Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

der Machthaber und freuten sich des gestifteten
Unheils; überall Neckerei, Reibung und abge-
neigter Wille, und -- zum Uebermaaß dieses
Nothstandes -- eine vielleicht nicht hinlänglich
beschäftigte Anzahl alter und junger Militairs,
deren Ueberschwang an Lebendigkeit sich in man-
cherlei Störungen des friedlichen bürgerlichen Ver-
kehrs, in Prügel-Scenen, in gewaltsamen An-
griffen und Verwundungen rechtlicher Männer
kund that.

Wiederum auf der andern Seite ist eben so
wenig in Abrede zu stellen, daß unsern Einwoh-
nern durch die Belagerung das Herz ein wenig
groß geworden. Sie hatten in ungewöhnlichen
Anstrengungen auch ungewöhnliche Kräfte in sich
erwecken müssen; und so wie sie sich dadurch selbst
im Werthe gehoben fühlten, wollten sie sich auch
von Andern besser geachtet wissen; während man-
ches andre Verdienst, das sich neben ihnen spreizte,
entweder hie und da noch einige nähere Unter-
suchung zuließ, oder doch, ihres Ermessens, mit
dem angefochtenen eigenen auf gleicher Linie stand.
Aber vielfach hatten sie auch, in der Zeit der
Noth und Gefahr, nicht bloß redlich mit ihrer
Person bezahlt, sondern auch bedeutende Opfer
an Eigenthum und Vermögen dargebracht; hat-
ten gehofft, nach des Feindes Abzuge durch man-
cherlei Erleichterungen sich für soviel Einbußen
und Entbehrungen entschädigt zu sehen, und
fühlten sich nun doppelt getäuscht, da statt der

der Machthaber und freuten ſich des geſtifteten
Unheils; uͤberall Neckerei, Reibung und abge-
neigter Wille, und — zum Uebermaaß dieſes
Nothſtandes — eine vielleicht nicht hinlaͤnglich
beſchaͤftigte Anzahl alter und junger Militairs,
deren Ueberſchwang an Lebendigkeit ſich in man-
cherlei Stoͤrungen des friedlichen buͤrgerlichen Ver-
kehrs, in Pruͤgel-Scenen, in gewaltſamen An-
griffen und Verwundungen rechtlicher Maͤnner
kund that.

Wiederum auf der andern Seite iſt eben ſo
wenig in Abrede zu ſtellen, daß unſern Einwoh-
nern durch die Belagerung das Herz ein wenig
groß geworden. Sie hatten in ungewoͤhnlichen
Anſtrengungen auch ungewoͤhnliche Kraͤfte in ſich
erwecken muͤſſen; und ſo wie ſie ſich dadurch ſelbſt
im Werthe gehoben fuͤhlten, wollten ſie ſich auch
von Andern beſſer geachtet wiſſen; waͤhrend man-
ches andre Verdienſt, das ſich neben ihnen ſpreizte,
entweder hie und da noch einige naͤhere Unter-
ſuchung zuließ, oder doch, ihres Ermeſſens, mit
dem angefochtenen eigenen auf gleicher Linie ſtand.
Aber vielfach hatten ſie auch, in der Zeit der
Noth und Gefahr, nicht bloß redlich mit ihrer
Perſon bezahlt, ſondern auch bedeutende Opfer
an Eigenthum und Vermoͤgen dargebracht; hat-
ten gehofft, nach des Feindes Abzuge durch man-
cherlei Erleichterungen ſich fuͤr ſoviel Einbußen
und Entbehrungen entſchaͤdigt zu ſehen, und
fuͤhlten ſich nun doppelt getaͤuſcht, da ſtatt der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0203" n="187"/>
der Machthaber und freuten &#x017F;ich des ge&#x017F;tifteten<lb/>
Unheils; u&#x0364;berall Neckerei, Reibung und abge-<lb/>
neigter Wille, und &#x2014; zum Uebermaaß die&#x017F;es<lb/>
Noth&#x017F;tandes &#x2014; eine vielleicht nicht hinla&#x0364;nglich<lb/>
be&#x017F;cha&#x0364;ftigte Anzahl alter und junger Militairs,<lb/>
deren Ueber&#x017F;chwang an Lebendigkeit &#x017F;ich in man-<lb/>
cherlei Sto&#x0364;rungen des friedlichen bu&#x0364;rgerlichen Ver-<lb/>
kehrs, in Pru&#x0364;gel-Scenen, in gewalt&#x017F;amen An-<lb/>
griffen und Verwundungen rechtlicher Ma&#x0364;nner<lb/>
kund that.</p><lb/>
        <p>Wiederum auf der andern Seite i&#x017F;t eben &#x017F;o<lb/>
wenig in Abrede zu &#x017F;tellen, daß un&#x017F;ern Einwoh-<lb/>
nern durch die Belagerung das Herz ein wenig<lb/>
groß geworden. Sie hatten in ungewo&#x0364;hnlichen<lb/>
An&#x017F;trengungen auch ungewo&#x0364;hnliche Kra&#x0364;fte in &#x017F;ich<lb/>
erwecken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; und &#x017F;o wie &#x017F;ie &#x017F;ich dadurch &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
im Werthe gehoben fu&#x0364;hlten, wollten &#x017F;ie &#x017F;ich auch<lb/>
von Andern be&#x017F;&#x017F;er geachtet wi&#x017F;&#x017F;en; wa&#x0364;hrend man-<lb/>
ches andre Verdien&#x017F;t, das &#x017F;ich neben ihnen &#x017F;preizte,<lb/>
entweder hie und da noch einige na&#x0364;here Unter-<lb/>
&#x017F;uchung zuließ, oder doch, ihres Erme&#x017F;&#x017F;ens, mit<lb/>
dem angefochtenen eigenen auf gleicher Linie &#x017F;tand.<lb/>
Aber vielfach hatten &#x017F;ie auch, in der Zeit der<lb/>
Noth und Gefahr, nicht bloß redlich mit ihrer<lb/>
Per&#x017F;on bezahlt, &#x017F;ondern auch bedeutende Opfer<lb/>
an Eigenthum und Vermo&#x0364;gen dargebracht; hat-<lb/>
ten gehofft, nach des Feindes Abzuge durch man-<lb/>
cherlei Erleichterungen &#x017F;ich fu&#x0364;r &#x017F;oviel Einbußen<lb/>
und Entbehrungen ent&#x017F;cha&#x0364;digt zu &#x017F;ehen, und<lb/>
fu&#x0364;hlten &#x017F;ich nun doppelt geta&#x0364;u&#x017F;cht, da &#x017F;tatt der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0203] der Machthaber und freuten ſich des geſtifteten Unheils; uͤberall Neckerei, Reibung und abge- neigter Wille, und — zum Uebermaaß dieſes Nothſtandes — eine vielleicht nicht hinlaͤnglich beſchaͤftigte Anzahl alter und junger Militairs, deren Ueberſchwang an Lebendigkeit ſich in man- cherlei Stoͤrungen des friedlichen buͤrgerlichen Ver- kehrs, in Pruͤgel-Scenen, in gewaltſamen An- griffen und Verwundungen rechtlicher Maͤnner kund that. Wiederum auf der andern Seite iſt eben ſo wenig in Abrede zu ſtellen, daß unſern Einwoh- nern durch die Belagerung das Herz ein wenig groß geworden. Sie hatten in ungewoͤhnlichen Anſtrengungen auch ungewoͤhnliche Kraͤfte in ſich erwecken muͤſſen; und ſo wie ſie ſich dadurch ſelbſt im Werthe gehoben fuͤhlten, wollten ſie ſich auch von Andern beſſer geachtet wiſſen; waͤhrend man- ches andre Verdienſt, das ſich neben ihnen ſpreizte, entweder hie und da noch einige naͤhere Unter- ſuchung zuließ, oder doch, ihres Ermeſſens, mit dem angefochtenen eigenen auf gleicher Linie ſtand. Aber vielfach hatten ſie auch, in der Zeit der Noth und Gefahr, nicht bloß redlich mit ihrer Perſon bezahlt, ſondern auch bedeutende Opfer an Eigenthum und Vermoͤgen dargebracht; hat- ten gehofft, nach des Feindes Abzuge durch man- cherlei Erleichterungen ſich fuͤr ſoviel Einbußen und Entbehrungen entſchaͤdigt zu ſehen, und fuͤhlten ſich nun doppelt getaͤuſcht, da ſtatt der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/203
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/203>, abgerufen am 30.04.2024.