Jetzt nahm mein Freund das Wort, und äusserte, wie nahe es uns gehen würde, wenn unsre Gegenwart bei Sr. Maj. eine unangenehme Erinnerung aufregte: allein die Gefühle unsrer dankbarsten Verehrung hätten uns nicht zurück- bleiben lassen wollen; und ganz Colberg theile unsre Gesinnungen. Der König erwiederte dar- auf: "Jch weiß es; wenn früh oder spät ein- mal es die Umstände gebieten, werden die Col- berger auch gerne wieder für mich auftreten."
Hier fieng ich Feuer und brach begeistert aus, indem ich mit der Hand auf mein Herz schlug: "Ew. Majestät, dazu lebt der freudige Muth in uns und unsern Kindern; und verflucht sey, wer seinem Könige und Vaterlande nicht treu ist!" -- "Das ist recht! das ist brav!" versetzte der Monarch; und als er darauf fragte: Wie wir sonst in Colberg lebten? -- gab ich zur Antwort: "Gut, Ew. Majestät! Kleinigkeiten machen wir unter uns ab; und ist es was Bedeutendes, und wir können nicht durchkommen, da wenden wir uns geradezu an Ew. Majestät. Wir hoffen, Sie werden uns nicht sinken lassen."
"Nein, nicht sinken lassen -- nicht sinken laß' ich euch!" rief der König, wobei er mir die Hand entgegenbot. -- "Wendet euch nur an mich; und was zu erfüllen möglich ist, soll geschehen." -- Dann fragte er, ob wir eigentlich dieserhalb gekommen wären, oder ob uns andre Geschäfte nach Stargard führten? -- "Kein andres Geschäft,
Jetzt nahm mein Freund das Wort, und aͤuſſerte, wie nahe es uns gehen wuͤrde, wenn unſre Gegenwart bei Sr. Maj. eine unangenehme Erinnerung aufregte: allein die Gefuͤhle unſrer dankbarſten Verehrung haͤtten uns nicht zuruͤck- bleiben laſſen wollen; und ganz Colberg theile unſre Geſinnungen. Der Koͤnig erwiederte dar- auf: „Jch weiß es; wenn fruͤh oder ſpaͤt ein- mal es die Umſtaͤnde gebieten, werden die Col- berger auch gerne wieder fuͤr mich auftreten.‟
Hier fieng ich Feuer und brach begeiſtert aus, indem ich mit der Hand auf mein Herz ſchlug: „Ew. Majeſtaͤt, dazu lebt der freudige Muth in uns und unſern Kindern; und verflucht ſey, wer ſeinem Koͤnige und Vaterlande nicht treu iſt!‟ — „Das iſt recht! das iſt brav!‟ verſetzte der Monarch; und als er darauf fragte: Wie wir ſonſt in Colberg lebten? — gab ich zur Antwort: „Gut, Ew. Majeſtaͤt! Kleinigkeiten machen wir unter uns ab; und iſt es was Bedeutendes, und wir koͤnnen nicht durchkommen, da wenden wir uns geradezu an Ew. Majeſtaͤt. Wir hoffen, Sie werden uns nicht ſinken laſſen.‟
„Nein, nicht ſinken laſſen — nicht ſinken laß’ ich euch!‟ rief der Koͤnig, wobei er mir die Hand entgegenbot. — „Wendet euch nur an mich; und was zu erfuͤllen moͤglich iſt, ſoll geſchehen.‟ — Dann fragte er, ob wir eigentlich dieſerhalb gekommen waͤren, oder ob uns andre Geſchaͤfte nach Stargard fuͤhrten? — „Kein andres Geſchaͤft,
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Jetzt nahm mein Freund das Wort, und
aͤuſſerte, wie nahe es uns gehen wuͤrde, wenn
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Erinnerung aufregte: allein die Gefuͤhle unſrer
dankbarſten Verehrung haͤtten uns nicht zuruͤck-
bleiben laſſen wollen; und ganz Colberg theile
unſre Geſinnungen. Der Koͤnig erwiederte dar-
auf: „Jch weiß es; wenn fruͤh oder ſpaͤt ein-
mal es die Umſtaͤnde gebieten, werden die Col-
berger auch gerne wieder fuͤr mich auftreten.‟
Hier fieng ich Feuer und brach begeiſtert aus,
indem ich mit der Hand auf mein Herz ſchlug:
„Ew. Majeſtaͤt, dazu lebt der freudige Muth in
uns und unſern Kindern; und verflucht ſey, wer
ſeinem Koͤnige und Vaterlande nicht treu iſt!‟
— „Das iſt recht! das iſt brav!‟ verſetzte der
Monarch; und als er darauf fragte: Wie wir
ſonſt in Colberg lebten? — gab ich zur Antwort:
„Gut, Ew. Majeſtaͤt! Kleinigkeiten machen wir
unter uns ab; und iſt es was Bedeutendes, und
wir koͤnnen nicht durchkommen, da wenden wir
uns geradezu an Ew. Majeſtaͤt. Wir hoffen,
Sie werden uns nicht ſinken laſſen.‟
„Nein, nicht ſinken laſſen — nicht ſinken
laß’ ich euch!‟ rief der Koͤnig, wobei er mir die
Hand entgegenbot. — „Wendet euch nur an mich;
und was zu erfuͤllen moͤglich iſt, ſoll geſchehen.‟
— Dann fragte er, ob wir eigentlich dieſerhalb
gekommen waͤren, oder ob uns andre Geſchaͤfte
nach Stargard fuͤhrten? — „Kein andres Geſchaͤft,
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/220>, abgerufen am 22.07.2024.
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