ganz übergienge und dadurch gleichsam stillschwei- gend zurücknähme. Daß ich nicht gerne davon spreche, wird man mir glauben; indeß stehe hier meine treue und einfältige Erzählung!
Jn einer Nacht, wo es scharf über die Stadt hergieng, (es war zwischen dem 1. und 2. Jul.) befand ich mich auf dem Markte, neben dem Sprützenhause, um sofort bei der Hand zu seyn, wenn irgend etwa eine Bombe zündete. Hier eilte nun ein Mann im grauen Regenmantel und die weisse Schlafmütze in's Angesicht gezogen, mit weiten Schritten an mir vorüber, und verlor sich in einen Weinkeller, den man für bomben- fest hielt und wohin sich deswegen bereits meh- rere alte Männer, Frauen und Kinder, zusammt einigen furchtsamen Bürgern, vor dem feindlichen Geschoß geflüchtet hatten. Gleich nachher aber stürmte aus eben diesem Keller der Haufe in größter Verwirrung hervor; und indem ich mich nach der Veranlassung erkundige, erfahre ich: Es sey eine Granate durch das Gewölbe hineinge- drungen. Jch steige hinunter, um mich zu über- zeugen, ob Schaden geschehen und Hülfe nöthig sey. Davon zeigt sich indeß nirgend eine Spur; man faßt nun wieder Muth, kehrt in den ver- lassenen Zufluchtsort zurück, und drei meiner Be- kannten, rechtliche Männer, fordern mich auf, noch einige Augenblicke zu verweilen und ein Glas Wein mit ihnen zu trinken.
Jndem ich mir nun hierbei die bunte Ver-
3. Bändchen. (12)
ganz uͤbergienge und dadurch gleichſam ſtillſchwei- gend zuruͤcknaͤhme. Daß ich nicht gerne davon ſpreche, wird man mir glauben; indeß ſtehe hier meine treue und einfaͤltige Erzaͤhlung!
Jn einer Nacht, wo es ſcharf uͤber die Stadt hergieng, (es war zwiſchen dem 1. und 2. Jul.) befand ich mich auf dem Markte, neben dem Spruͤtzenhauſe, um ſofort bei der Hand zu ſeyn, wenn irgend etwa eine Bombe zuͤndete. Hier eilte nun ein Mann im grauen Regenmantel und die weiſſe Schlafmuͤtze in’s Angeſicht gezogen, mit weiten Schritten an mir voruͤber, und verlor ſich in einen Weinkeller, den man fuͤr bomben- feſt hielt und wohin ſich deswegen bereits meh- rere alte Maͤnner, Frauen und Kinder, zuſammt einigen furchtſamen Buͤrgern, vor dem feindlichen Geſchoß gefluͤchtet hatten. Gleich nachher aber ſtuͤrmte aus eben dieſem Keller der Haufe in groͤßter Verwirrung hervor; und indem ich mich nach der Veranlaſſung erkundige, erfahre ich: Es ſey eine Granate durch das Gewoͤlbe hineinge- drungen. Jch ſteige hinunter, um mich zu uͤber- zeugen, ob Schaden geſchehen und Huͤlfe noͤthig ſey. Davon zeigt ſich indeß nirgend eine Spur; man faßt nun wieder Muth, kehrt in den ver- laſſenen Zufluchtsort zuruͤck, und drei meiner Be- kannten, rechtliche Maͤnner, fordern mich auf, noch einige Augenblicke zu verweilen und ein Glas Wein mit ihnen zu trinken.
Jndem ich mir nun hierbei die bunte Ver-
3. Baͤndchen. (12)
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ganz uͤbergienge und dadurch gleichſam ſtillſchwei-
gend zuruͤcknaͤhme. Daß ich nicht gerne davon
ſpreche, wird man mir glauben; indeß ſtehe hier
meine treue und einfaͤltige Erzaͤhlung!
Jn einer Nacht, wo es ſcharf uͤber die Stadt
hergieng, (es war zwiſchen dem 1. und 2. Jul.)
befand ich mich auf dem Markte, neben dem
Spruͤtzenhauſe, um ſofort bei der Hand zu ſeyn,
wenn irgend etwa eine Bombe zuͤndete. Hier
eilte nun ein Mann im grauen Regenmantel und
die weiſſe Schlafmuͤtze in’s Angeſicht gezogen,
mit weiten Schritten an mir voruͤber, und verlor
ſich in einen Weinkeller, den man fuͤr bomben-
feſt hielt und wohin ſich deswegen bereits meh-
rere alte Maͤnner, Frauen und Kinder, zuſammt
einigen furchtſamen Buͤrgern, vor dem feindlichen
Geſchoß gefluͤchtet hatten. Gleich nachher aber
ſtuͤrmte aus eben dieſem Keller der Haufe in
groͤßter Verwirrung hervor; und indem ich mich
nach der Veranlaſſung erkundige, erfahre ich: Es
ſey eine Granate durch das Gewoͤlbe hineinge-
drungen. Jch ſteige hinunter, um mich zu uͤber-
zeugen, ob Schaden geſchehen und Huͤlfe noͤthig
ſey. Davon zeigt ſich indeß nirgend eine Spur;
man faßt nun wieder Muth, kehrt in den ver-
laſſenen Zufluchtsort zuruͤck, und drei meiner Be-
kannten, rechtliche Maͤnner, fordern mich auf,
noch einige Augenblicke zu verweilen und ein Glas
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Jndem ich mir nun hierbei die bunte Ver-
3. Baͤndchen. (12)
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/193>, abgerufen am 20.07.2024.
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