf Autoren sitzen hat, und jedem sein Pensum fürs
Tagelohn abzuarbeiten gibt. Jch läugne es nicht --
denn warum solte ich Armuth für Schande halten --
ich habe auch an diesem langen Tische gesessen. Aber
ich merkte bald, daß ich zu diesem Gewerbe nichts
taugte, denn ich kann zwar ohne Gedanken eine Cor-
rectur lesen, aber nicht ohne Gedanken Bücher schrei-
ben, und bey solchen Büchern ist immer der am an-
genehmsten, der nur am geschwindesten schreibt, wenn
er auch gleich am schlechtesten schreiben solte.

Seb.


Seb. Aber wenn man nicht wirklich ſehr beruͤhmt
iſt, ſo gehoͤrt viel Charletanerie dazu, ſo eine vor-
nehme Mine zu affectiren.

Mag. Ja! wenn Sie ihren Namen ſelbſt nicht
fuͤr beruͤhmt halten, ſo ſind ſie auf gutem Wege, ihn
nie beruͤhmt zu machen. Jch merke wohl Sie wollen
incognito arbeiten; damit iſt Jhnen auch zu dienen.
Da iſt mehr als ein Verleger, der ſeinen Autoren auf-
traͤgt was er zu brauchen denkt: Geſchichte, Ro-
manen, Mordgeſchichte, zuverlaͤßige Nach-
richten,
von Dingen die man nicht geſehen hat, Be-
weiſe,
von Dingen die man nicht glaubt, Gedanken,
von Sachen die man nicht verſteht. Jch kenne einen
der in ſeinem Hauſe an einem langen Tiſche zehn bis
zwoͤlf Autoren ſitzen hat, und jedem ſein Penſum fuͤrs
Tagelohn abzuarbeiten gibt. Jch laͤugne es nicht —
denn warum ſolte ich Armuth fuͤr Schande halten —
ich habe auch an dieſem langen Tiſche geſeſſen. Aber
ich merkte bald, daß ich zu dieſem Gewerbe nichts
taugte, denn ich kann zwar ohne Gedanken eine Cor-
rectur leſen, aber nicht ohne Gedanken Buͤcher ſchrei-
ben, und bey ſolchen Buͤchern iſt immer der am an-
genehmſten, der nur am geſchwindeſten ſchreibt, wenn
er auch gleich am ſchlechteſten ſchreiben ſolte.

Seb.
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[96/0120] Seb. Aber wenn man nicht wirklich ſehr beruͤhmt iſt, ſo gehoͤrt viel Charletanerie dazu, ſo eine vor- nehme Mine zu affectiren. Mag. Ja! wenn Sie ihren Namen ſelbſt nicht fuͤr beruͤhmt halten, ſo ſind ſie auf gutem Wege, ihn nie beruͤhmt zu machen. Jch merke wohl Sie wollen incognito arbeiten; damit iſt Jhnen auch zu dienen. Da iſt mehr als ein Verleger, der ſeinen Autoren auf- traͤgt was er zu brauchen denkt: Geſchichte, Ro- manen, Mordgeſchichte, zuverlaͤßige Nach- richten, von Dingen die man nicht geſehen hat, Be- weiſe, von Dingen die man nicht glaubt, Gedanken, von Sachen die man nicht verſteht. Jch kenne einen der in ſeinem Hauſe an einem langen Tiſche zehn bis zwoͤlf Autoren ſitzen hat, und jedem ſein Penſum fuͤrs Tagelohn abzuarbeiten gibt. Jch laͤugne es nicht — denn warum ſolte ich Armuth fuͤr Schande halten — ich habe auch an dieſem langen Tiſche geſeſſen. Aber ich merkte bald, daß ich zu dieſem Gewerbe nichts taugte, denn ich kann zwar ohne Gedanken eine Cor- rectur leſen, aber nicht ohne Gedanken Buͤcher ſchrei- ben, und bey ſolchen Buͤchern iſt immer der am an- genehmſten, der nur am geſchwindeſten ſchreibt, wenn er auch gleich am ſchlechteſten ſchreiben ſolte. Seb.

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/120>, abgerufen am 28.11.2024.