meinen Bestens wegen, gerne gethan, und dies Amt bis zum Jahr 1821 mit Ehren verwaltet.
Ernstlicher aber war es um das Jahr 1789 und weiterhin mit einem Streite gemeynt, den die Colberger Bürgerschaft unter sich auszufech- ten hatte, und wobei ich, auch wenn ich gewollt hätte, unmöglich ruhiger Zuschauer bleiben konnte. Aber freilich, ich wollte und konnte auch nicht, da es drauf ankam, himmelschreiende Miß- bräuche aufzudecken und abzustellen, die unter dem Schein des Rechten, ohne alle Scheu, aus- geübt wurden. Es gab nemlich in Colberg, nach der damaligen städtischen Verfassung, ein Colle- gium, genannt die Funfzehn-Männer, weil es aus 15 der angesehensten Bürger bestand, und welches ursprünglich die Gerechtsame der Bürger- schaft bei dem Magistrat zu vertreten hatte, und dessen Gutachten in städtischen Angelegenheiten gehört werden mußte. Allmählig aber hatten diese Funfzehn-Männer angefangen, ihr Ansehen mehr zu ihrem Privat-Nutzen, als zum allge- meinen Besten, geltend zu machen; und so wie die Menschen nun Einmal zum Bösen immer fester zusammenhalten, als zum Guten, so war auch hier schon seit lange eine enge Verbrüderung entstanden, sich einander zu allerlei heimlichen Praktiken den Rücken zu steifen und durchzuhel- fen. Da waren denn Depositen-Kassen ange- griffen, Scheinkäufe angestellt, Gemeindegut lie- derlich verschleudert, und andre Greuel mehr be-
meinen Beſtens wegen, gerne gethan, und dies Amt bis zum Jahr 1821 mit Ehren verwaltet.
Ernſtlicher aber war es um das Jahr 1789 und weiterhin mit einem Streite gemeynt, den die Colberger Buͤrgerſchaft unter ſich auszufech- ten hatte, und wobei ich, auch wenn ich gewollt haͤtte, unmoͤglich ruhiger Zuſchauer bleiben konnte. Aber freilich, ich wollte und konnte auch nicht, da es drauf ankam, himmelſchreiende Miß- braͤuche aufzudecken und abzuſtellen, die unter dem Schein des Rechten, ohne alle Scheu, aus- geuͤbt wurden. Es gab nemlich in Colberg, nach der damaligen ſtaͤdtiſchen Verfaſſung, ein Colle- gium, genannt die Funfzehn-Maͤnner, weil es aus 15 der angeſehenſten Buͤrger beſtand, und welches urſpruͤnglich die Gerechtſame der Buͤrger- ſchaft bei dem Magiſtrat zu vertreten hatte, und deſſen Gutachten in ſtaͤdtiſchen Angelegenheiten gehoͤrt werden mußte. Allmaͤhlig aber hatten dieſe Funfzehn-Maͤnner angefangen, ihr Anſehen mehr zu ihrem Privat-Nutzen, als zum allge- meinen Beſten, geltend zu machen; und ſo wie die Menſchen nun Einmal zum Boͤſen immer feſter zuſammenhalten, als zum Guten, ſo war auch hier ſchon ſeit lange eine enge Verbruͤderung entſtanden, ſich einander zu allerlei heimlichen Praktiken den Ruͤcken zu ſteifen und durchzuhel- fen. Da waren denn Depoſiten-Kaſſen ange- griffen, Scheinkaͤufe angeſtellt, Gemeindegut lie- derlich verſchleudert, und andre Greuel mehr be-
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meinen Beſtens wegen, gerne gethan, und dies
Amt bis zum Jahr 1821 mit Ehren verwaltet.
Ernſtlicher aber war es um das Jahr 1789
und weiterhin mit einem Streite gemeynt, den
die Colberger Buͤrgerſchaft unter ſich auszufech-
ten hatte, und wobei ich, auch wenn ich gewollt
haͤtte, unmoͤglich ruhiger Zuſchauer bleiben konnte.
Aber freilich, ich wollte und konnte auch
nicht, da es drauf ankam, himmelſchreiende Miß-
braͤuche aufzudecken und abzuſtellen, die unter
dem Schein des Rechten, ohne alle Scheu, aus-
geuͤbt wurden. Es gab nemlich in Colberg, nach
der damaligen ſtaͤdtiſchen Verfaſſung, ein Colle-
gium, genannt die Funfzehn-Maͤnner, weil es
aus 15 der angeſehenſten Buͤrger beſtand, und
welches urſpruͤnglich die Gerechtſame der Buͤrger-
ſchaft bei dem Magiſtrat zu vertreten hatte, und
deſſen Gutachten in ſtaͤdtiſchen Angelegenheiten
gehoͤrt werden mußte. Allmaͤhlig aber hatten
dieſe Funfzehn-Maͤnner angefangen, ihr Anſehen
mehr zu ihrem Privat-Nutzen, als zum allge-
meinen Beſten, geltend zu machen; und ſo wie
die Menſchen nun Einmal zum Boͤſen immer
feſter zuſammenhalten, als zum Guten, ſo war
auch hier ſchon ſeit lange eine enge Verbruͤderung
entſtanden, ſich einander zu allerlei heimlichen
Praktiken den Ruͤcken zu ſteifen und durchzuhel-
fen. Da waren denn Depoſiten-Kaſſen ange-
griffen, Scheinkaͤufe angeſtellt, Gemeindegut lie-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/44>, abgerufen am 16.02.2025.
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