Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666.

Bild:
<< vorherige Seite

Erbschafft seines reich-verstorbenen Bruders so
keine Kinder hinterlassen/ zukehme.

Sein Sohn Tyrrheus als er zu Cuma in einer
Balbierstube saß/ ist von einem künstlichen Ertz-
giesser mit einem Wurffbeil ertödtet. Als nun die
Cumeer den gebundenen Mörder zu dem Pittacus
sandten/ hat er ihn der Straffe entlediget/ sagen-
de: Es sey besser Verzeihen/ als Bereuen.

Er hat ein Gesetz gegeben/ daß/ wo jemand in
trunkenem Muhte sündigte/ er duppelte Straffe
leiden solte/ üm sich desto besser vor der Völlerey
zu hüten. Er sagete/ daß einem verständigen Man-
ne zustehe/ sich vor einem Unglük/ ehe es ihm auf
den Hals komme/ vorzusehen: Einem tapferen Ge-
mühte aber/ wenn ja die Widerwertigkeit herein
dreche/ solche mit stand festem Hertzen zu erdulden.
Er ist über 70. Jahr alt gewesen/ und als Aristo-
menes der Gerechte zu Athen regierte/ in der Jn-
sel Lesbus alt und Lebens satt gestorben. Seine
fürnembste Sprichwörter sind diese:



III.
Si quam tulisti legem, ne violes cave.
Hastu etwas untersagt/ oder ein Gesetz gege-
ben/

So befleissige dich erst/ daß du mögest darnach
leben.
IV.
Fortuna amicitias adversa examinat.
Wenn die Wiederwertigkeit deines Glükkes sich
lest sehen/

Wirstu sehen was für Freund' in der Trübsal bey
dir stehen.
V. In-
p vij

Erbſchafft ſeines reich-verſtorbenen Bruders ſo
keine Kinder hinterlaſſen/ zukehme.

Sein Sohn Tyrꝛheus als er zu Cuma in einer
Balbierſtube ſaß/ iſt von einem kuͤnſtlichen Ertz-
gieſſer mit einem Wurffbeil ertoͤdtet. Als nun die
Cumeer den gebundenen Moͤrder zu dem Pittacus
ſandten/ hat er ihn der Straffe entlediget/ ſagen-
de: Es ſey beſſer Verzeihen/ als Bereuen.

Er hat ein Geſetz gegeben/ daß/ wo jemand in
trunkenem Muhte ſuͤndigte/ er duppelte Straffe
leiden ſolte/ uͤm ſich deſto beſſer vor der Voͤllerey
zu huͤten. Er ſagete/ daß einem verſtaͤndigen Man-
ne zuſtehe/ ſich vor einem Ungluͤk/ ehe es ihm auf
den Hals komme/ vorzuſehen: Einem tapferen Ge-
muͤhte aber/ wenn ja die Widerwertigkeit herein
dreche/ ſolche mit ſtand feſtem Hertzen zu erdulden.
Er iſt uͤber 70. Jahr alt geweſen/ und als Ariſto-
menes der Gerechte zu Athen regierte/ in der Jn-
ſel Lesbus alt und Lebens ſatt geſtorben. Seine
fuͤrnembſte Sprichwoͤrter ſind dieſe:



III.
Sï quam tuliſti legem, ne violes cave.
Haſtu etwas unterſagt/ oder ein Geſetz gege-
ben/

So befleiſſige dich erſt/ daß du moͤgeſt darnach
leben.
IV.
Fortuna amicitias adverſa examinat.
Wenn die Wiederwertigkeit deines Gluͤkkes ſich
leſt ſehen/

Wirſtu ſehen was fuͤr Freund’ in der Truͤbſal bey
dir ſtehen.
V. In-
p vij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0435" n="349"/>
          <p>Erb&#x017F;chafft &#x017F;eines reich-ver&#x017F;torbenen Bruders &#x017F;o<lb/>
keine Kinder hinterla&#x017F;&#x017F;en/ zukehme.</p><lb/>
          <p>Sein Sohn Tyr&#xA75B;heus als er zu Cuma in einer<lb/>
Balbier&#x017F;tube &#x017F;aß/ i&#x017F;t von einem ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Ertz-<lb/>
gie&#x017F;&#x017F;er mit einem Wurffbeil erto&#x0364;dtet. Als nun die<lb/>
Cumeer den gebundenen Mo&#x0364;rder zu dem Pittacus<lb/>
&#x017F;andten/ hat er ihn der Straffe entlediget/ &#x017F;agen-<lb/>
de: Es &#x017F;ey be&#x017F;&#x017F;er Verzeihen/ als Bereuen.</p><lb/>
          <p>Er hat ein Ge&#x017F;etz gegeben/ daß/ wo jemand in<lb/>
trunkenem Muhte &#x017F;u&#x0364;ndigte/ er duppelte Straffe<lb/>
leiden &#x017F;olte/ u&#x0364;m &#x017F;ich de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er vor der Vo&#x0364;llerey<lb/>
zu hu&#x0364;ten. Er &#x017F;agete/ daß einem ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen Man-<lb/>
ne zu&#x017F;tehe/ &#x017F;ich vor einem Unglu&#x0364;k/ ehe es ihm auf<lb/>
den Hals komme/ vorzu&#x017F;ehen: Einem tapferen Ge-<lb/>
mu&#x0364;hte aber/ wenn ja die Widerwertigkeit herein<lb/>
dreche/ &#x017F;olche mit &#x017F;tand fe&#x017F;tem Hertzen zu erdulden.<lb/>
Er i&#x017F;t u&#x0364;ber 70. Jahr alt gewe&#x017F;en/ und als Ari&#x017F;to-<lb/>
menes der Gerechte zu Athen regierte/ in der Jn-<lb/>
&#x017F;el Lesbus alt und Lebens &#x017F;att ge&#x017F;torben. Seine<lb/>
fu&#x0364;rnemb&#x017F;te Sprichwo&#x0364;rter &#x017F;ind die&#x017F;e:</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#aq">III.</hi> </head><lb/>
            <lg>
              <l> <hi rendition="#aq">Sï quam tuli&#x017F;ti legem, ne violes cave.</hi> </l><lb/>
              <l>Ha&#x017F;tu etwas unter&#x017F;agt/ oder ein Ge&#x017F;etz gege-<lb/><hi rendition="#et">ben/</hi></l><lb/>
              <l>So beflei&#x017F;&#x017F;ige dich er&#x017F;t/ daß du mo&#x0364;ge&#x017F;t darnach<lb/><hi rendition="#et">leben.</hi></l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#aq">IV.</hi> </head><lb/>
            <lg>
              <l> <hi rendition="#aq">Fortuna amicitias adver&#x017F;a examinat.</hi> </l><lb/>
              <l>Wenn die Wiederwertigkeit deines Glu&#x0364;kkes &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">le&#x017F;t &#x017F;ehen/</hi></l><lb/>
              <l>Wir&#x017F;tu &#x017F;ehen was fu&#x0364;r Freund&#x2019; in der Tru&#x0364;b&#x017F;al bey<lb/><hi rendition="#et">dir &#x017F;tehen.</hi></l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">p vij</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">V. In-</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349/0435] Erbſchafft ſeines reich-verſtorbenen Bruders ſo keine Kinder hinterlaſſen/ zukehme. Sein Sohn Tyrꝛheus als er zu Cuma in einer Balbierſtube ſaß/ iſt von einem kuͤnſtlichen Ertz- gieſſer mit einem Wurffbeil ertoͤdtet. Als nun die Cumeer den gebundenen Moͤrder zu dem Pittacus ſandten/ hat er ihn der Straffe entlediget/ ſagen- de: Es ſey beſſer Verzeihen/ als Bereuen. Er hat ein Geſetz gegeben/ daß/ wo jemand in trunkenem Muhte ſuͤndigte/ er duppelte Straffe leiden ſolte/ uͤm ſich deſto beſſer vor der Voͤllerey zu huͤten. Er ſagete/ daß einem verſtaͤndigen Man- ne zuſtehe/ ſich vor einem Ungluͤk/ ehe es ihm auf den Hals komme/ vorzuſehen: Einem tapferen Ge- muͤhte aber/ wenn ja die Widerwertigkeit herein dreche/ ſolche mit ſtand feſtem Hertzen zu erdulden. Er iſt uͤber 70. Jahr alt geweſen/ und als Ariſto- menes der Gerechte zu Athen regierte/ in der Jn- ſel Lesbus alt und Lebens ſatt geſtorben. Seine fuͤrnembſte Sprichwoͤrter ſind dieſe: III. Sï quam tuliſti legem, ne violes cave. Haſtu etwas unterſagt/ oder ein Geſetz gege- ben/ So befleiſſige dich erſt/ daß du moͤgeſt darnach leben. IV. Fortuna amicitias adverſa examinat. Wenn die Wiederwertigkeit deines Gluͤkkes ſich leſt ſehen/ Wirſtu ſehen was fuͤr Freund’ in der Truͤbſal bey dir ſtehen. V. In- p vij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustgarten_1666
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustgarten_1666/435
Zitationshilfe: Neumark, Georg: Poetisch-Historischer Lustgarten. Frankfurt (Main), 1666, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neumark_lustgarten_1666/435>, abgerufen am 02.06.2024.