Nach sieben Jahren, als mir in Stettin der königliche Schiffsdienst so schnell verleidet worden, brachte meine zufällige Anwesenheit in Colberg und der Wunsch meiner damals noch lebenden Eltern mich zu dem Entschlusse, meinen Haus- halt von Königsberg, wo mir's eben auch nicht besser hatte glücken wollen, nach meiner Vater- stadt zu verlegen. *) Während ich noch damit umgieng, meldete mir ein alter Hausfreund, daß meine Frau, von welcher ich seit beinahe neun Monaten entfernt gelebt, glücklich eines Knäb- leins genesen; doch als sie, nach vollendeten Sechswochen, auf meinen Ruf mit Kind und Kegel in Colberg anlangte, präsentirte sie mir, neben jenem älteren Sohne, auch ein kleines Mädchen von zwei Monaten, als das unsrige. Man mag sich's denken, daß ich mir mächtig die Stirne rieb und ein wenig verdutzt in die Frage ausbrach: "Aber wie hat sich der Junge so auf Einmal in ein Mädchen verwandelt?" -- Da fiel die Sünderinn mir und meinen Eltern wei- nend zu Füßen, und bekannte, was sich nun länger nicht verheimlichen ließ: -- Daß der Haus- freund mir noch etwas mehr gewesen; daß er, um mich Entfernten zu täuschen, mir meines Weibes Niederkunft um einige Wochen früher, als sie wirklich erfolgt war, gemeldet und es nur in der Angabe des Geschlechts so arg versehen
*) Vergl. Bd. I. S. 246.
Nach ſieben Jahren, als mir in Stettin der koͤnigliche Schiffsdienſt ſo ſchnell verleidet worden, brachte meine zufaͤllige Anweſenheit in Colberg und der Wunſch meiner damals noch lebenden Eltern mich zu dem Entſchluſſe, meinen Haus- halt von Koͤnigsberg, wo mir’s eben auch nicht beſſer hatte gluͤcken wollen, nach meiner Vater- ſtadt zu verlegen. *) Waͤhrend ich noch damit umgieng, meldete mir ein alter Hausfreund, daß meine Frau, von welcher ich ſeit beinahe neun Monaten entfernt gelebt, gluͤcklich eines Knaͤb- leins geneſen; doch als ſie, nach vollendeten Sechswochen, auf meinen Ruf mit Kind und Kegel in Colberg anlangte, praͤſentirte ſie mir, neben jenem aͤlteren Sohne, auch ein kleines Maͤdchen von zwei Monaten, als das unſrige. Man mag ſich’s denken, daß ich mir maͤchtig die Stirne rieb und ein wenig verdutzt in die Frage ausbrach: „Aber wie hat ſich der Junge ſo auf Einmal in ein Maͤdchen verwandelt?‟ — Da fiel die Suͤnderinn mir und meinen Eltern wei- nend zu Fuͤßen, und bekannte, was ſich nun laͤnger nicht verheimlichen ließ: — Daß der Haus- freund mir noch etwas mehr geweſen; daß er, um mich Entfernten zu taͤuſchen, mir meines Weibes Niederkunft um einige Wochen fruͤher, als ſie wirklich erfolgt war, gemeldet und es nur in der Angabe des Geſchlechts ſo arg verſehen
*) Vergl. Bd. I. S. 246.
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Nach ſieben Jahren, als mir in Stettin der
koͤnigliche Schiffsdienſt ſo ſchnell verleidet worden,
brachte meine zufaͤllige Anweſenheit in Colberg
und der Wunſch meiner damals noch lebenden
Eltern mich zu dem Entſchluſſe, meinen Haus-
halt von Koͤnigsberg, wo mir’s eben auch nicht
beſſer hatte gluͤcken wollen, nach meiner Vater-
ſtadt zu verlegen. *) Waͤhrend ich noch damit
umgieng, meldete mir ein alter Hausfreund, daß
meine Frau, von welcher ich ſeit beinahe neun
Monaten entfernt gelebt, gluͤcklich eines Knaͤb-
leins geneſen; doch als ſie, nach vollendeten
Sechswochen, auf meinen Ruf mit Kind und
Kegel in Colberg anlangte, praͤſentirte ſie mir,
neben jenem aͤlteren Sohne, auch ein kleines
Maͤdchen von zwei Monaten, als das unſrige.
Man mag ſich’s denken, daß ich mir maͤchtig die
Stirne rieb und ein wenig verdutzt in die Frage
ausbrach: „Aber wie hat ſich der Junge ſo auf
Einmal in ein Maͤdchen verwandelt?‟ — Da
fiel die Suͤnderinn mir und meinen Eltern wei-
nend zu Fuͤßen, und bekannte, was ſich nun
laͤnger nicht verheimlichen ließ: — Daß der Haus-
freund mir noch etwas mehr geweſen; daß er,
um mich Entfernten zu taͤuſchen, mir meines
Weibes Niederkunft um einige Wochen fruͤher,
als ſie wirklich erfolgt war, gemeldet und es nur
in der Angabe des Geſchlechts ſo arg verſehen
*) Vergl. Bd. I. S. 246.
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/47>, abgerufen am 16.02.2025.
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