Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

ne Gegenfrage war: "Hätte der Herr Obriste in
der That etwas dagegen?" -- Jch sah mich nach
ihm um in dem Gedränge, fand ihn auf, und
wiederholte nun Wort für Wort, was damals
zwischen ihm, seinen Begleitern und mir verhan-
delt worden. Der Mann, zum Läugnen zu ehr-
lich, spielte hiebei eine etwas einfältige Rolle;
während der Auditeur frischweg protokollirte und
sich fast die Finger lahm schrieb. -- Nun endlich
noch die Gewissensfrage: "Ob ich diese Erzäh-
lungen dem Verfasser der Feuerbrände mitgetheilt
hätte?" -- Das konnt' ich mit Wahrheit ver-
neinen; und so nahm das gestrenge Jnquisitions-
Gericht ein Ende, ohne daß weiter Gutes oder
Böses dabei herausgekommen wäre. Auch hab'
ich mich ferner nicht darum gekümmert.

Ueberhaupt muß gesagt werden, daß, seit
Gneisenau's Abschiede, zwischen dem Militair
und der Bürgerschaft in meiner Vaterstadt sich
ein Verhältniß gebildet hatte, welches mit der
jüngst verflossenen Zeit gemeinschaftlichen Be-
drängnisses in einem traurigen Gegensatz stand
und mir, wie jedem patriotisch gesinnten Herzen,
unendlich viel Unmuth, Kummer und Sorge er-
weckt hat, wenn wir bedachten, wie wir unsern
Feinden und Neidern dadurch das empörende
Schauspiel gäben, daß wir, nachdem wir Gefahr
und Ungemach mit einander getragen, nun in
der Ruhe des Friedens -- oder Halb-Friedens
wenigstens -- einander nicht mehr ertragen könn-

ne Gegenfrage war: „Haͤtte der Herr Obriſte in
der That etwas dagegen?‟ — Jch ſah mich nach
ihm um in dem Gedraͤnge, fand ihn auf, und
wiederholte nun Wort fuͤr Wort, was damals
zwiſchen ihm, ſeinen Begleitern und mir verhan-
delt worden. Der Mann, zum Laͤugnen zu ehr-
lich, ſpielte hiebei eine etwas einfaͤltige Rolle;
waͤhrend der Auditeur friſchweg protokollirte und
ſich faſt die Finger lahm ſchrieb. — Nun endlich
noch die Gewiſſensfrage: „Ob ich dieſe Erzaͤh-
lungen dem Verfaſſer der Feuerbraͤnde mitgetheilt
haͤtte?‟ — Das konnt’ ich mit Wahrheit ver-
neinen; und ſo nahm das geſtrenge Jnquiſitions-
Gericht ein Ende, ohne daß weiter Gutes oder
Boͤſes dabei herausgekommen waͤre. Auch hab’
ich mich ferner nicht darum gekuͤmmert.

Ueberhaupt muß geſagt werden, daß, ſeit
Gneiſenau’s Abſchiede, zwiſchen dem Militair
und der Buͤrgerſchaft in meiner Vaterſtadt ſich
ein Verhaͤltniß gebildet hatte, welches mit der
juͤngſt verfloſſenen Zeit gemeinſchaftlichen Be-
draͤngniſſes in einem traurigen Gegenſatz ſtand
und mir, wie jedem patriotiſch geſinnten Herzen,
unendlich viel Unmuth, Kummer und Sorge er-
weckt hat, wenn wir bedachten, wie wir unſern
Feinden und Neidern dadurch das empoͤrende
Schauſpiel gaͤben, daß wir, nachdem wir Gefahr
und Ungemach mit einander getragen, nun in
der Ruhe des Friedens — oder Halb-Friedens
wenigſtens — einander nicht mehr ertragen koͤnn-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0201" n="185"/>
ne Gegenfrage war: &#x201E;Ha&#x0364;tte der Herr Obri&#x017F;te in<lb/>
der That etwas dagegen?&#x201F; &#x2014; Jch &#x017F;ah mich nach<lb/>
ihm um in dem Gedra&#x0364;nge, fand ihn auf, und<lb/>
wiederholte nun Wort fu&#x0364;r Wort, was damals<lb/>
zwi&#x017F;chen ihm, &#x017F;einen Begleitern und mir verhan-<lb/>
delt worden. Der Mann, zum La&#x0364;ugnen zu ehr-<lb/>
lich, &#x017F;pielte hiebei eine etwas einfa&#x0364;ltige Rolle;<lb/>
wa&#x0364;hrend der Auditeur fri&#x017F;chweg protokollirte und<lb/>
&#x017F;ich fa&#x017F;t die Finger lahm &#x017F;chrieb. &#x2014; Nun endlich<lb/>
noch die Gewi&#x017F;&#x017F;ensfrage: &#x201E;Ob <hi rendition="#g">ich</hi> die&#x017F;e Erza&#x0364;h-<lb/>
lungen dem Verfa&#x017F;&#x017F;er der Feuerbra&#x0364;nde mitgetheilt<lb/>
ha&#x0364;tte?&#x201F; &#x2014; Das konnt&#x2019; ich mit Wahrheit ver-<lb/>
neinen; und &#x017F;o nahm das ge&#x017F;trenge Jnqui&#x017F;itions-<lb/>
Gericht ein Ende, ohne daß weiter Gutes oder<lb/>
Bo&#x0364;&#x017F;es dabei herausgekommen wa&#x0364;re. Auch hab&#x2019;<lb/>
ich mich ferner nicht darum geku&#x0364;mmert.</p><lb/>
        <p>Ueberhaupt muß ge&#x017F;agt werden, daß, &#x017F;eit<lb/>
Gnei&#x017F;enau&#x2019;s Ab&#x017F;chiede, zwi&#x017F;chen dem Militair<lb/>
und der Bu&#x0364;rger&#x017F;chaft in meiner Vater&#x017F;tadt &#x017F;ich<lb/>
ein Verha&#x0364;ltniß gebildet hatte, welches mit der<lb/>
ju&#x0364;ng&#x017F;t verflo&#x017F;&#x017F;enen Zeit gemein&#x017F;chaftlichen Be-<lb/>
dra&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;es in einem traurigen Gegen&#x017F;atz &#x017F;tand<lb/>
und mir, wie jedem patrioti&#x017F;ch ge&#x017F;innten Herzen,<lb/>
unendlich viel Unmuth, Kummer und Sorge er-<lb/>
weckt hat, wenn wir bedachten, wie wir un&#x017F;ern<lb/>
Feinden und Neidern dadurch das empo&#x0364;rende<lb/>
Schau&#x017F;piel ga&#x0364;ben, daß wir, nachdem wir Gefahr<lb/>
und Ungemach mit einander getragen, nun in<lb/>
der Ruhe des Friedens &#x2014; oder Halb-Friedens<lb/>
wenig&#x017F;tens &#x2014; einander nicht mehr ertragen ko&#x0364;nn-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0201] ne Gegenfrage war: „Haͤtte der Herr Obriſte in der That etwas dagegen?‟ — Jch ſah mich nach ihm um in dem Gedraͤnge, fand ihn auf, und wiederholte nun Wort fuͤr Wort, was damals zwiſchen ihm, ſeinen Begleitern und mir verhan- delt worden. Der Mann, zum Laͤugnen zu ehr- lich, ſpielte hiebei eine etwas einfaͤltige Rolle; waͤhrend der Auditeur friſchweg protokollirte und ſich faſt die Finger lahm ſchrieb. — Nun endlich noch die Gewiſſensfrage: „Ob ich dieſe Erzaͤh- lungen dem Verfaſſer der Feuerbraͤnde mitgetheilt haͤtte?‟ — Das konnt’ ich mit Wahrheit ver- neinen; und ſo nahm das geſtrenge Jnquiſitions- Gericht ein Ende, ohne daß weiter Gutes oder Boͤſes dabei herausgekommen waͤre. Auch hab’ ich mich ferner nicht darum gekuͤmmert. Ueberhaupt muß geſagt werden, daß, ſeit Gneiſenau’s Abſchiede, zwiſchen dem Militair und der Buͤrgerſchaft in meiner Vaterſtadt ſich ein Verhaͤltniß gebildet hatte, welches mit der juͤngſt verfloſſenen Zeit gemeinſchaftlichen Be- draͤngniſſes in einem traurigen Gegenſatz ſtand und mir, wie jedem patriotiſch geſinnten Herzen, unendlich viel Unmuth, Kummer und Sorge er- weckt hat, wenn wir bedachten, wie wir unſern Feinden und Neidern dadurch das empoͤrende Schauſpiel gaͤben, daß wir, nachdem wir Gefahr und Ungemach mit einander getragen, nun in der Ruhe des Friedens — oder Halb-Friedens wenigſtens — einander nicht mehr ertragen koͤnn-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/201
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/201>, abgerufen am 30.04.2024.