Falls, neue rechtmäßigere Wahlen zu verfügen. Einen gleichen Bescheid erhielt ich, fast unmittel- bar darauf, von dem benannten Minister, zu- sammt der Benachrichtigung, daß er den Polizei- Director Struensee zu Stargard zum Commissa- rius in dieser Sache ernannt habe; und auch Dieser meldete mir binnen kurzem seine neue Be- stimmung, indem er mir zugleich den Zeitpunkt seines Eintreffens in Colberg anzeigte und mir aufgab, bis dahin meine verschiedenen Klage- punkte gehörig zu ordnen.
Von allen diesen Schritten, die ich lediglich mit mir selbst berathen und ausgeführt hatte, wußte Niemand ein leises Wort; und ich hütete mich auch wohl, sie voreilig unter die Leute zu bringen. Weniger zurückhaltend war ich in mei- nem freimüthigen -- oft wohl etwas derben Ur- theil über all den Unfug, der täglich unter mei- nen Augen vorgieng, gewesen: denn Schändliches sehen und im gerechten Eifer entbrennen -- das ist von jeher ein Ueberwallen bei mir gewesen, wovon ich weder etwas hinzuthun noch lassen konnte. Natürlich waren nun dergleichen Aeus- serungen, die zudem nicht im Winkel gesprochen worden, den Leuten, die es galt, fleissiglich zu Ohren gekommen. Die ganze Corporation kam darüber in Harnisch und ernannte eine Deputa- tion aus ihrem Mittel, mit dem Kaufmann S** an der Spitze, um eine Klage wider mich, we- gen ehrenrühriger Beschuldigungen, bei'm Stadt-
Falls, neue rechtmaͤßigere Wahlen zu verfuͤgen. Einen gleichen Beſcheid erhielt ich, faſt unmittel- bar darauf, von dem benannten Miniſter, zu- ſammt der Benachrichtigung, daß er den Polizei- Director Struenſee zu Stargard zum Commiſſa- rius in dieſer Sache ernannt habe; und auch Dieſer meldete mir binnen kurzem ſeine neue Be- ſtimmung, indem er mir zugleich den Zeitpunkt ſeines Eintreffens in Colberg anzeigte und mir aufgab, bis dahin meine verſchiedenen Klage- punkte gehoͤrig zu ordnen.
Von allen dieſen Schritten, die ich lediglich mit mir ſelbſt berathen und ausgefuͤhrt hatte, wußte Niemand ein leiſes Wort; und ich huͤtete mich auch wohl, ſie voreilig unter die Leute zu bringen. Weniger zuruͤckhaltend war ich in mei- nem freimuͤthigen — oft wohl etwas derben Ur- theil uͤber all den Unfug, der taͤglich unter mei- nen Augen vorgieng, geweſen: denn Schaͤndliches ſehen und im gerechten Eifer entbrennen — das iſt von jeher ein Ueberwallen bei mir geweſen, wovon ich weder etwas hinzuthun noch laſſen konnte. Natuͤrlich waren nun dergleichen Aeuſ- ſerungen, die zudem nicht im Winkel geſprochen worden, den Leuten, die es galt, fleiſſiglich zu Ohren gekommen. Die ganze Corporation kam daruͤber in Harniſch und ernannte eine Deputa- tion aus ihrem Mittel, mit dem Kaufmann S** an der Spitze, um eine Klage wider mich, we- gen ehrenruͤhriger Beſchuldigungen, bei’m Stadt-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0208"n="192"/>
Falls, neue rechtmaͤßigere Wahlen zu verfuͤgen.<lb/>
Einen gleichen Beſcheid erhielt ich, faſt unmittel-<lb/>
bar darauf, von dem benannten Miniſter, zu-<lb/>ſammt der Benachrichtigung, daß er den Polizei-<lb/>
Director Struenſee zu Stargard zum Commiſſa-<lb/>
rius in dieſer Sache ernannt habe; und auch<lb/>
Dieſer meldete mir binnen kurzem ſeine neue Be-<lb/>ſtimmung, indem er mir zugleich den Zeitpunkt<lb/>ſeines Eintreffens in Colberg anzeigte und mir<lb/>
aufgab, bis dahin meine verſchiedenen Klage-<lb/>
punkte gehoͤrig zu ordnen.</p><lb/><p>Von allen dieſen Schritten, die ich lediglich<lb/>
mit mir ſelbſt berathen und ausgefuͤhrt hatte,<lb/>
wußte Niemand ein leiſes Wort; und ich huͤtete<lb/>
mich auch wohl, ſie voreilig unter die Leute zu<lb/>
bringen. Weniger zuruͤckhaltend war ich in mei-<lb/>
nem freimuͤthigen — oft wohl etwas derben Ur-<lb/>
theil uͤber all den Unfug, der taͤglich unter mei-<lb/>
nen Augen vorgieng, geweſen: denn Schaͤndliches<lb/>ſehen und im gerechten Eifer entbrennen — das<lb/>
iſt von jeher ein Ueberwallen bei mir geweſen,<lb/>
wovon ich weder etwas hinzuthun noch laſſen<lb/>
konnte. Natuͤrlich waren nun dergleichen Aeuſ-<lb/>ſerungen, die zudem nicht im Winkel geſprochen<lb/>
worden, den Leuten, die es galt, fleiſſiglich zu<lb/>
Ohren gekommen. Die ganze Corporation kam<lb/>
daruͤber in Harniſch und ernannte eine Deputa-<lb/>
tion aus ihrem Mittel, mit dem Kaufmann S**<lb/>
an der Spitze, um eine Klage wider mich, we-<lb/>
gen ehrenruͤhriger Beſchuldigungen, bei’m Stadt-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[192/0208]
Falls, neue rechtmaͤßigere Wahlen zu verfuͤgen.
Einen gleichen Beſcheid erhielt ich, faſt unmittel-
bar darauf, von dem benannten Miniſter, zu-
ſammt der Benachrichtigung, daß er den Polizei-
Director Struenſee zu Stargard zum Commiſſa-
rius in dieſer Sache ernannt habe; und auch
Dieſer meldete mir binnen kurzem ſeine neue Be-
ſtimmung, indem er mir zugleich den Zeitpunkt
ſeines Eintreffens in Colberg anzeigte und mir
aufgab, bis dahin meine verſchiedenen Klage-
punkte gehoͤrig zu ordnen.
Von allen dieſen Schritten, die ich lediglich
mit mir ſelbſt berathen und ausgefuͤhrt hatte,
wußte Niemand ein leiſes Wort; und ich huͤtete
mich auch wohl, ſie voreilig unter die Leute zu
bringen. Weniger zuruͤckhaltend war ich in mei-
nem freimuͤthigen — oft wohl etwas derben Ur-
theil uͤber all den Unfug, der taͤglich unter mei-
nen Augen vorgieng, geweſen: denn Schaͤndliches
ſehen und im gerechten Eifer entbrennen — das
iſt von jeher ein Ueberwallen bei mir geweſen,
wovon ich weder etwas hinzuthun noch laſſen
konnte. Natuͤrlich waren nun dergleichen Aeuſ-
ſerungen, die zudem nicht im Winkel geſprochen
worden, den Leuten, die es galt, fleiſſiglich zu
Ohren gekommen. Die ganze Corporation kam
daruͤber in Harniſch und ernannte eine Deputa-
tion aus ihrem Mittel, mit dem Kaufmann S**
an der Spitze, um eine Klage wider mich, we-
gen ehrenruͤhriger Beſchuldigungen, bei’m Stadt-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/208>, abgerufen am 21.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.