ten ihn so lange im Guten und im Bösen, bis sie seine Entrüstung einigermaassen milderten, oder vielleicht auch ihn ahnen liessen, daß er hier kein so leichtes Spiel haben werde. "Gut! gut!" rief er endlich -- "So mag der alte Bursche dies- mal laufen. Hüt' er sich nur, daß ich ihn nicht wieder fasse!" -- So gieng Alles friedlich aus- einander; während ich selbst, der ich mich ruhig inne hielt, den Tumult und das Laufen des Volks zwar durch mein Fenster bemerkte, aber doch wei- ter kein Arges daraus hatte, daß es mich so nahe angehen könnte. Selbst die ich fragte, blieben mir die Antwort schuldig; und erst des andern Tages erfuhr ich aus des Landraths Munde, wie schlimm es auf mich und mein Leben gemünzt gewesen.
Wie es aber auch gekommen wäre, so glau- be ich doch, daß ich unter dem Militair Freunde genug gefunden hätte, die Alles, was sich ver- antworten ließ, angewandt haben würden, die Sache zu meinem Vortheil in's Gleiche zu rich- ten. Auch meyne ich wohl, es einigermaassen um sie verdient zu haben, da ich keine Mühe und Anstrengung scheute, ihre Lage nach Möglichkeit zu erleichtern. Zumal waren die Umstände des Schillschen Corps in der Maikuhle von einer Be- schaffenheit, daß sie für wahrhaft beklagenswerth gelten konnten. Die armen Leute waren dort täglich und stündlich auf den Beinen, weil der Feind sie unaufhörlich neckte und in Athem er-
ten ihn ſo lange im Guten und im Boͤſen, bis ſie ſeine Entruͤſtung einigermaaſſen milderten, oder vielleicht auch ihn ahnen lieſſen, daß er hier kein ſo leichtes Spiel haben werde. „Gut! gut!‟ rief er endlich — „So mag der alte Burſche dies- mal laufen. Huͤt’ er ſich nur, daß ich ihn nicht wieder faſſe!‟ — So gieng Alles friedlich aus- einander; waͤhrend ich ſelbſt, der ich mich ruhig inne hielt, den Tumult und das Laufen des Volks zwar durch mein Fenſter bemerkte, aber doch wei- ter kein Arges daraus hatte, daß es mich ſo nahe angehen koͤnnte. Selbſt die ich fragte, blieben mir die Antwort ſchuldig; und erſt des andern Tages erfuhr ich aus des Landraths Munde, wie ſchlimm es auf mich und mein Leben gemuͤnzt geweſen.
Wie es aber auch gekommen waͤre, ſo glau- be ich doch, daß ich unter dem Militair Freunde genug gefunden haͤtte, die Alles, was ſich ver- antworten ließ, angewandt haben wuͤrden, die Sache zu meinem Vortheil in’s Gleiche zu rich- ten. Auch meyne ich wohl, es einigermaaſſen um ſie verdient zu haben, da ich keine Muͤhe und Anſtrengung ſcheute, ihre Lage nach Moͤglichkeit zu erleichtern. Zumal waren die Umſtaͤnde des Schillſchen Corps in der Maikuhle von einer Be- ſchaffenheit, daß ſie fuͤr wahrhaft beklagenswerth gelten konnten. Die armen Leute waren dort taͤglich und ſtuͤndlich auf den Beinen, weil der Feind ſie unaufhoͤrlich neckte und in Athem er-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0107"n="91"/>
ten ihn ſo lange im Guten und im Boͤſen, bis<lb/>ſie ſeine Entruͤſtung einigermaaſſen milderten, oder<lb/>
vielleicht auch ihn ahnen lieſſen, daß er hier kein<lb/>ſo leichtes Spiel haben werde. „Gut! gut!‟<lb/>
rief er endlich —„So mag der alte Burſche dies-<lb/>
mal laufen. Huͤt’ er ſich nur, daß ich ihn nicht<lb/>
wieder faſſe!‟— So gieng Alles friedlich aus-<lb/>
einander; waͤhrend ich ſelbſt, der ich mich ruhig<lb/>
inne hielt, den Tumult und das Laufen des Volks<lb/>
zwar durch mein Fenſter bemerkte, aber doch wei-<lb/>
ter kein Arges daraus hatte, daß es mich ſo nahe<lb/>
angehen koͤnnte. Selbſt die ich fragte, blieben<lb/>
mir die Antwort ſchuldig; und erſt des andern<lb/>
Tages erfuhr ich aus des Landraths Munde, wie<lb/>ſchlimm es auf mich und mein Leben gemuͤnzt<lb/>
geweſen.</p><lb/><p>Wie es aber auch gekommen waͤre, ſo glau-<lb/>
be ich doch, daß ich unter dem Militair Freunde<lb/>
genug gefunden haͤtte, die Alles, was ſich ver-<lb/>
antworten ließ, angewandt haben wuͤrden, die<lb/>
Sache zu meinem Vortheil in’s Gleiche zu rich-<lb/>
ten. Auch meyne ich wohl, es einigermaaſſen um<lb/>ſie verdient zu haben, da ich keine Muͤhe und<lb/>
Anſtrengung ſcheute, ihre Lage nach Moͤglichkeit<lb/>
zu erleichtern. Zumal waren die Umſtaͤnde des<lb/>
Schillſchen Corps in der Maikuhle von einer Be-<lb/>ſchaffenheit, daß ſie fuͤr wahrhaft beklagenswerth<lb/>
gelten konnten. Die armen Leute waren dort<lb/>
taͤglich und ſtuͤndlich auf den Beinen, weil der<lb/>
Feind ſie unaufhoͤrlich neckte und in Athem er-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[91/0107]
ten ihn ſo lange im Guten und im Boͤſen, bis
ſie ſeine Entruͤſtung einigermaaſſen milderten, oder
vielleicht auch ihn ahnen lieſſen, daß er hier kein
ſo leichtes Spiel haben werde. „Gut! gut!‟
rief er endlich — „So mag der alte Burſche dies-
mal laufen. Huͤt’ er ſich nur, daß ich ihn nicht
wieder faſſe!‟ — So gieng Alles friedlich aus-
einander; waͤhrend ich ſelbſt, der ich mich ruhig
inne hielt, den Tumult und das Laufen des Volks
zwar durch mein Fenſter bemerkte, aber doch wei-
ter kein Arges daraus hatte, daß es mich ſo nahe
angehen koͤnnte. Selbſt die ich fragte, blieben
mir die Antwort ſchuldig; und erſt des andern
Tages erfuhr ich aus des Landraths Munde, wie
ſchlimm es auf mich und mein Leben gemuͤnzt
geweſen.
Wie es aber auch gekommen waͤre, ſo glau-
be ich doch, daß ich unter dem Militair Freunde
genug gefunden haͤtte, die Alles, was ſich ver-
antworten ließ, angewandt haben wuͤrden, die
Sache zu meinem Vortheil in’s Gleiche zu rich-
ten. Auch meyne ich wohl, es einigermaaſſen um
ſie verdient zu haben, da ich keine Muͤhe und
Anſtrengung ſcheute, ihre Lage nach Moͤglichkeit
zu erleichtern. Zumal waren die Umſtaͤnde des
Schillſchen Corps in der Maikuhle von einer Be-
ſchaffenheit, daß ſie fuͤr wahrhaft beklagenswerth
gelten konnten. Die armen Leute waren dort
taͤglich und ſtuͤndlich auf den Beinen, weil der
Feind ſie unaufhoͤrlich neckte und in Athem er-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/107>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.