nung mit einigem Verlangen entgegen zu sehen; und um dies gehörig zu erklären, sehe ich mich genöthigt, hier, als an dem angemessensten Orte, etwas aus meiner frü- heren Lebensgeschichte nachzuholen.
Jm Jahre 1764, als ich noch in Kö- nigsberg wohnte und mich im besserm Wohl- stande befand, geschah es, daß ich eines Tages einen Faden Brennholz vor meiner Thüre spalten ließ. Der ältliche Mann, der zu diesem Geschäft herbeigeholt worden, schien es weder mit sonderlicher Lust, noch mit großer Geschicklichkeit, zu verrichten. Jch ließ mich mit ihm (wie ich wohl pflege) in ein Gespräch ein, und gab ihm wohl- meynend zu verstehen, daß es mir schiene, als würd' er mit dieser Handthierung in der Welt nicht viel vor sich bringen. Ob er sich auf nichts Andres und Besseres verstände? -- Seine Antwort war: Er habe es in der Welt mit viel und man- cherlei versucht, ohne dabei auf einen grü- nen Zweig zu kommen. Aber was einmal zum Heller ausgeprägt sey, werde nimmer- mehr zum Thaler. -- "Nun, nun!" ver- setzte ich scherzend -- "Das hinderte gleich- wohl nicht, daß Jhr nicht noch einmal ein großer Herr würdet und in der Kutsche führet! Aber an Eurer Mundart vernehm' ich, daß Jhr nicht von Kind auf Königs-
nung mit einigem Verlangen entgegen zu ſehen; und um dies gehoͤrig zu erklaͤren, ſehe ich mich genoͤthigt, hier, als an dem angemeſſenſten Orte, etwas aus meiner fruͤ- heren Lebensgeſchichte nachzuholen.
Jm Jahre 1764, als ich noch in Koͤ- nigsberg wohnte und mich im beſſerm Wohl- ſtande befand, geſchah es, daß ich eines Tages einen Faden Brennholz vor meiner Thuͤre ſpalten ließ. Der aͤltliche Mann, der zu dieſem Geſchaͤft herbeigeholt worden, ſchien es weder mit ſonderlicher Luſt, noch mit großer Geſchicklichkeit, zu verrichten. Jch ließ mich mit ihm (wie ich wohl pflege) in ein Geſpraͤch ein, und gab ihm wohl- meynend zu verſtehen, daß es mir ſchiene, als wuͤrd’ er mit dieſer Handthierung in der Welt nicht viel vor ſich bringen. Ob er ſich auf nichts Andres und Beſſeres verſtaͤnde? — Seine Antwort war: Er habe es in der Welt mit viel und man- cherlei verſucht, ohne dabei auf einen gruͤ- nen Zweig zu kommen. Aber was einmal zum Heller ausgepraͤgt ſey, werde nimmer- mehr zum Thaler. — „Nun, nun!‟ ver- ſetzte ich ſcherzend — „Das hinderte gleich- wohl nicht, daß Jhr nicht noch einmal ein großer Herr wuͤrdet und in der Kutſche fuͤhret! Aber an Eurer Mundart vernehm’ ich, daß Jhr nicht von Kind auf Koͤnigs-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0098"n="94"/>
nung mit einigem Verlangen entgegen zu<lb/>ſehen; und um dies gehoͤrig zu erklaͤren,<lb/>ſehe ich mich genoͤthigt, hier, als an dem<lb/>
angemeſſenſten Orte, etwas aus meiner fruͤ-<lb/>
heren Lebensgeſchichte nachzuholen.</p><lb/><p>Jm Jahre 1764, als ich noch in Koͤ-<lb/>
nigsberg wohnte und mich im beſſerm Wohl-<lb/>ſtande befand, geſchah es, daß ich eines<lb/>
Tages einen Faden Brennholz vor meiner<lb/>
Thuͤre ſpalten ließ. Der aͤltliche Mann,<lb/>
der zu dieſem Geſchaͤft herbeigeholt worden,<lb/>ſchien es weder mit ſonderlicher Luſt, noch<lb/>
mit großer Geſchicklichkeit, zu verrichten.<lb/>
Jch ließ mich mit ihm (wie ich wohl pflege)<lb/>
in ein Geſpraͤch ein, und gab ihm wohl-<lb/>
meynend zu verſtehen, daß es mir ſchiene,<lb/>
als wuͤrd’ er mit dieſer Handthierung in<lb/>
der Welt nicht viel vor ſich bringen. Ob<lb/>
er ſich auf nichts Andres und Beſſeres<lb/>
verſtaͤnde? — Seine Antwort war: Er<lb/>
habe es in der Welt mit viel und man-<lb/>
cherlei verſucht, ohne dabei auf einen gruͤ-<lb/>
nen Zweig zu kommen. Aber was einmal<lb/>
zum Heller ausgepraͤgt ſey, werde nimmer-<lb/>
mehr zum Thaler. —„Nun, nun!‟ ver-<lb/>ſetzte ich ſcherzend —„Das hinderte gleich-<lb/>
wohl nicht, daß Jhr nicht noch einmal ein<lb/>
großer Herr wuͤrdet und in der Kutſche<lb/>
fuͤhret! Aber an Eurer Mundart vernehm’<lb/>
ich, daß Jhr nicht von Kind auf Koͤnigs-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[94/0098]
nung mit einigem Verlangen entgegen zu
ſehen; und um dies gehoͤrig zu erklaͤren,
ſehe ich mich genoͤthigt, hier, als an dem
angemeſſenſten Orte, etwas aus meiner fruͤ-
heren Lebensgeſchichte nachzuholen.
Jm Jahre 1764, als ich noch in Koͤ-
nigsberg wohnte und mich im beſſerm Wohl-
ſtande befand, geſchah es, daß ich eines
Tages einen Faden Brennholz vor meiner
Thuͤre ſpalten ließ. Der aͤltliche Mann,
der zu dieſem Geſchaͤft herbeigeholt worden,
ſchien es weder mit ſonderlicher Luſt, noch
mit großer Geſchicklichkeit, zu verrichten.
Jch ließ mich mit ihm (wie ich wohl pflege)
in ein Geſpraͤch ein, und gab ihm wohl-
meynend zu verſtehen, daß es mir ſchiene,
als wuͤrd’ er mit dieſer Handthierung in
der Welt nicht viel vor ſich bringen. Ob
er ſich auf nichts Andres und Beſſeres
verſtaͤnde? — Seine Antwort war: Er
habe es in der Welt mit viel und man-
cherlei verſucht, ohne dabei auf einen gruͤ-
nen Zweig zu kommen. Aber was einmal
zum Heller ausgepraͤgt ſey, werde nimmer-
mehr zum Thaler. — „Nun, nun!‟ ver-
ſetzte ich ſcherzend — „Das hinderte gleich-
wohl nicht, daß Jhr nicht noch einmal ein
großer Herr wuͤrdet und in der Kutſche
fuͤhret! Aber an Eurer Mundart vernehm’
ich, daß Jhr nicht von Kind auf Koͤnigs-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/98>, abgerufen am 02.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.