Aber nur zu oft begnügt sich ihre Be- gehrlichkeit nicht an dem, was ihnen das Glück auf diesem Wege zuwirft, sondern sie bestehlen sich unter einander; und da ent- steht denn Klage über Klage, als wären ih- nen alle Kleinodien der Welt vonhanden gekommen. Der wachhabende Steuermann verwaltet sodann das gestrenge Richteramt; veranstaltet Untersuchungen, wobei Jeder sein Bündel vorweisen und auskramen muß, und wobei es seiner Gravität oft schwer ge- nug wird, sich des Lachens zu enthalten, und verfügt endlich über den ertappten Dieb ei- nige gelinde Peitschenhiebe. So geht es heute; so morgen, und so alle übrigen Tage während der Dauer der Reise; nicht an- ders, als ob man mit lauter Affen und Nar- ren zu thun hätte.
Ueber unsre diesmalige Fahrt, queer durch den atlantischen Ocean, weiß ich nur wenig zu sagen, wenn ich nicht die nemli- chen Erscheinungen wiederholen soll, deren hundert Reisebeschreiber vor mir bereits zur Genüge erwähnt haben. Dahin gehört das Leuchten des Meerwassers in manchen dunkeln Nächten, das Emporflattern ganzer Rudel von fliegenden Fischen, wie wir's bei uns zu Lande an den Sperlingen zu sehen gewohnt sind, und Manches mehr, das ich mit Stillschweigen übergehe. Dagegen be-
Aber nur zu oft begnuͤgt ſich ihre Be- gehrlichkeit nicht an dem, was ihnen das Gluͤck auf dieſem Wege zuwirft, ſondern ſie beſtehlen ſich unter einander; und da ent- ſteht denn Klage uͤber Klage, als waͤren ih- nen alle Kleinodien der Welt vonhanden gekommen. Der wachhabende Steuermann verwaltet ſodann das geſtrenge Richteramt; veranſtaltet Unterſuchungen, wobei Jeder ſein Buͤndel vorweiſen und auskramen muß, und wobei es ſeiner Gravitaͤt oft ſchwer ge- nug wird, ſich des Lachens zu enthalten, und verfuͤgt endlich uͤber den ertappten Dieb ei- nige gelinde Peitſchenhiebe. So geht es heute; ſo morgen, und ſo alle uͤbrigen Tage waͤhrend der Dauer der Reiſe; nicht an- ders, als ob man mit lauter Affen und Nar- ren zu thun haͤtte.
Ueber unſre diesmalige Fahrt, queer durch den atlantiſchen Ocean, weiß ich nur wenig zu ſagen, wenn ich nicht die nemli- chen Erſcheinungen wiederholen ſoll, deren hundert Reiſebeſchreiber vor mir bereits zur Genuͤge erwaͤhnt haben. Dahin gehoͤrt das Leuchten des Meerwaſſers in manchen dunkeln Naͤchten, das Emporflattern ganzer Rudel von fliegenden Fiſchen, wie wir’s bei uns zu Lande an den Sperlingen zu ſehen gewohnt ſind, und Manches mehr, das ich mit Stillſchweigen uͤbergehe. Dagegen be-
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Aber nur zu oft begnuͤgt ſich ihre Be-
gehrlichkeit nicht an dem, was ihnen das
Gluͤck auf dieſem Wege zuwirft, ſondern ſie
beſtehlen ſich unter einander; und da ent-
ſteht denn Klage uͤber Klage, als waͤren ih-
nen alle Kleinodien der Welt vonhanden
gekommen. Der wachhabende Steuermann
verwaltet ſodann das geſtrenge Richteramt;
veranſtaltet Unterſuchungen, wobei Jeder
ſein Buͤndel vorweiſen und auskramen muß,
und wobei es ſeiner Gravitaͤt oft ſchwer ge-
nug wird, ſich des Lachens zu enthalten, und
verfuͤgt endlich uͤber den ertappten Dieb ei-
nige gelinde Peitſchenhiebe. So geht es
heute; ſo morgen, und ſo alle uͤbrigen Tage
waͤhrend der Dauer der Reiſe; nicht an-
ders, als ob man mit lauter Affen und Nar-
ren zu thun haͤtte.
Ueber unſre diesmalige Fahrt, queer
durch den atlantiſchen Ocean, weiß ich nur
wenig zu ſagen, wenn ich nicht die nemli-
chen Erſcheinungen wiederholen ſoll, deren
hundert Reiſebeſchreiber vor mir bereits
zur Genuͤge erwaͤhnt haben. Dahin gehoͤrt
das Leuchten des Meerwaſſers in manchen
dunkeln Naͤchten, das Emporflattern ganzer
Rudel von fliegenden Fiſchen, wie wir’s bei
uns zu Lande an den Sperlingen zu ſehen
gewohnt ſind, und Manches mehr, das ich
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/95>, abgerufen am 01.05.2024.
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