und bohr' Er damit ein Loch in den Boden des Prahms: dann wird so viel Wasser hineinlaufen, daß dieser sich um Einen oder ein paar Fuß senkt und Spielraum genug gewinnt, unter der Brücke durchzugleiten. Damit er aber bei seiner Last von Kalk, Lehm und Mauersteinen nicht gar auf den Grund versinke, so muß das Loch auch zu rechter Zeit wieder verstopft werden können; und dazu wird es bloß bedürfen, sich im voraus mit einem langen, hölzernen Pfropf, nach dem Maasse der Oeffnung, zu versehen."
Eh' ich die Worte noch gänzlich geendet, rief der Zimmermeister mit flammenden Augen: "Das geht! Wahrhaftig, das geht! -- Herr Landrath, bleiben Sie in Gottes Namen hier; nun soll dem Dinge bald geholfen seyn."
Jetzt gab es um den Rathstisch her aber- mals eine Stille, bevor mein Protokoll wieder beginnen wollte: dann aber stand der Bürger- meister Roloff von seinem Stuhl auf, sah all die Rathsherren nach der Reihe an und sagte: "Mei- ne Herren -- Den Mann sollten wir strafen? -- Was meinen Sie?" -- Alles still, bis auch der Landrath aufstand und sich zu meinem Widerpart wandte: "Ein andermal, guter Freund, wenn Magistrats-Sachen an Bürger zu bestellen sind, gescheh' es nüchtern, mit Vernunft und mit Be- scheidenheit. Die Sache ist hiermit abgethan; und Sie, Herr Nettelbeck, gehen in Gottes Na- men, und mit unserm Dank, nach Hause." --
und bohr’ Er damit ein Loch in den Boden des Prahms: dann wird ſo viel Waſſer hineinlaufen, daß dieſer ſich um Einen oder ein paar Fuß ſenkt und Spielraum genug gewinnt, unter der Bruͤcke durchzugleiten. Damit er aber bei ſeiner Laſt von Kalk, Lehm und Mauerſteinen nicht gar auf den Grund verſinke, ſo muß das Loch auch zu rechter Zeit wieder verſtopft werden koͤnnen; und dazu wird es bloß beduͤrfen, ſich im voraus mit einem langen, hoͤlzernen Pfropf, nach dem Maaſſe der Oeffnung, zu verſehen.‟
Eh’ ich die Worte noch gaͤnzlich geendet, rief der Zimmermeiſter mit flammenden Augen: „Das geht! Wahrhaftig, das geht! — Herr Landrath, bleiben Sie in Gottes Namen hier; nun ſoll dem Dinge bald geholfen ſeyn.‟
Jetzt gab es um den Rathstiſch her aber- mals eine Stille, bevor mein Protokoll wieder beginnen wollte: dann aber ſtand der Buͤrger- meiſter Roloff von ſeinem Stuhl auf, ſah all die Rathsherren nach der Reihe an und ſagte: „Mei- ne Herren — Den Mann ſollten wir ſtrafen? — Was meinen Sie?‟ — Alles ſtill, bis auch der Landrath aufſtand und ſich zu meinem Widerpart wandte: „Ein andermal, guter Freund, wenn Magiſtrats-Sachen an Buͤrger zu beſtellen ſind, geſcheh’ es nuͤchtern, mit Vernunft und mit Be- ſcheidenheit. Die Sache iſt hiermit abgethan; und Sie, Herr Nettelbeck, gehen in Gottes Na- men, und mit unſerm Dank, nach Hauſe.‟ —
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und bohr’ Er damit ein Loch in den Boden des
Prahms: dann wird ſo viel Waſſer hineinlaufen,
daß dieſer ſich um Einen oder ein paar Fuß ſenkt
und Spielraum genug gewinnt, unter der Bruͤcke
durchzugleiten. Damit er aber bei ſeiner Laſt
von Kalk, Lehm und Mauerſteinen nicht gar auf
den Grund verſinke, ſo muß das Loch auch zu
rechter Zeit wieder verſtopft werden koͤnnen; und
dazu wird es bloß beduͤrfen, ſich im voraus mit
einem langen, hoͤlzernen Pfropf, nach dem Maaſſe
der Oeffnung, zu verſehen.‟
Eh’ ich die Worte noch gaͤnzlich geendet, rief
der Zimmermeiſter mit flammenden Augen: „Das
geht! Wahrhaftig, das geht! — Herr Landrath,
bleiben Sie in Gottes Namen hier; nun ſoll dem
Dinge bald geholfen ſeyn.‟
Jetzt gab es um den Rathstiſch her aber-
mals eine Stille, bevor mein Protokoll wieder
beginnen wollte: dann aber ſtand der Buͤrger-
meiſter Roloff von ſeinem Stuhl auf, ſah all die
Rathsherren nach der Reihe an und ſagte: „Mei-
ne Herren — Den Mann ſollten wir ſtrafen? —
Was meinen Sie?‟ — Alles ſtill, bis auch der
Landrath aufſtand und ſich zu meinem Widerpart
wandte: „Ein andermal, guter Freund, wenn
Magiſtrats-Sachen an Buͤrger zu beſtellen ſind,
geſcheh’ es nuͤchtern, mit Vernunft und mit Be-
ſcheidenheit. Die Sache iſt hiermit abgethan;
und Sie, Herr Nettelbeck, gehen in Gottes Na-
men, und mit unſerm Dank, nach Hauſe.‟ —
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/29>, abgerufen am 16.07.2024.
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