fast unter die Palisaden vorgedrungen waren, wurden sie mit einem Kartätschen-Feuer empfan- gen, dessen Wirkungen gräßlich waren. Dennoch verloren die Angreifenden den Muth eben so we- nig, als die Angegriffenen die Besonnenheit zur nachdrücklichsten Gegenwehr. Man kam auf der Brustwehr selbst zum lebhaften Handgemenge, und Wunder der Tapferkeit geschahen von beiden Seiten. Allein den Feind in seinem vortheilhaf- ten Posten zu überwältigen, ward, trotz den bei- spiellosesten Anstrengungen, mit jedem Augen- blicke des verlängerten Gefechts unmöglicher be- funden. Mehr als 400 unsrer Gefallenen lagen auf dem Platze; und von den Grenadieren, de- ren Zahl bereits durch frühere Verluste ansehnlich geschmolzen war, stand nur noch ein geringes Häuflein übrig. Mit bitterm Schmerze mußte man sich entschliessen, den Rückzug anzutreten; und das edelste Blut war fruchtlos vergossen!
Nicht geringer war unsre Betrübniß, die wir am Bord der Fregatte waren, und unsre Leute endlich weichen sahen. Sobald sie sich in- deß eine kleine Strecke, unverfolgt, entfernt hat- ten, erneuerte, auf mein Zuthun, unser Schiff sein Feuer; und so wurden noch fast an 200 Kugeln auf die Schanze geschleudert. Während dieser Kanonade verhielten sich die Franzosen wiederum mäuschenstille. Wir empfiengen nicht einen einzigen Schuß zurück; bis ich endlich, da nichts weiter auszurichten war, die Fregatte auf
faſt unter die Paliſaden vorgedrungen waren, wurden ſie mit einem Kartaͤtſchen-Feuer empfan- gen, deſſen Wirkungen graͤßlich waren. Dennoch verloren die Angreifenden den Muth eben ſo we- nig, als die Angegriffenen die Beſonnenheit zur nachdruͤcklichſten Gegenwehr. Man kam auf der Bruſtwehr ſelbſt zum lebhaften Handgemenge, und Wunder der Tapferkeit geſchahen von beiden Seiten. Allein den Feind in ſeinem vortheilhaf- ten Poſten zu uͤberwaͤltigen, ward, trotz den bei- ſpielloſeſten Anſtrengungen, mit jedem Augen- blicke des verlaͤngerten Gefechts unmoͤglicher be- funden. Mehr als 400 unſrer Gefallenen lagen auf dem Platze; und von den Grenadieren, de- ren Zahl bereits durch fruͤhere Verluſte anſehnlich geſchmolzen war, ſtand nur noch ein geringes Haͤuflein uͤbrig. Mit bitterm Schmerze mußte man ſich entſchlieſſen, den Ruͤckzug anzutreten; und das edelſte Blut war fruchtlos vergoſſen!
Nicht geringer war unſre Betruͤbniß, die wir am Bord der Fregatte waren, und unſre Leute endlich weichen ſahen. Sobald ſie ſich in- deß eine kleine Strecke, unverfolgt, entfernt hat- ten, erneuerte, auf mein Zuthun, unſer Schiff ſein Feuer; und ſo wurden noch faſt an 200 Kugeln auf die Schanze geſchleudert. Waͤhrend dieſer Kanonade verhielten ſich die Franzoſen wiederum maͤuschenſtille. Wir empfiengen nicht einen einzigen Schuß zuruͤck; bis ich endlich, da nichts weiter auszurichten war, die Fregatte auf
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faſt unter die Paliſaden vorgedrungen waren,
wurden ſie mit einem Kartaͤtſchen-Feuer empfan-
gen, deſſen Wirkungen graͤßlich waren. Dennoch
verloren die Angreifenden den Muth eben ſo we-
nig, als die Angegriffenen die Beſonnenheit zur
nachdruͤcklichſten Gegenwehr. Man kam auf der
Bruſtwehr ſelbſt zum lebhaften Handgemenge,
und Wunder der Tapferkeit geſchahen von beiden
Seiten. Allein den Feind in ſeinem vortheilhaf-
ten Poſten zu uͤberwaͤltigen, ward, trotz den bei-
ſpielloſeſten Anſtrengungen, mit jedem Augen-
blicke des verlaͤngerten Gefechts unmoͤglicher be-
funden. Mehr als 400 unſrer Gefallenen lagen
auf dem Platze; und von den Grenadieren, de-
ren Zahl bereits durch fruͤhere Verluſte anſehnlich
geſchmolzen war, ſtand nur noch ein geringes
Haͤuflein uͤbrig. Mit bitterm Schmerze mußte
man ſich entſchlieſſen, den Ruͤckzug anzutreten;
und das edelſte Blut war fruchtlos vergoſſen!
Nicht geringer war unſre Betruͤbniß, die
wir am Bord der Fregatte waren, und unſre
Leute endlich weichen ſahen. Sobald ſie ſich in-
deß eine kleine Strecke, unverfolgt, entfernt hat-
ten, erneuerte, auf mein Zuthun, unſer Schiff
ſein Feuer; und ſo wurden noch faſt an 200
Kugeln auf die Schanze geſchleudert. Waͤhrend
dieſer Kanonade verhielten ſich die Franzoſen
wiederum maͤuschenſtille. Wir empfiengen nicht
einen einzigen Schuß zuruͤck; bis ich endlich, da
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/154>, abgerufen am 16.02.2025.
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