Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Als ich bei dieser Gelegenheit mit mei-
nen Leuten mich am Lande befand, trat
ich bei einem Kompagnie-Neger, Namens
Franz, ein, dessen Bekanntschaft ich ge-
macht hatte. Hinter seiner Hütte hatte
dieser Mensch eine Art von Gärtchen ein-
gehegt; und ich bemerkte, daß er sich zum
öftern dorthin begab, um mit sichtbarer
Sorgfalt an einem Schirm von Bastmatten
zu drehen und zu stellen. Meine Neugier
erwachte; ich gieng ihm nach und fragte,
was für einen seltenen Schatz er hinter
dem Schirme hütete? -- "Ja wohl, ei-
nen Schatz!" war seine Antwort -- "Ein
rares vaterländisches (d. i. holländisches)
Gewächs!" -- Nun erwartete ich wenig-
sten ein Beet mit den theuersten harlemer
Blumen-Zwiebeln vorzufinden. -- "Ei,
Franz! Das sind ja aber ganz gewöhnliche
Grünkohl-Pflanzen! und aus den 5 oder
6 Pflanzen wirst du schwerlich auch einmal
ein Gericht zusammen bringen!" -- "Nun,
wer sagt denn auch, daß ich sie essen will?
Es ist ja nur der Rarität wegen!" --
Und dicht neben dieser vaterländischen Ra-
rität lagen Citronen und Limonien zu
Dutzenden im Grase, und verfaulten, ohne
daß Jemand es der Mühe werth gehalten
hätte, sie aufzulesen! So verschieden sind
die Begriffe von Werth oder Unwerth, den

11. Bändchen. (6)

Als ich bei dieſer Gelegenheit mit mei-
nen Leuten mich am Lande befand, trat
ich bei einem Kompagnie-Neger, Namens
Franz, ein, deſſen Bekanntſchaft ich ge-
macht hatte. Hinter ſeiner Huͤtte hatte
dieſer Menſch eine Art von Gaͤrtchen ein-
gehegt; und ich bemerkte, daß er ſich zum
oͤftern dorthin begab, um mit ſichtbarer
Sorgfalt an einem Schirm von Baſtmatten
zu drehen und zu ſtellen. Meine Neugier
erwachte; ich gieng ihm nach und fragte,
was fuͤr einen ſeltenen Schatz er hinter
dem Schirme huͤtete? — „Ja wohl, ei-
nen Schatz!‟ war ſeine Antwort — „Ein
rares vaterlaͤndiſches (d. i. hollaͤndiſches)
Gewaͤchs!‟ — Nun erwartete ich wenig-
ſten ein Beet mit den theuerſten harlemer
Blumen-Zwiebeln vorzufinden. — „Ei,
Franz! Das ſind ja aber ganz gewoͤhnliche
Gruͤnkohl-Pflanzen! und aus den 5 oder
6 Pflanzen wirſt du ſchwerlich auch einmal
ein Gericht zuſammen bringen!‟ — „Nun,
wer ſagt denn auch, daß ich ſie eſſen will?
Es iſt ja nur der Raritaͤt wegen!‟ —
Und dicht neben dieſer vaterlaͤndiſchen Ra-
ritaͤt lagen Citronen und Limonien zu
Dutzenden im Graſe, und verfaulten, ohne
daß Jemand es der Muͤhe werth gehalten
haͤtte, ſie aufzuleſen! So verſchieden ſind
die Begriffe von Werth oder Unwerth, den

11. Bändchen. (6)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0085" n="81"/>
        <p>Als ich bei die&#x017F;er Gelegenheit mit mei-<lb/>
nen Leuten mich am Lande befand, trat<lb/>
ich bei einem Kompagnie-Neger, Namens<lb/>
Franz, ein, de&#x017F;&#x017F;en Bekannt&#x017F;chaft ich ge-<lb/>
macht hatte. Hinter &#x017F;einer Hu&#x0364;tte hatte<lb/>
die&#x017F;er Men&#x017F;ch eine Art von Ga&#x0364;rtchen ein-<lb/>
gehegt; und ich bemerkte, daß er &#x017F;ich zum<lb/>
o&#x0364;ftern dorthin begab, um mit &#x017F;ichtbarer<lb/>
Sorgfalt an einem Schirm von Ba&#x017F;tmatten<lb/>
zu drehen und zu &#x017F;tellen. Meine Neugier<lb/>
erwachte; ich gieng ihm nach und fragte,<lb/>
was fu&#x0364;r einen &#x017F;eltenen Schatz er hinter<lb/>
dem Schirme hu&#x0364;tete? &#x2014; &#x201E;Ja wohl, ei-<lb/>
nen Schatz!&#x201F; war &#x017F;eine Antwort &#x2014; &#x201E;Ein<lb/>
rares vaterla&#x0364;ndi&#x017F;ches (d. i. holla&#x0364;ndi&#x017F;ches)<lb/>
Gewa&#x0364;chs!&#x201F; &#x2014; Nun erwartete ich wenig-<lb/>
&#x017F;ten ein Beet mit den theuer&#x017F;ten harlemer<lb/>
Blumen-Zwiebeln vorzufinden. &#x2014; &#x201E;Ei,<lb/>
Franz! Das &#x017F;ind ja aber ganz gewo&#x0364;hnliche<lb/>
Gru&#x0364;nkohl-Pflanzen! und aus den 5 oder<lb/>
6 Pflanzen wir&#x017F;t du &#x017F;chwerlich auch einmal<lb/>
ein Gericht zu&#x017F;ammen bringen!&#x201F; &#x2014; &#x201E;Nun,<lb/>
wer &#x017F;agt denn auch, daß ich &#x017F;ie e&#x017F;&#x017F;en will?<lb/>
Es i&#x017F;t ja nur der Rarita&#x0364;t wegen!&#x201F; &#x2014;<lb/>
Und dicht neben die&#x017F;er vaterla&#x0364;ndi&#x017F;chen Ra-<lb/>
rita&#x0364;t lagen Citronen und Limonien zu<lb/>
Dutzenden im Gra&#x017F;e, und verfaulten, ohne<lb/>
daß Jemand es der Mu&#x0364;he werth gehalten<lb/>
ha&#x0364;tte, &#x017F;ie aufzule&#x017F;en! So ver&#x017F;chieden &#x017F;ind<lb/>
die Begriffe von Werth oder Unwerth, den<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">11. Bändchen. (6)</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0085] Als ich bei dieſer Gelegenheit mit mei- nen Leuten mich am Lande befand, trat ich bei einem Kompagnie-Neger, Namens Franz, ein, deſſen Bekanntſchaft ich ge- macht hatte. Hinter ſeiner Huͤtte hatte dieſer Menſch eine Art von Gaͤrtchen ein- gehegt; und ich bemerkte, daß er ſich zum oͤftern dorthin begab, um mit ſichtbarer Sorgfalt an einem Schirm von Baſtmatten zu drehen und zu ſtellen. Meine Neugier erwachte; ich gieng ihm nach und fragte, was fuͤr einen ſeltenen Schatz er hinter dem Schirme huͤtete? — „Ja wohl, ei- nen Schatz!‟ war ſeine Antwort — „Ein rares vaterlaͤndiſches (d. i. hollaͤndiſches) Gewaͤchs!‟ — Nun erwartete ich wenig- ſten ein Beet mit den theuerſten harlemer Blumen-Zwiebeln vorzufinden. — „Ei, Franz! Das ſind ja aber ganz gewoͤhnliche Gruͤnkohl-Pflanzen! und aus den 5 oder 6 Pflanzen wirſt du ſchwerlich auch einmal ein Gericht zuſammen bringen!‟ — „Nun, wer ſagt denn auch, daß ich ſie eſſen will? Es iſt ja nur der Raritaͤt wegen!‟ — Und dicht neben dieſer vaterlaͤndiſchen Ra- ritaͤt lagen Citronen und Limonien zu Dutzenden im Graſe, und verfaulten, ohne daß Jemand es der Muͤhe werth gehalten haͤtte, ſie aufzuleſen! So verſchieden ſind die Begriffe von Werth oder Unwerth, den 11. Bändchen. (6)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/85
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/85>, abgerufen am 25.11.2024.