ein wenig zur Besinnung gekommen und mit mir alten Knaben nicht auf's Beste zufrieden, gieng nach Hause, um zu erwarten, was in der tollen Geschichte weiter erfolgen würde.
Alles dies hatte sich Vormittags zugetragen. Gleich Nachmittags aber berief der Commandant den Landrath zu sich, und erklärte ihm seinen Willen, über mich ein, aus dem Militair und Civil zusammengesetztes Kriegsrecht halten und mich des nächsten Tages auf dem Glacis der Fe- stung erschiessen zu lassen. Der Landrath, der es gut mit mir meynte, erschrack; machte Vorstel- lungen, und gab zu bedenken, welch einen ge- fährlichen Eindruck eine solche Procedur auf die Bürgerschaft machen könnte; so daß er für den Ausgang nicht gutsagen wolle. Loucadou beharrte indeß auf seinem Sinn; und Jener entfernte sich, unter der Versicherung, daß er nicht verlange, damit zu schaffen zu haben.
Kaum hatte nun der Landrath auf dem Heimwege in seiner Consternation einigen ihm begegnenden Bürgern eröffnet, was der Com- mandant mit mir vorhabe: so gerieth Alles in die größte Bewegung; Alles nahm meine Parthei, und wer mir auch sonst vielleicht nicht günstig war, wollte doch einen Mitbürger und Lands- mann nicht so schmählich unterdrücken lassen. Der Haufen sammlete sich und ward mit jeder Mi- nute größer. Er wälzte sich zu Loucadou's Woh- nung; umringte ihn, und die Wortführer bestürm-
ein wenig zur Beſinnung gekommen und mit mir alten Knaben nicht auf’s Beſte zufrieden, gieng nach Hauſe, um zu erwarten, was in der tollen Geſchichte weiter erfolgen wuͤrde.
Alles dies hatte ſich Vormittags zugetragen. Gleich Nachmittags aber berief der Commandant den Landrath zu ſich, und erklaͤrte ihm ſeinen Willen, uͤber mich ein, aus dem Militair und Civil zuſammengeſetztes Kriegsrecht halten und mich des naͤchſten Tages auf dem Glacis der Fe- ſtung erſchieſſen zu laſſen. Der Landrath, der es gut mit mir meynte, erſchrack; machte Vorſtel- lungen, und gab zu bedenken, welch einen ge- faͤhrlichen Eindruck eine ſolche Procedur auf die Buͤrgerſchaft machen koͤnnte; ſo daß er fuͤr den Ausgang nicht gutſagen wolle. Loucadou beharrte indeß auf ſeinem Sinn; und Jener entfernte ſich, unter der Verſicherung, daß er nicht verlange, damit zu ſchaffen zu haben.
Kaum hatte nun der Landrath auf dem Heimwege in ſeiner Conſternation einigen ihm begegnenden Buͤrgern eroͤffnet, was der Com- mandant mit mir vorhabe: ſo gerieth Alles in die groͤßte Bewegung; Alles nahm meine Parthei, und wer mir auch ſonſt vielleicht nicht guͤnſtig war, wollte doch einen Mitbuͤrger und Lands- mann nicht ſo ſchmaͤhlich unterdruͤcken laſſen. Der Haufen ſammlete ſich und ward mit jeder Mi- nute groͤßer. Er waͤlzte ſich zu Loucadou’s Woh- nung; umringte ihn, und die Wortfuͤhrer beſtuͤrm-
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ein wenig zur Beſinnung gekommen und mit mir
alten Knaben nicht auf’s Beſte zufrieden, gieng
nach Hauſe, um zu erwarten, was in der tollen
Geſchichte weiter erfolgen wuͤrde.
Alles dies hatte ſich Vormittags zugetragen.
Gleich Nachmittags aber berief der Commandant
den Landrath zu ſich, und erklaͤrte ihm ſeinen
Willen, uͤber mich ein, aus dem Militair und
Civil zuſammengeſetztes Kriegsrecht halten und
mich des naͤchſten Tages auf dem Glacis der Fe-
ſtung erſchieſſen zu laſſen. Der Landrath, der es
gut mit mir meynte, erſchrack; machte Vorſtel-
lungen, und gab zu bedenken, welch einen ge-
faͤhrlichen Eindruck eine ſolche Procedur auf die
Buͤrgerſchaft machen koͤnnte; ſo daß er fuͤr den
Ausgang nicht gutſagen wolle. Loucadou beharrte
indeß auf ſeinem Sinn; und Jener entfernte ſich,
unter der Verſicherung, daß er nicht verlange,
damit zu ſchaffen zu haben.
Kaum hatte nun der Landrath auf dem
Heimwege in ſeiner Conſternation einigen ihm
begegnenden Buͤrgern eroͤffnet, was der Com-
mandant mit mir vorhabe: ſo gerieth Alles in
die groͤßte Bewegung; Alles nahm meine Parthei,
und wer mir auch ſonſt vielleicht nicht guͤnſtig
war, wollte doch einen Mitbuͤrger und Lands-
mann nicht ſo ſchmaͤhlich unterdruͤcken laſſen. Der
Haufen ſammlete ſich und ward mit jeder Mi-
nute groͤßer. Er waͤlzte ſich zu Loucadou’s Woh-
nung; umringte ihn, und die Wortfuͤhrer beſtuͤrm-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/106>, abgerufen am 16.07.2024.
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