gern mit allen zehn Fingern in's Gesicht gefah- ren, wenn ich es nicht fein säuberlich beim Kra- gen genommen und an und zur Stubenthüre hinausgeschuppt hätte, wie recht und billig war. Darüber gerieth aber wiederum der Herr Com- mandant in Hitze. Er griff nach dem Degen und würde ihn ohne Zweifel gegen mich gezogen ha- ben, wäre ihm nicht mein Begleiter in den Arm gefallen und hätte ihm zugerufen: "Beruhigen Sie sich! Nettelbeck hat recht gethan." -- Er kam zur Besinnung: aber mit dem Vorschlage zur' Ueberschwemmung blieb es, wie es war. Da- gegen geschahen einige Kanonenschüsse aus der Festung -- die ersten, welche gegen den Feind gelöset wurden, und mit welchen also auch die Geschichte der Belagerung anheben mag.
An dem nemlichen Tage (den 14. Merz) hatten die Franzosen schon früh das Dörfchen Bullenwinkel -- ich weiß nicht, ob aus Frevel- muth, oder um irgend einen militairischen Zweck dadurch zu erreichen -- im Rauche aufgehen las- sen. War es nun, daß unser Commandant ih- nen in dieser Kunst nicht nachstehen wollte, oder daß er wirklich für ein Eindringen und Festsetzen derselben in der Lauenburger Vorstadt besorgt war (was wenigstens solange keine Noth hatte, als unsre Ziegelschanze am Damme sich noch hielt) -- genug, er beschloß, diese Vorstadt gänz- lich abzubrennen, welche gleichwohl in den frü- heren Belagerungen unversehrt hatte stehen blei-
gern mit allen zehn Fingern in’s Geſicht gefah- ren, wenn ich es nicht fein ſaͤuberlich beim Kra- gen genommen und an und zur Stubenthuͤre hinausgeſchuppt haͤtte, wie recht und billig war. Daruͤber gerieth aber wiederum der Herr Com- mandant in Hitze. Er griff nach dem Degen und wuͤrde ihn ohne Zweifel gegen mich gezogen ha- ben, waͤre ihm nicht mein Begleiter in den Arm gefallen und haͤtte ihm zugerufen: „Beruhigen Sie ſich! Nettelbeck hat recht gethan.‟ — Er kam zur Beſinnung: aber mit dem Vorſchlage zur’ Ueberſchwemmung blieb es, wie es war. Da- gegen geſchahen einige Kanonenſchuͤſſe aus der Feſtung — die erſten, welche gegen den Feind geloͤſet wurden, und mit welchen alſo auch die Geſchichte der Belagerung anheben mag.
An dem nemlichen Tage (den 14. Merz) hatten die Franzoſen ſchon fruͤh das Doͤrfchen Bullenwinkel — ich weiß nicht, ob aus Frevel- muth, oder um irgend einen militairiſchen Zweck dadurch zu erreichen — im Rauche aufgehen laſ- ſen. War es nun, daß unſer Commandant ih- nen in dieſer Kunſt nicht nachſtehen wollte, oder daß er wirklich fuͤr ein Eindringen und Feſtſetzen derſelben in der Lauenburger Vorſtadt beſorgt war (was wenigſtens ſolange keine Noth hatte, als unſre Ziegelſchanze am Damme ſich noch hielt) — genug, er beſchloß, dieſe Vorſtadt gaͤnz- lich abzubrennen, welche gleichwohl in den fruͤ- heren Belagerungen unverſehrt hatte ſtehen blei-
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gern mit allen zehn Fingern in’s Geſicht gefah-
ren, wenn ich es nicht fein ſaͤuberlich beim Kra-
gen genommen und an und zur Stubenthuͤre
hinausgeſchuppt haͤtte, wie recht und billig war.
Daruͤber gerieth aber wiederum der Herr Com-
mandant in Hitze. Er griff nach dem Degen und
wuͤrde ihn ohne Zweifel gegen mich gezogen ha-
ben, waͤre ihm nicht mein Begleiter in den Arm
gefallen und haͤtte ihm zugerufen: „Beruhigen
Sie ſich! Nettelbeck hat recht gethan.‟ — Er
kam zur Beſinnung: aber mit dem Vorſchlage
zur’ Ueberſchwemmung blieb es, wie es war. Da-
gegen geſchahen einige Kanonenſchuͤſſe aus der
Feſtung — die erſten, welche gegen den Feind
geloͤſet wurden, und mit welchen alſo auch die
Geſchichte der Belagerung anheben mag.
An dem nemlichen Tage (den 14. Merz)
hatten die Franzoſen ſchon fruͤh das Doͤrfchen
Bullenwinkel — ich weiß nicht, ob aus Frevel-
muth, oder um irgend einen militairiſchen Zweck
dadurch zu erreichen — im Rauche aufgehen laſ-
ſen. War es nun, daß unſer Commandant ih-
nen in dieſer Kunſt nicht nachſtehen wollte, oder
daß er wirklich fuͤr ein Eindringen und Feſtſetzen
derſelben in der Lauenburger Vorſtadt beſorgt
war (was wenigſtens ſolange keine Noth hatte,
als unſre Ziegelſchanze am Damme ſich noch
hielt) — genug, er beſchloß, dieſe Vorſtadt gaͤnz-
lich abzubrennen, welche gleichwohl in den fruͤ-
heren Belagerungen unverſehrt hatte ſtehen blei-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/84>, abgerufen am 16.02.2025.
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