Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

vollkommnes Werk, da ihm der feste Grund man-
gelte und das Wasser unten durchsickerte.

Noch zwar konnte die fast tägliche und oft
ziemlich lebhafte Beschiessung der Stadt für kein
eigentliches Bombardement gelten: aber doch
führte sie den Ruin gar vieler Häuser herbei und
die Beispiele von aufgehenden Brandflammen, so
wie von verunglückten oder entsetzlich verstümmel-
ten Menschen in Häusern und auf den Gassen
wurden immer häufiger. Man durfte sich nir-
gends mehr in den Wohnungen und im Freien
für ganz sicher halten; und jemehr Gebäude durch
Bomben und Granaten unwohnlich gemacht wor-
den waren, um so höher stieg auch die Zahl der
Unglücklichen, denen es an Obdach, wie an Mit-
teln zum Unterhalt fehlte. Schon zu Anfang
Aprils hatte Loucadou einige, wiewohl unzurei-
chende Veranstaltungen getroffen, eine Anzahl
unnützer Menschen, Arme und die für ihren Un-
terhalt auf keine Weise sorgen konnten, aus der
Festung und auf Böten nach Rügenwalde zu
schaffen: aber noch immer waren viel zu viel
Leute dieser Art vorhanden, die dem Ganzen zur
Last fielen und denen des Commandanten Men-
schenfreundlichkeit ihr unglückliches Loos durch eine
gezwungene Auswanderung nicht noch mehr er-
schweren mochte.

Diese bedaurenswerthen Menschen irrten nun
häufig in den Straßen umher, während die feind-
lichen Kugeln immerdar über ihren Köpfen weg-

vollkommnes Werk, da ihm der feſte Grund man-
gelte und das Waſſer unten durchſickerte.

Noch zwar konnte die faſt taͤgliche und oft
ziemlich lebhafte Beſchieſſung der Stadt fuͤr kein
eigentliches Bombardement gelten: aber doch
fuͤhrte ſie den Ruin gar vieler Haͤuſer herbei und
die Beiſpiele von aufgehenden Brandflammen, ſo
wie von verungluͤckten oder entſetzlich verſtuͤmmel-
ten Menſchen in Haͤuſern und auf den Gaſſen
wurden immer haͤufiger. Man durfte ſich nir-
gends mehr in den Wohnungen und im Freien
fuͤr ganz ſicher halten; und jemehr Gebaͤude durch
Bomben und Granaten unwohnlich gemacht wor-
den waren, um ſo hoͤher ſtieg auch die Zahl der
Ungluͤcklichen, denen es an Obdach, wie an Mit-
teln zum Unterhalt fehlte. Schon zu Anfang
Aprils hatte Loucadou einige, wiewohl unzurei-
chende Veranſtaltungen getroffen, eine Anzahl
unnuͤtzer Menſchen, Arme und die fuͤr ihren Un-
terhalt auf keine Weiſe ſorgen konnten, aus der
Feſtung und auf Boͤten nach Ruͤgenwalde zu
ſchaffen: aber noch immer waren viel zu viel
Leute dieſer Art vorhanden, die dem Ganzen zur
Laſt fielen und denen des Commandanten Men-
ſchenfreundlichkeit ihr ungluͤckliches Loos durch eine
gezwungene Auswanderung nicht noch mehr er-
ſchweren mochte.

Dieſe bedaurenswerthen Menſchen irrten nun
haͤufig in den Straßen umher, waͤhrend die feind-
lichen Kugeln immerdar uͤber ihren Koͤpfen weg-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0139" n="123"/>
vollkommnes Werk, da ihm der fe&#x017F;te Grund man-<lb/>
gelte und das Wa&#x017F;&#x017F;er unten durch&#x017F;ickerte.</p><lb/>
        <p>Noch zwar konnte die fa&#x017F;t ta&#x0364;gliche und oft<lb/>
ziemlich lebhafte Be&#x017F;chie&#x017F;&#x017F;ung der Stadt fu&#x0364;r kein<lb/>
eigentliches Bombardement gelten: aber doch<lb/>
fu&#x0364;hrte &#x017F;ie den Ruin gar vieler Ha&#x0364;u&#x017F;er herbei und<lb/>
die Bei&#x017F;piele von aufgehenden Brandflammen, &#x017F;o<lb/>
wie von verunglu&#x0364;ckten oder ent&#x017F;etzlich ver&#x017F;tu&#x0364;mmel-<lb/>
ten Men&#x017F;chen in Ha&#x0364;u&#x017F;ern und auf den Ga&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wurden immer ha&#x0364;ufiger. Man durfte &#x017F;ich nir-<lb/>
gends mehr in den Wohnungen und im Freien<lb/>
fu&#x0364;r ganz &#x017F;icher halten; und jemehr Geba&#x0364;ude durch<lb/>
Bomben und Granaten unwohnlich gemacht wor-<lb/>
den waren, um &#x017F;o ho&#x0364;her &#x017F;tieg auch die Zahl der<lb/>
Unglu&#x0364;cklichen, denen es an Obdach, wie an Mit-<lb/>
teln zum Unterhalt fehlte. Schon zu Anfang<lb/>
Aprils hatte Loucadou einige, wiewohl unzurei-<lb/>
chende Veran&#x017F;taltungen getroffen, eine Anzahl<lb/>
unnu&#x0364;tzer Men&#x017F;chen, Arme und die fu&#x0364;r ihren Un-<lb/>
terhalt auf keine Wei&#x017F;e &#x017F;orgen konnten, aus der<lb/>
Fe&#x017F;tung und auf Bo&#x0364;ten nach Ru&#x0364;genwalde zu<lb/>
&#x017F;chaffen: aber noch immer waren viel zu viel<lb/>
Leute die&#x017F;er Art vorhanden, die dem Ganzen zur<lb/>
La&#x017F;t fielen und denen des Commandanten Men-<lb/>
&#x017F;chenfreundlichkeit ihr unglu&#x0364;ckliches Loos durch eine<lb/>
gezwungene Auswanderung nicht noch mehr er-<lb/>
&#x017F;chweren mochte.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e bedaurenswerthen Men&#x017F;chen irrten nun<lb/>
ha&#x0364;ufig in den Straßen umher, wa&#x0364;hrend die feind-<lb/>
lichen Kugeln immerdar u&#x0364;ber ihren Ko&#x0364;pfen weg-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0139] vollkommnes Werk, da ihm der feſte Grund man- gelte und das Waſſer unten durchſickerte. Noch zwar konnte die faſt taͤgliche und oft ziemlich lebhafte Beſchieſſung der Stadt fuͤr kein eigentliches Bombardement gelten: aber doch fuͤhrte ſie den Ruin gar vieler Haͤuſer herbei und die Beiſpiele von aufgehenden Brandflammen, ſo wie von verungluͤckten oder entſetzlich verſtuͤmmel- ten Menſchen in Haͤuſern und auf den Gaſſen wurden immer haͤufiger. Man durfte ſich nir- gends mehr in den Wohnungen und im Freien fuͤr ganz ſicher halten; und jemehr Gebaͤude durch Bomben und Granaten unwohnlich gemacht wor- den waren, um ſo hoͤher ſtieg auch die Zahl der Ungluͤcklichen, denen es an Obdach, wie an Mit- teln zum Unterhalt fehlte. Schon zu Anfang Aprils hatte Loucadou einige, wiewohl unzurei- chende Veranſtaltungen getroffen, eine Anzahl unnuͤtzer Menſchen, Arme und die fuͤr ihren Un- terhalt auf keine Weiſe ſorgen konnten, aus der Feſtung und auf Boͤten nach Ruͤgenwalde zu ſchaffen: aber noch immer waren viel zu viel Leute dieſer Art vorhanden, die dem Ganzen zur Laſt fielen und denen des Commandanten Men- ſchenfreundlichkeit ihr ungluͤckliches Loos durch eine gezwungene Auswanderung nicht noch mehr er- ſchweren mochte. Dieſe bedaurenswerthen Menſchen irrten nun haͤufig in den Straßen umher, waͤhrend die feind- lichen Kugeln immerdar uͤber ihren Koͤpfen weg-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/139
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/139>, abgerufen am 04.05.2024.