Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Unglücklichen liegen: wolltest du oder ich erst
von unehrlichen Händen herausgezogen seyn?"
-- "Dazu gebe sich ein Andrer her, aber ich
nicht!" antwortete er mir trotzig und gieng seines
Weges. Jch schalt, ich tobte: aber damit war
nichts ausgerichtet. Jch mußte meinen Jngrimm
in mich schlucken, und rannte nach Hause, um
nur von der ganzen Historie nichts mehr zu sehen
und zu hören. Kaum aber da angelangt, kam
ein Bote, der mich eiligst zum Landrath beschied,
ohne daß ich wußte, was es da geben solle.
Noch voll Aergers ließ ich ihm die (freilich nicht
ganz hübsche) Antwort zurück vermelden: "Erst
nur möge er sorgen, daß er die Todten aus dem
Graben schaffte. Es sey morgen hoher Festtag,
und darum um so nöthiger, daß der unchristliche
Spektakel ein Ende kriegte." -- Eben diese Be-
trachtung aber mocht' es wohl seyn, was den
Herren bange machte, und was auch den Bürger-
meister zur nemlichen Stunde bewog, mich zu
ihm bitten zu lassen. Jn der That hatten Beide,
als ich nach einigem abgekühlteren Besinnen mich
zu dem Gange entschloß, Ein und das nemliche
Ansinnen, und ersuchten mich mit den freundlich-
sten Worten, sie aus dieser Verlegenheit zu zie-
hen und der Stadt die Schande zu ersparen.
Nun waren sie zwar selbst Zeugen, wie wenig
ich mit meinem gutwilligen Eifer ausgerichtet;
indeß verhieß ich ihnen doch, es von Neuem zu
versuchen und mein Bestes zu thun.

3. Bändchen. (2)

Ungluͤcklichen liegen: wollteſt du oder ich erſt
von unehrlichen Haͤnden herausgezogen ſeyn?‟
— „Dazu gebe ſich ein Andrer her, aber ich
nicht!‟ antwortete er mir trotzig und gieng ſeines
Weges. Jch ſchalt, ich tobte: aber damit war
nichts ausgerichtet. Jch mußte meinen Jngrimm
in mich ſchlucken, und rannte nach Hauſe, um
nur von der ganzen Hiſtorie nichts mehr zu ſehen
und zu hoͤren. Kaum aber da angelangt, kam
ein Bote, der mich eiligſt zum Landrath beſchied,
ohne daß ich wußte, was es da geben ſolle.
Noch voll Aergers ließ ich ihm die (freilich nicht
ganz huͤbſche) Antwort zuruͤck vermelden: „Erſt
nur moͤge er ſorgen, daß er die Todten aus dem
Graben ſchaffte. Es ſey morgen hoher Feſttag,
und darum um ſo noͤthiger, daß der unchriſtliche
Spektakel ein Ende kriegte.‟ — Eben dieſe Be-
trachtung aber mocht’ es wohl ſeyn, was den
Herren bange machte, und was auch den Buͤrger-
meiſter zur nemlichen Stunde bewog, mich zu
ihm bitten zu laſſen. Jn der That hatten Beide,
als ich nach einigem abgekuͤhlteren Beſinnen mich
zu dem Gange entſchloß, Ein und das nemliche
Anſinnen, und erſuchten mich mit den freundlich-
ſten Worten, ſie aus dieſer Verlegenheit zu zie-
hen und der Stadt die Schande zu erſparen.
Nun waren ſie zwar ſelbſt Zeugen, wie wenig
ich mit meinem gutwilligen Eifer ausgerichtet;
indeß verhieß ich ihnen doch, es von Neuem zu
verſuchen und mein Beſtes zu thun.

3. Bändchen. (2)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="17"/>
Unglu&#x0364;cklichen liegen: wollte&#x017F;t du oder ich er&#x017F;t<lb/>
von unehrlichen Ha&#x0364;nden herausgezogen &#x017F;eyn?&#x201F;<lb/>
&#x2014; &#x201E;Dazu gebe &#x017F;ich ein Andrer her, aber ich<lb/>
nicht!&#x201F; antwortete er mir trotzig und gieng &#x017F;eines<lb/>
Weges. Jch &#x017F;chalt, ich tobte: aber damit war<lb/>
nichts ausgerichtet. Jch mußte meinen Jngrimm<lb/>
in mich &#x017F;chlucken, und rannte nach Hau&#x017F;e, um<lb/>
nur von der ganzen Hi&#x017F;torie nichts mehr zu &#x017F;ehen<lb/>
und zu ho&#x0364;ren. Kaum aber da angelangt, kam<lb/>
ein Bote, der mich eilig&#x017F;t zum Landrath be&#x017F;chied,<lb/>
ohne daß ich wußte, was es da geben &#x017F;olle.<lb/>
Noch voll Aergers ließ ich ihm die (freilich nicht<lb/>
ganz hu&#x0364;b&#x017F;che) Antwort zuru&#x0364;ck vermelden: &#x201E;Er&#x017F;t<lb/>
nur mo&#x0364;ge er &#x017F;orgen, daß er die Todten aus dem<lb/>
Graben &#x017F;chaffte. Es &#x017F;ey morgen hoher Fe&#x017F;ttag,<lb/>
und darum um &#x017F;o no&#x0364;thiger, daß der unchri&#x017F;tliche<lb/>
Spektakel ein Ende kriegte.&#x201F; &#x2014; Eben die&#x017F;e Be-<lb/>
trachtung aber mocht&#x2019; es wohl &#x017F;eyn, was den<lb/>
Herren bange machte, und was auch den Bu&#x0364;rger-<lb/>
mei&#x017F;ter zur nemlichen Stunde bewog, mich zu<lb/>
ihm bitten zu la&#x017F;&#x017F;en. Jn der That hatten Beide,<lb/>
als ich nach einigem abgeku&#x0364;hlteren Be&#x017F;innen mich<lb/>
zu dem Gange ent&#x017F;chloß, Ein und das nemliche<lb/>
An&#x017F;innen, und er&#x017F;uchten mich mit den freundlich-<lb/>
&#x017F;ten Worten, &#x017F;ie aus die&#x017F;er Verlegenheit zu zie-<lb/>
hen und der Stadt die Schande zu er&#x017F;paren.<lb/>
Nun waren &#x017F;ie zwar &#x017F;elb&#x017F;t Zeugen, wie wenig<lb/>
ich mit meinem gutwilligen Eifer ausgerichtet;<lb/>
indeß verhieß ich ihnen doch, es von Neuem zu<lb/>
ver&#x017F;uchen und mein Be&#x017F;tes zu thun.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">3. Bändchen. (2)</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0033] Ungluͤcklichen liegen: wollteſt du oder ich erſt von unehrlichen Haͤnden herausgezogen ſeyn?‟ — „Dazu gebe ſich ein Andrer her, aber ich nicht!‟ antwortete er mir trotzig und gieng ſeines Weges. Jch ſchalt, ich tobte: aber damit war nichts ausgerichtet. Jch mußte meinen Jngrimm in mich ſchlucken, und rannte nach Hauſe, um nur von der ganzen Hiſtorie nichts mehr zu ſehen und zu hoͤren. Kaum aber da angelangt, kam ein Bote, der mich eiligſt zum Landrath beſchied, ohne daß ich wußte, was es da geben ſolle. Noch voll Aergers ließ ich ihm die (freilich nicht ganz huͤbſche) Antwort zuruͤck vermelden: „Erſt nur moͤge er ſorgen, daß er die Todten aus dem Graben ſchaffte. Es ſey morgen hoher Feſttag, und darum um ſo noͤthiger, daß der unchriſtliche Spektakel ein Ende kriegte.‟ — Eben dieſe Be- trachtung aber mocht’ es wohl ſeyn, was den Herren bange machte, und was auch den Buͤrger- meiſter zur nemlichen Stunde bewog, mich zu ihm bitten zu laſſen. Jn der That hatten Beide, als ich nach einigem abgekuͤhlteren Beſinnen mich zu dem Gange entſchloß, Ein und das nemliche Anſinnen, und erſuchten mich mit den freundlich- ſten Worten, ſie aus dieſer Verlegenheit zu zie- hen und der Stadt die Schande zu erſparen. Nun waren ſie zwar ſelbſt Zeugen, wie wenig ich mit meinem gutwilligen Eifer ausgerichtet; indeß verhieß ich ihnen doch, es von Neuem zu verſuchen und mein Beſtes zu thun. 3. Bändchen. (2)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/33
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/33>, abgerufen am 07.10.2024.