Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

auch lustig auf dem Papiere hin, und man sah
wohl, es war sein Handwerk. Jndem ich aber
von Zeit zu Zeit, über seine Schulter hin, in
das Geschreibsel schielte, nahm ich bald wahr,
daß der Jnhalt, voll Schmähungen und harter
Vorwürfe, nicht dazu gemacht war, ihm an Lou-
cadou einen Patron und Gönner zu erwerben.
Um also ferneres Unheil zu verhüten, und da die
Blattseite eben voll war, sagte ich: "Nun ist's
wohl Zeit, auch Sand darauf zu streuen;" --
nahm das volle Dintenfaß und goß es über die
Pastete her. Er stutzte; Alles lachte. Endlich
lachte er mit; schüttelte mir die Hand, und sein
Aerger war vergessen.

Seit dem letzten mißlungenen Versuch auf
die Maikuhle ließ es der Feind dabei bewenden,
und es geschahen nur hie und da einige Angriffe
auf unsre Vorpostenkette, um unsre Aufmerksam-
keit zu beschäftigen. Dagegen wagte er sich,
ohne daß wir einige Kunde davon erhielten, in
diesen Tagen an ein Unternehmen, das kühn und
groß genug aufgefaßt war, um, wenn die Aus-
führung glückte, uns mit all unsern bisherigen
Vertheidigungs-Anstalten, im eigentlichsten Wort-
verstande, auf's Trockne zu bringen. Es sollte
nemlich darauf ankommen, der Persante ein an-
dres Bette zu graben und sie in den Campschen
See abzuleiten. Dies sollte in der Niederung
zwischen Sellnow und dem Kauzenberge, durch
die Bürgerwiesen und den Prinzendamm, längs

(7 *)

auch luſtig auf dem Papiere hin, und man ſah
wohl, es war ſein Handwerk. Jndem ich aber
von Zeit zu Zeit, uͤber ſeine Schulter hin, in
das Geſchreibſel ſchielte, nahm ich bald wahr,
daß der Jnhalt, voll Schmaͤhungen und harter
Vorwuͤrfe, nicht dazu gemacht war, ihm an Lou-
cadou einen Patron und Goͤnner zu erwerben.
Um alſo ferneres Unheil zu verhuͤten, und da die
Blattſeite eben voll war, ſagte ich: „Nun iſt’s
wohl Zeit, auch Sand darauf zu ſtreuen;‟ —
nahm das volle Dintenfaß und goß es uͤber die
Paſtete her. Er ſtutzte; Alles lachte. Endlich
lachte er mit; ſchuͤttelte mir die Hand, und ſein
Aerger war vergeſſen.

Seit dem letzten mißlungenen Verſuch auf
die Maikuhle ließ es der Feind dabei bewenden,
und es geſchahen nur hie und da einige Angriffe
auf unſre Vorpoſtenkette, um unſre Aufmerkſam-
keit zu beſchaͤftigen. Dagegen wagte er ſich,
ohne daß wir einige Kunde davon erhielten, in
dieſen Tagen an ein Unternehmen, das kuͤhn und
groß genug aufgefaßt war, um, wenn die Aus-
fuͤhrung gluͤckte, uns mit all unſern bisherigen
Vertheidigungs-Anſtalten, im eigentlichſten Wort-
verſtande, auf’s Trockne zu bringen. Es ſollte
nemlich darauf ankommen, der Perſante ein an-
dres Bette zu graben und ſie in den Campſchen
See abzuleiten. Dies ſollte in der Niederung
zwiſchen Sellnow und dem Kauzenberge, durch
die Buͤrgerwieſen und den Prinzendamm, laͤngs

(7 *)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0115" n="99"/>
auch lu&#x017F;tig auf dem Papiere hin, und man &#x017F;ah<lb/>
wohl, es war &#x017F;ein Handwerk. Jndem ich aber<lb/>
von Zeit zu Zeit, u&#x0364;ber &#x017F;eine Schulter hin, in<lb/>
das Ge&#x017F;chreib&#x017F;el &#x017F;chielte, nahm ich bald wahr,<lb/>
daß der Jnhalt, voll Schma&#x0364;hungen und harter<lb/>
Vorwu&#x0364;rfe, nicht dazu gemacht war, ihm an Lou-<lb/>
cadou einen Patron und Go&#x0364;nner zu erwerben.<lb/>
Um al&#x017F;o ferneres Unheil zu verhu&#x0364;ten, und da die<lb/>
Blatt&#x017F;eite eben voll war, &#x017F;agte ich: &#x201E;Nun i&#x017F;t&#x2019;s<lb/>
wohl Zeit, auch Sand darauf zu &#x017F;treuen;&#x201F; &#x2014;<lb/>
nahm das volle Dintenfaß und goß es u&#x0364;ber die<lb/>
Pa&#x017F;tete her. Er &#x017F;tutzte; Alles lachte. Endlich<lb/>
lachte er mit; &#x017F;chu&#x0364;ttelte mir die Hand, und &#x017F;ein<lb/>
Aerger war verge&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Seit dem letzten mißlungenen Ver&#x017F;uch auf<lb/>
die Maikuhle ließ es der Feind dabei bewenden,<lb/>
und es ge&#x017F;chahen nur hie und da einige Angriffe<lb/>
auf un&#x017F;re Vorpo&#x017F;tenkette, um un&#x017F;re Aufmerk&#x017F;am-<lb/>
keit zu be&#x017F;cha&#x0364;ftigen. Dagegen wagte er &#x017F;ich,<lb/>
ohne daß wir einige Kunde davon erhielten, in<lb/>
die&#x017F;en Tagen an ein Unternehmen, das ku&#x0364;hn und<lb/>
groß genug aufgefaßt war, um, wenn die Aus-<lb/>
fu&#x0364;hrung glu&#x0364;ckte, uns mit all un&#x017F;ern bisherigen<lb/>
Vertheidigungs-An&#x017F;talten, im eigentlich&#x017F;ten Wort-<lb/>
ver&#x017F;tande, auf&#x2019;s Trockne zu bringen. Es &#x017F;ollte<lb/>
nemlich darauf ankommen, der Per&#x017F;ante ein an-<lb/>
dres Bette zu graben und &#x017F;ie in den Camp&#x017F;chen<lb/>
See abzuleiten. Dies &#x017F;ollte in der Niederung<lb/>
zwi&#x017F;chen Sellnow und dem Kauzenberge, durch<lb/>
die Bu&#x0364;rgerwie&#x017F;en und den Prinzendamm, la&#x0364;ngs<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(7 *)</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0115] auch luſtig auf dem Papiere hin, und man ſah wohl, es war ſein Handwerk. Jndem ich aber von Zeit zu Zeit, uͤber ſeine Schulter hin, in das Geſchreibſel ſchielte, nahm ich bald wahr, daß der Jnhalt, voll Schmaͤhungen und harter Vorwuͤrfe, nicht dazu gemacht war, ihm an Lou- cadou einen Patron und Goͤnner zu erwerben. Um alſo ferneres Unheil zu verhuͤten, und da die Blattſeite eben voll war, ſagte ich: „Nun iſt’s wohl Zeit, auch Sand darauf zu ſtreuen;‟ — nahm das volle Dintenfaß und goß es uͤber die Paſtete her. Er ſtutzte; Alles lachte. Endlich lachte er mit; ſchuͤttelte mir die Hand, und ſein Aerger war vergeſſen. Seit dem letzten mißlungenen Verſuch auf die Maikuhle ließ es der Feind dabei bewenden, und es geſchahen nur hie und da einige Angriffe auf unſre Vorpoſtenkette, um unſre Aufmerkſam- keit zu beſchaͤftigen. Dagegen wagte er ſich, ohne daß wir einige Kunde davon erhielten, in dieſen Tagen an ein Unternehmen, das kuͤhn und groß genug aufgefaßt war, um, wenn die Aus- fuͤhrung gluͤckte, uns mit all unſern bisherigen Vertheidigungs-Anſtalten, im eigentlichſten Wort- verſtande, auf’s Trockne zu bringen. Es ſollte nemlich darauf ankommen, der Perſante ein an- dres Bette zu graben und ſie in den Campſchen See abzuleiten. Dies ſollte in der Niederung zwiſchen Sellnow und dem Kauzenberge, durch die Buͤrgerwieſen und den Prinzendamm, laͤngs (7 *)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/115
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/115>, abgerufen am 05.05.2024.