Das Alles wußten wir; aber es ward nur erst in dem Augenblick, als es zu spät war, gehörig beherzigt.
Rasch und besonnen hingegen benutzte der Feind auf der Stelle seine erlangten Vortheile; gieng in das Siederland vor; setzte sich hinter das Gradierwerk und zeigte sich selbst vor dem Galgenberge. Rechtshin aber griff er zugleich unsre Schanze auf dem Strickerberge, hart an dem Damme vor dem Gelder-Thore gelegen, mit solchem Nachdruck an und ward dabei durch sein Flankenfeuer von der Altstadt her so gut unter- stützt, daß das Feuer aller unsrer Batterieen, wie heftig es auch unterhalten wurde, dagegen kaum ausreichte. Abends gegen 6 Uhr mußten die Gre- nadiere, welche bis dahin die Schanze mit Ent- schlossenheit vertheidigt hatten, sich durch eine Ab- theilung Freiwilliger des Schillschen Corps ablö- sen lassen; und Diesen glückte es, sich darinn noch 48 Stunden zu behaupten, -- ja noch gleich in der nächsten Nacht eine neue Schanze, nächst dem weissen Kruge, (dem letzten Hause der Gel- der-Vorstadt) aufzuwerfen, wodurch der Damm noch besser bestrichen und die Feinde an der An- näherung verhindert wurden.
Allerdings stand nun die genannte Vorstadt in naher und dringender Gefahr, überwältigt und dann der Festung sehr nachtheilig zu werden. Lou- cadou war darum auch sogleich mit dem Befehl zum Abbrennen bereit. Diesmal aber fand seine
Das Alles wußten wir; aber es ward nur erſt in dem Augenblick, als es zu ſpaͤt war, gehoͤrig beherzigt.
Raſch und beſonnen hingegen benutzte der Feind auf der Stelle ſeine erlangten Vortheile; gieng in das Siederland vor; ſetzte ſich hinter das Gradierwerk und zeigte ſich ſelbſt vor dem Galgenberge. Rechtshin aber griff er zugleich unſre Schanze auf dem Strickerberge, hart an dem Damme vor dem Gelder-Thore gelegen, mit ſolchem Nachdruck an und ward dabei durch ſein Flankenfeuer von der Altſtadt her ſo gut unter- ſtuͤtzt, daß das Feuer aller unſrer Batterieen, wie heftig es auch unterhalten wurde, dagegen kaum ausreichte. Abends gegen 6 Uhr mußten die Gre- nadiere, welche bis dahin die Schanze mit Ent- ſchloſſenheit vertheidigt hatten, ſich durch eine Ab- theilung Freiwilliger des Schillſchen Corps abloͤ- ſen laſſen; und Dieſen gluͤckte es, ſich darinn noch 48 Stunden zu behaupten, — ja noch gleich in der naͤchſten Nacht eine neue Schanze, naͤchſt dem weiſſen Kruge, (dem letzten Hauſe der Gel- der-Vorſtadt) aufzuwerfen, wodurch der Damm noch beſſer beſtrichen und die Feinde an der An- naͤherung verhindert wurden.
Allerdings ſtand nun die genannte Vorſtadt in naher und dringender Gefahr, uͤberwaͤltigt und dann der Feſtung ſehr nachtheilig zu werden. Lou- cadou war darum auch ſogleich mit dem Befehl zum Abbrennen bereit. Diesmal aber fand ſeine
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Das Alles wußten wir; aber es ward nur erſt
in dem Augenblick, als es zu ſpaͤt war, gehoͤrig
beherzigt.
Raſch und beſonnen hingegen benutzte der
Feind auf der Stelle ſeine erlangten Vortheile;
gieng in das Siederland vor; ſetzte ſich hinter
das Gradierwerk und zeigte ſich ſelbſt vor dem
Galgenberge. Rechtshin aber griff er zugleich
unſre Schanze auf dem Strickerberge, hart an
dem Damme vor dem Gelder-Thore gelegen, mit
ſolchem Nachdruck an und ward dabei durch ſein
Flankenfeuer von der Altſtadt her ſo gut unter-
ſtuͤtzt, daß das Feuer aller unſrer Batterieen, wie
heftig es auch unterhalten wurde, dagegen kaum
ausreichte. Abends gegen 6 Uhr mußten die Gre-
nadiere, welche bis dahin die Schanze mit Ent-
ſchloſſenheit vertheidigt hatten, ſich durch eine Ab-
theilung Freiwilliger des Schillſchen Corps abloͤ-
ſen laſſen; und Dieſen gluͤckte es, ſich darinn
noch 48 Stunden zu behaupten, — ja noch gleich
in der naͤchſten Nacht eine neue Schanze, naͤchſt
dem weiſſen Kruge, (dem letzten Hauſe der Gel-
der-Vorſtadt) aufzuwerfen, wodurch der Damm
noch beſſer beſtrichen und die Feinde an der An-
naͤherung verhindert wurden.
Allerdings ſtand nun die genannte Vorſtadt
in naher und dringender Gefahr, uͤberwaͤltigt und
dann der Feſtung ſehr nachtheilig zu werden. Lou-
cadou war darum auch ſogleich mit dem Befehl
zum Abbrennen bereit. Diesmal aber fand ſeine
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/94>, abgerufen am 16.02.2025.
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