Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

tungen nicht sogleich zu finden; die Ränkeschmiede
und Selbstlinge aber waren nur um desto eifri-
ger darauf bedacht, ihr Schäfchen dabei zu schee-
ren und den blinden Unverstand nach ihren ge-
heimen Absichten zu bearbeiten. Als es daher
zur ersten Wahl der Stadt-Verordneten und ei-
nes neuen Magistrats kam, gieng es dabei so
stürmisch, unmoralisch und ordnungswidrig zu,
daß ein jeder rechtschaffner Mann, der es wohl
mit der Stadt meynte, sein äusserstes Mißfallen
daran haben mußte.

Es kann mir also auch nicht als Lobspruch
gelten sollen, wenn ich, obwohl als erster Stadt-
Verordneter gewählt, mich dieser Ehre bedankte und
mit einer Versammlung nichts zu schaffen haben
wollte, von deren gleich im ersten Beginnen kund-
gegebenen Gesinnungen ich nichts, als Unheil für
die Stadt erwarten konnte. Zwar fehlte es nicht
an dringendem Zureden meiner Freunde, welche
in der Meynung standen, daß ich durch Ueber-
nahme jenes Postens, wenn auch nicht Gutes
sonderlich zu fördern, doch manches Böse durch
meinen Einfluß zu verhüten im Stande seyn wür-
de: allein das ganze Wesen, so wie es sich da
gestaltet hatte, war mir ein Greuel, und ich
lehnte es standhaft ab, mich damit zu bemengen.
Noch ärger ward das Ding, als nun demnächst
zur Raths-Wahl selbst geschritten werden sollte.
Kabalen kreuzten sich mit Kabalen; einige recht-
liche Männer, welche die gesetzliche Stimmen-

tungen nicht ſogleich zu finden; die Raͤnkeſchmiede
und Selbſtlinge aber waren nur um deſto eifri-
ger darauf bedacht, ihr Schaͤfchen dabei zu ſchee-
ren und den blinden Unverſtand nach ihren ge-
heimen Abſichten zu bearbeiten. Als es daher
zur erſten Wahl der Stadt-Verordneten und ei-
nes neuen Magiſtrats kam, gieng es dabei ſo
ſtuͤrmiſch, unmoraliſch und ordnungswidrig zu,
daß ein jeder rechtſchaffner Mann, der es wohl
mit der Stadt meynte, ſein aͤuſſerſtes Mißfallen
daran haben mußte.

Es kann mir alſo auch nicht als Lobſpruch
gelten ſollen, wenn ich, obwohl als erſter Stadt-
Verordneter gewaͤhlt, mich dieſer Ehre bedankte und
mit einer Verſammlung nichts zu ſchaffen haben
wollte, von deren gleich im erſten Beginnen kund-
gegebenen Geſinnungen ich nichts, als Unheil fuͤr
die Stadt erwarten konnte. Zwar fehlte es nicht
an dringendem Zureden meiner Freunde, welche
in der Meynung ſtanden, daß ich durch Ueber-
nahme jenes Poſtens, wenn auch nicht Gutes
ſonderlich zu foͤrdern, doch manches Boͤſe durch
meinen Einfluß zu verhuͤten im Stande ſeyn wuͤr-
de: allein das ganze Weſen, ſo wie es ſich da
geſtaltet hatte, war mir ein Greuel, und ich
lehnte es ſtandhaft ab, mich damit zu bemengen.
Noch aͤrger ward das Ding, als nun demnaͤchſt
zur Raths-Wahl ſelbſt geſchritten werden ſollte.
Kabalen kreuzten ſich mit Kabalen; einige recht-
liche Maͤnner, welche die geſetzliche Stimmen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0206" n="190"/>
tungen nicht &#x017F;ogleich zu finden; die Ra&#x0364;nke&#x017F;chmiede<lb/>
und Selb&#x017F;tlinge aber waren nur um de&#x017F;to eifri-<lb/>
ger darauf bedacht, ihr Scha&#x0364;fchen dabei zu &#x017F;chee-<lb/>
ren und den blinden Unver&#x017F;tand nach ihren ge-<lb/>
heimen Ab&#x017F;ichten zu bearbeiten. Als es daher<lb/>
zur er&#x017F;ten Wahl der Stadt-Verordneten und ei-<lb/>
nes neuen Magi&#x017F;trats kam, gieng es dabei &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;ch, unmorali&#x017F;ch und ordnungswidrig zu,<lb/>
daß ein jeder recht&#x017F;chaffner Mann, der es wohl<lb/>
mit der Stadt meynte, &#x017F;ein a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;tes Mißfallen<lb/>
daran haben mußte.</p><lb/>
        <p>Es kann mir al&#x017F;o auch nicht als Lob&#x017F;pruch<lb/>
gelten &#x017F;ollen, wenn ich, obwohl als er&#x017F;ter Stadt-<lb/>
Verordneter gewa&#x0364;hlt, mich die&#x017F;er Ehre bedankte und<lb/>
mit einer Ver&#x017F;ammlung nichts zu &#x017F;chaffen haben<lb/>
wollte, von deren gleich im er&#x017F;ten Beginnen kund-<lb/>
gegebenen Ge&#x017F;innungen ich nichts, als Unheil fu&#x0364;r<lb/>
die Stadt erwarten konnte. Zwar fehlte es nicht<lb/>
an dringendem Zureden meiner Freunde, welche<lb/>
in der Meynung &#x017F;tanden, daß ich durch Ueber-<lb/>
nahme jenes Po&#x017F;tens, wenn auch nicht Gutes<lb/>
&#x017F;onderlich zu fo&#x0364;rdern, doch manches Bo&#x0364;&#x017F;e durch<lb/>
meinen Einfluß zu verhu&#x0364;ten im Stande &#x017F;eyn wu&#x0364;r-<lb/>
de: allein das ganze We&#x017F;en, &#x017F;o wie es &#x017F;ich da<lb/>
ge&#x017F;taltet hatte, war mir ein Greuel, und ich<lb/>
lehnte es &#x017F;tandhaft ab, mich damit zu bemengen.<lb/>
Noch a&#x0364;rger ward das Ding, als nun demna&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
zur Raths-Wahl &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;chritten werden &#x017F;ollte.<lb/>
Kabalen kreuzten &#x017F;ich mit Kabalen; einige recht-<lb/>
liche Ma&#x0364;nner, welche die ge&#x017F;etzliche Stimmen-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0206] tungen nicht ſogleich zu finden; die Raͤnkeſchmiede und Selbſtlinge aber waren nur um deſto eifri- ger darauf bedacht, ihr Schaͤfchen dabei zu ſchee- ren und den blinden Unverſtand nach ihren ge- heimen Abſichten zu bearbeiten. Als es daher zur erſten Wahl der Stadt-Verordneten und ei- nes neuen Magiſtrats kam, gieng es dabei ſo ſtuͤrmiſch, unmoraliſch und ordnungswidrig zu, daß ein jeder rechtſchaffner Mann, der es wohl mit der Stadt meynte, ſein aͤuſſerſtes Mißfallen daran haben mußte. Es kann mir alſo auch nicht als Lobſpruch gelten ſollen, wenn ich, obwohl als erſter Stadt- Verordneter gewaͤhlt, mich dieſer Ehre bedankte und mit einer Verſammlung nichts zu ſchaffen haben wollte, von deren gleich im erſten Beginnen kund- gegebenen Geſinnungen ich nichts, als Unheil fuͤr die Stadt erwarten konnte. Zwar fehlte es nicht an dringendem Zureden meiner Freunde, welche in der Meynung ſtanden, daß ich durch Ueber- nahme jenes Poſtens, wenn auch nicht Gutes ſonderlich zu foͤrdern, doch manches Boͤſe durch meinen Einfluß zu verhuͤten im Stande ſeyn wuͤr- de: allein das ganze Weſen, ſo wie es ſich da geſtaltet hatte, war mir ein Greuel, und ich lehnte es ſtandhaft ab, mich damit zu bemengen. Noch aͤrger ward das Ding, als nun demnaͤchſt zur Raths-Wahl ſelbſt geſchritten werden ſollte. Kabalen kreuzten ſich mit Kabalen; einige recht- liche Maͤnner, welche die geſetzliche Stimmen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/206
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/206>, abgerufen am 30.04.2024.