die Hoffnung eines glücklichen Ausgangs in sich lebendig: aber Alle ohne Ausnahme gaben das Beispiel einer willigen Ergebung in das unver- meidliche Schicksal. Sie hatten es in Gneisenau's Hand gelegt; mit Jhm standen, mit Jhm fielen sie! Vertrauenvoll liessen sie Jhn walten!
Höher aber und höher stiegen Gefahr und Noth von Stunde zu Stunde. Um 9 Uhr Mor- gens, während noch das Rathhaus loderte, ge- rieth, durch eine andre Bombe entzündet, auch das Gebäude des Stadthofs in Flammen und pflanzte sich fort auf drei angrenzende Häuser. Die schwachen Versuche zum Löschen blieben aber bald dem Feuer nicht mehr gewachsen. Man sah sich genöthigt, brennen zu lassen, was brennen wollte. Die gleiche traurige Nothwendigkeit trat wiederum ein, als auch Nachmittags um 2 Uhr ein Speicher in vollem Brande stand und Nie- mand mehr wußte, ob es dringender sey, dem Feinde von aussen zu wehren, oder die Flammen zu löschen, oder das eigne kümmerliche Leben vor den rings umher sausenden Feuerbällen zu wah- ren. Des Feindes Muth und Anstrengung aber wuchs in eben dem Maasse, als die Werkzeuge seiner Zerstörung sich in ihrer furchtbaren Wirk- samkeit offenbarten.
Gneisenau's scharfes Auge aber, das mitten in diesem gräßlichen Tumulte jede Bewegung sei- nes Gegners hütete, ließ es nicht unbeachtet, daß Dieser bereits Vorbereitungen traf, sich von der
die Hoffnung eines gluͤcklichen Ausgangs in ſich lebendig: aber Alle ohne Ausnahme gaben das Beiſpiel einer willigen Ergebung in das unver- meidliche Schickſal. Sie hatten es in Gneiſenau’s Hand gelegt; mit Jhm ſtanden, mit Jhm fielen ſie! Vertrauenvoll lieſſen ſie Jhn walten!
Hoͤher aber und hoͤher ſtiegen Gefahr und Noth von Stunde zu Stunde. Um 9 Uhr Mor- gens, waͤhrend noch das Rathhaus loderte, ge- rieth, durch eine andre Bombe entzuͤndet, auch das Gebaͤude des Stadthofs in Flammen und pflanzte ſich fort auf drei angrenzende Haͤuſer. Die ſchwachen Verſuche zum Loͤſchen blieben aber bald dem Feuer nicht mehr gewachſen. Man ſah ſich genoͤthigt, brennen zu laſſen, was brennen wollte. Die gleiche traurige Nothwendigkeit trat wiederum ein, als auch Nachmittags um 2 Uhr ein Speicher in vollem Brande ſtand und Nie- mand mehr wußte, ob es dringender ſey, dem Feinde von auſſen zu wehren, oder die Flammen zu loͤſchen, oder das eigne kuͤmmerliche Leben vor den rings umher ſauſenden Feuerbaͤllen zu wah- ren. Des Feindes Muth und Anſtrengung aber wuchs in eben dem Maaſſe, als die Werkzeuge ſeiner Zerſtoͤrung ſich in ihrer furchtbaren Wirk- ſamkeit offenbarten.
Gneiſenau’s ſcharfes Auge aber, das mitten in dieſem graͤßlichen Tumulte jede Bewegung ſei- nes Gegners huͤtete, ließ es nicht unbeachtet, daß Dieſer bereits Vorbereitungen traf, ſich von der
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die Hoffnung eines gluͤcklichen Ausgangs in ſich
lebendig: aber Alle ohne Ausnahme gaben das
Beiſpiel einer willigen Ergebung in das unver-
meidliche Schickſal. Sie hatten es in Gneiſenau’s
Hand gelegt; mit Jhm ſtanden, mit Jhm fielen
ſie! Vertrauenvoll lieſſen ſie Jhn walten!
Hoͤher aber und hoͤher ſtiegen Gefahr und
Noth von Stunde zu Stunde. Um 9 Uhr Mor-
gens, waͤhrend noch das Rathhaus loderte, ge-
rieth, durch eine andre Bombe entzuͤndet, auch
das Gebaͤude des Stadthofs in Flammen und
pflanzte ſich fort auf drei angrenzende Haͤuſer.
Die ſchwachen Verſuche zum Loͤſchen blieben aber
bald dem Feuer nicht mehr gewachſen. Man ſah
ſich genoͤthigt, brennen zu laſſen, was brennen
wollte. Die gleiche traurige Nothwendigkeit trat
wiederum ein, als auch Nachmittags um 2 Uhr
ein Speicher in vollem Brande ſtand und Nie-
mand mehr wußte, ob es dringender ſey, dem
Feinde von auſſen zu wehren, oder die Flammen
zu loͤſchen, oder das eigne kuͤmmerliche Leben vor
den rings umher ſauſenden Feuerbaͤllen zu wah-
ren. Des Feindes Muth und Anſtrengung aber
wuchs in eben dem Maaſſe, als die Werkzeuge
ſeiner Zerſtoͤrung ſich in ihrer furchtbaren Wirk-
ſamkeit offenbarten.
Gneiſenau’s ſcharfes Auge aber, das mitten
in dieſem graͤßlichen Tumulte jede Bewegung ſei-
nes Gegners huͤtete, ließ es nicht unbeachtet, daß
Dieſer bereits Vorbereitungen traf, ſich von der
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/172>, abgerufen am 16.02.2025.
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